„Nichts auf Erden ist auf Dauer, nur die gute, alte Mauer“ – Gerhard Seyfried
Totgesagte leben länger, so heißt es ja bekanntlich. Schaufelt mensch zur Bestätigung des Sprichwortes alle Jahre wieder eine Leiche aus, um sie gleich Achilles den toten Hektor demonstrativ um Troja zu schleifen, wird es allerdings langsam unappetitlich. Und wenn der Sozialismus als Gesellschaft der Freien und Gleichen definitiv die Kriterien des Sprichwortes erfüllen mag und auch Jahrzehnte nach Fukujamas „Ende der Geschichte“ noch als erstrebenswerte Alternative zu Kapital und Lohnarbeit gelten kann, so verrotten manche seiner historischen Altlasten eigentlich, sollte mensch meinen, aus guten Gründen unter der Erde. Die Berliner Mauer zum Beispiel war ab dem 9. November 1989 definitiv Geschichte. Gut so. Aber leider fühlt sich eine ganze Republik anscheinend alljährlich dazu berufen, diese wieder und wieder aus zu graben und hinter den Triumphkarren zu spannen.
Denn um eine wirkliche Aufarbeitung der Vergangenheit scheint es bei den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum des Baus dieser architekturhistorischen Monstrosität ja keineswegs zu gehen. Zu tagespolitisch aktuell erscheint das Thema, zu rituell aufgeladen die Ausdrucksform dieser „Erinnerungskultur“, die sich in der ständigen Wiederholung von Allgemeinplätzen erschöpft, wie schlimm es damals gewesen sei und wie gut wir es doch dagegen heute haben. Eine tatsächliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der historischen Mauer findet dagegen genauso wenig statt, wie der Versuch, Lehren daraus zu ziehen. Statt dessen wird die Geschichte instrumentalisiert und die DDR – auf Kosten der Vita von Tausenden, wenn nicht sogar Millionen von Bundesbürgern, deren einziges Vergehen es war, auf der falschen Seite dieser Mauer sozialisiert worden zu sein – als gescheiterter, weil unfreier Gegenentwurf zur ach-so-freien Marktwirtschaft dämonisiert. Dieser Manichäismus, in dem die real passierte historische Entwicklung einem strengen Gut-Böse-Schema untergeordnet wird, nimmt dabei auch immer gerne den Charakter einer kollektiven Katharsis, einer Reinwaschung vom eigenen Anteil an der Tragödie der Teilung Europas, an.
Gerade im deutschen Kontext ist diese Art des Geschichtsverständnisses beileibe nicht neu: Sie erinnert doch sehr an den Umgang mit der NS-Vergangenheit in beiden deutschen Staaten nach 1945. Aus den Menschen, die gerade eben noch mit der Shoa einen in der Geschichte beispiellosen Zivilisationsbruch begangen hatten, wurde schlagartig ein Volk standhafter Antifaschist_innen. Und tatsächlich dürfen auch heute, wenn es um die erneute rituelle Unterwerfung der DDR geht, die Nazi-Vergleiche nicht fehlen. Immer wieder in Form einer billigen Totalitarismustheorie das angeblich Gemeinsame beider Regimes beschworen: Hier die freie, kapitalistische Welt, da die dunkle, grausame Diktatur der Nazikommunist_innen. Dass es sich dabei um zwei zeitlich und räumlich getrennte Systeme mit einer gänzlich anderen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung und anderen Akteur_innen handelte, deren Gemeinsamkeit höchstens in einer gewissen Kontinuität des Ortes und seiner Bewohner bestand – was dann aber auch auf die BRD zutrifft – wird dabei geflissentlich übergangen. Ebenso wenig stellt sich dieser sorglose Umgang mit der Geschichte die Frage, ob diese Metanarrative des Totalitarismus – hier die freie, kapitalistische Welt, dort die böse, grausame Diktatur – nicht die Verbrechen des Nationalsozialismus relativert. Sie tut es definitiv.
Umso trauriger, dass auch die deutschen Linken – ob nun parteipolitisch organisiert oder nicht – das Mauerjubiläum dazu zu nutzen scheinen, ihren emanzipatorischen Eigenanspruch aufzugeben und die manichäische Legende aus ihrer Position weiter spinnen. So gab es in der letzten Zeit immer wieder Stimmen, die sich auch prominent positiv auf die Mauer bezogen. In der Partei DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern kursiert derzeit beispielsweise gerade ein Pamphlet, das den Mauerbau zumindest als „zwingende Konsequenz aus der wirtschaftlichen und politischen Krise, die die akute Gefahr eines kriegerischen Konfliktes in sich barg“, verteidigt. Laut einer neueren Forsa-Umfrage stimmte eine fast 70-prozentige Mehrheit aller Linkenwähler_innen dieser „Stabilisierungshypothese“ zu. Am Deutlichsten und regelrecht geschmacklos äußerte sich allerdings die junge welt in ihrem Leitartikel zum 13. August: Hier wird einfach mal den Grenzsoldaten an der Mauer für ihre Arbeit gedankt. Dabei sind sich die Autor_innen auch nicht dafür zu schade, explizit für das Straflager für politische Gefangene Hohenschönhausen zu gratulieren, in dem bekanntlich auch viele linke Systemoppositionelle fest saßen. Diese Form des linken Umgangs mit der eigenen Bewegungsgeschichte ist bestenfalls unüberlegt, besser aber zynisch zu nennen. Er suggeriert, dass derart drastische Einschnitte in die Bewegungsfreiheit von Menschen unter bestimmten Umständen vertretbar seien. Man lässt sich also auf eine “der Zweck heiligt die Mittel” -Argumentation ein und legitimiert somit ein Regime, egal, wie menschenverachtend es sich in der Praxis verhalten hat.
Die Inkonsistenz dieser Argumentation fällt besonders ins Gewicht, wenn mensch bedenkt, dass die Leute, die die Berliner Mauer verteidigen, oft auch die ersten sind, die sich bei anderen vergleichbaren Mauern – die aus einer linken Perspektive ohne Frage AUCH abzulehnen sind – wie der Mauer in Israel sofort “Apartheid” schreien – die Nahost-“Berichterstattung“ der jungen welt ist hierbei ein gutes Beispiel. Ein Mauerbau wird also nicht per se politisch abgelehnt, sondern offensichtlich anhand anderer Kriterien gewertet, in denen in Worte wie “historische Notwendigkeit” und “Sachzwänge” eine Rolle spielen. Dieser unhinterfragt übernommene Sprachduktus aus der Neoliberalisierung der politischen Kultur in den letzten Jahrzehnten – frei nach Magret Thatcher: „there is no alternative“ – ist dabei oft mit einem als metaphysische Heilserwartung missverstandenen Sozialismusbegriff verknüpft: Israel ist ein kapitalistischer Staat, die DDR war es nicht. Und was sind schon die Sorgen und Nöte von uns Heutigen angesichts der baldigen Erlösung, wenn der Sozialismus wie der Messias vom Himmel herabsteigt und uns das Paradies auf Erden bringt?
Ein etwas intelligenterer Teil der Linken hingegen erkennt die Problematik des Mauerbaus in Hinblick auf Freiheitsrechte durchaus und grenzt sich von diesem historischen Unrecht explizit ab. Allerdings spielt auch hier die Schwarz-Weiß-Schablone bei der Betrachtung von BRD und DDR weiterhin eine Rolle. So beglückte uns letztens unser Allroundgenie in Sachen Geschichtsklitterung, Oskar Lafontaine, mit der weisen Erkenntnis, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem in Echt der wahre Totalitarismus sei und keinesfalls die historisch obsolete DDR. Auch aktuell zur Mauerdebatte grenzte sich z.B. das Parteispitzenduo Lötzsch und Ernst von einer linken Verharmlosung des Mauerbaus explizit ab. Gleichzeitig stellten aber auch sie fest, dass der Mauerbau aufgrund des Drucks der Besatzungsmächte zustande kam. Zwar waren die Akteure Deutsche, die eigentliche Schuld an der Misere haben aber immer die anderen.
Gerade in der so genannten „Schuldfrage“ lohnt es sich, wieder auf die Anfangs angesprochene Kontinuität im antitotalitären Diskurs der deutschen Gesellschaft zurück zu kommen. Immer wieder wird, auch gerade von linker Seite her, die Wichtigkeit der alliierten Siegermächte beim Mauerbau wiederholt. In der „offiziellen“ Legende, wie sie von Spiegel und Welt gestrickt wurde, ist es meist die Sowjetunion, die die DDR zur Entscheidung des Mauerbaus bewegte, in den aktuellen Stellungnahmen von links vor allem der kriegstreiberische Kurs der Westalliierten. Historisch korrekt ist beides nicht. In der aktuellen historischen Debatte spricht alles dafür, dass es allein die Staatsführung der DDR war, die die Sowjetregierung zur Erlaubnis zum Mauerbau drängte. Hier wiederholt sich also eine der Grundlügen des deutschen Nachkriegskonsens. Die Deutschen sind unschuldig, es waren übermächtige Führer von außen, die sie zu einem solchen Handeln quasi “gezwungen” hätten. Dass im Fall Mauerbau gerade die Sieger über Nazi-Deutschland, vor allem die unter dem deutschen Angriffskrieg besonders gelittene Sowjetunion, als Verführer herhalten müssen, wäre eigentlich eine ganze historische Arbeit wert. Hier wiederholt sich nicht nur die Verführerhypothese, es werden sogar die Siegermächte des zweiten Weltkriegs direkt in Verantwortung gezogen. Es spricht also einiges dafür, dass nicht nur die Struktur des Diskurses über die ungeliebten Teile der Vergangenheit in den Fällen Nationalsozialismus und DDR die selbe ist, sondern es sich in Wirklichkeit um genau das selbe Thema dreht. Die Allierten werden unter dem Vorwand der Tragödie der Berliner Mauer für die „nationale Schmach“ von 1945 verantwortlich gemacht.
Ans Ende sei mal wieder der alte Sprücheklopfer Karl Marx angehängt: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ (MEW 8, S. 115) Mit diesem Satz lässt sich die Misere im deutschen Umgang mit der eigenen Geschichte ganz gut erklären. Gleichzeitig zeigt er uns aber auch einen Lösungsweg auf. Er funktioniert nämlich auch umgekehrt: Kritisieren und hinterfragen wir nämlich die unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umstände, sind wir wieder in der Lage, unsere eigene Geschichte zu machen. Gerade für eine Linke, die sich von ihrem emanzipatorischen Anspruch noch nicht vollkommen gelöst hat, täte eine solche schonungslose Aufarbeitung der eigenen Geschichte mehr Not als alles andere. Es muss also Angesichts des 50-jährigen Jubiläums zum Mauerbau auch darum gehen, den mit der Teilung Berlins begangenen Bruch mit den eigenen Ansprüchen klar zu benennen und die eigene, sowohl deutsche als auch linke Verantwortung für diese historische Tragödie anzuerkennen. Gleichzeitig muss aber klar gestellt werden, dass auch aufgrund dieser historischen Erfahrung für uns als demokratische Sozialistinnen und Sozialisten des 21. Jahrhunderts fest steht: Ein Sozialismus, der die eigene Bevölkerung einsperren muss, ist nicht mit unseren Prinzipien von Demokratie, Pluralität und Menschlichkeit zu vereinbaren.
Gebildet in den Abgrund…
Vielleicht würde es diesem mittlerweile völlig inhaltsleeren Kräftemessen darüber, wer von den Herren der Gebildetere ist, ganz gut tun, humanistische Grundsätze im Umgang miteinander auch einzuhalten und zu pflegen.
@Herr K.
Da beweist man Ihnen einen Fehler und sie behaupten ohne Beweis, dass trtozdem der Rest von Ihrem Schmuh zutrefffend sei. Da kann man sich doch nur an den Kopf langen.
Der Begriff Eristik ist seit nun fast 200 Jahren ziemlich eindeutig im dt. Sprachraum durch die Definition Schopenhauers festgelegt. Alle weiteren Verwendungen sind unüblich und selbst ein Verweis auf die Altphilologie wird hier nicht helfen – denn selbst in der Antike wurde der alte Eristik-Begriff aufgegeben und abgelehnt. Dazu kann man sich eine Menge Dinge durchlesen, aber ich zweifle , dass Sie Alt-Griechisch beherrschen.
Bei Plato werden auch oft genug fiktive Personen beschrieben und reale Idioten. Eine Erwähnung bei Plato macht noch niemanden wichtig.
Da ich inzwischen den Eindruck gewonnen hab, dass ich es bei Ihnen mit einem mit einem isolierten und sozial unerfahrenen Wesen zu tun hab, stelle ich den Austausch mit Ihnen ein. Er ist unergiebig und sinnlos genau wie Sie diskussionsunfähig sind.
Wären Sie einer meiner Studenten würde ich Sie alleine für die Euklid-Verwechslung aus meinem Seminar herauskomplimentieren. Der Rest Ihrer Beiträge ist unter jeglicher Qualifikation und somut unter jeder Kritikwürdigkeit.
Der Idiot bist Du! Zwar gebe ich zu, dass ich hier zwei Personen miteinander verwechselt habe, aber es ging ja um die Begriffsklärung von eristisch und die ist zutreffend. Kann auch nochmal hier nachgeschlagen werden: http://www.textlog.de/6125.html
Wer sich nicht beherrschen kann und bei jeder Gelegenheit ausfallend wird, den kann ich als Gesprächspartner nicht ernstnehmen. OPffenbar laufen auf dieser Seite viele Leute herum, die mit Beleidigungne und Schmöhungen ihre Ideologie durchdrücken wollen, statt sich ernsthaft mit dem Gegenstand zu beschäftigen.
Im Übrigen wird Euklid von Megara auch bei Platon mehrfach erwähnt, also ist er nicht so unwichtig.
@Herr K.
Wer Euklid von Megara,einen der unwichtigeren Schüler Sokrates, mit Euklid von Alexandria, dem Mathematiker, verwechselt benimmt sich einfach wie ein aufgeblasener Idiot.
Vielleicht sollten sich der Herr K. einmal mit humanistischer Bildung beschäfitigen, bevor er Namen wie EUklid in den Mund nimmt..
Nochmal ein kleiner Nachtrag: Eristik ist die Kunst des wissenschaftlichen Redestreits. Ein Eristiker ist ein Schüler des Eukleides von Megara (oder Euklid), dem wichtigsten und bekanntesten griechischen Mathematikers der Antike (3 Jhd v. Chr.), dessen Bücher zwei Jahrtausende lang das Standardwerk der Mathematik waren. Eristisch ist also alles andere als ein Vorwurf. Vielleicht sollten sich die Diskutanten einmal mit humanistischer Bildung beschäfitigen, bevor sie Fremdwörter in den Mund nehmen.
Lieber Herr Ströbemann,
statt ausfallend zu werden, hätten Sie gut daran getan, meinen Kommentar durchzulesen. Es geht nicht um eine „theoretische Grundlage“ sondern um eine Realität in einem Land, welches von sich behauptet, in Punkto Reisefreiheit der DDR voraus zu sein. Warum, weil Pauschalreisen des Durchschnittsbürgers möglich sind, dass war in der DDR auch der Fall, nur dass diese innerhalb des Ostblocks stattfinden mussten.
Im Übrigen bezog sich mein Kommentar auf einen vorherigen Kommentar, der die Zehntausende von Toten an der EU-Aussengrenze rechtfertigt, weil dies ja die Einreise betreffen würde. Würde ich aufgreifen, dass an der DDR-Grenze im Laufe der Zeit weniger Tote zu beklagen wären, als an der EU-Aussengrenze in einer Woche, würde mir ebenso eristische Strategie vorgeworfen werden.
Da lebt es sich dann eben bequemer, die deutsche Staatsräson nochzuplappern. Die DDR war Unrechtsstaat und wir leben hier in Freiheit. Kommentare für Denkfaule: Wir legen uns die Wirklichkeit so zurecht, wie es mit ihr am einfachsten ist.
@Herr K.
Sie meinen sowas doch nicht wirklich? Sie vergleichen die faktische Praxis einen Staates mit der theoretischen Grundlage eines anderes um das Negative an der faktischen Praxis zu relativieren.
Das ist ein unsäglicher Ebenenfehler oder eine böswillige eristische Strategie.
Auf der Grundlage kann man alles relativieren, wirklich alles. Die Aussagen werden dadurch auch nicht wahrer, aber eben entlastender. Sie argumentieren wie ein feiges Kind.
Von wegen Ausreisefreiheit. Irgendwie hat anscheinend keiner das Grundgesetz gelesen. Freizügigkeit gilt (für Deutsche, bei Asylsuchenden ist es noch restriktiver) nur innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik. Es gibt in der BRD kein Recht auf Ausreise. Auch wenn Millionen von Deutschen jährlich die deutsche Grenze auf Suche nach Urlaub überschreiten, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihnen lediglich die Ausreise erlaubt wird und zwar jederzeit widerruflich.
Das beste Beispiel der jüngsten Zeit war der G8.Gipfel in Genua (Italien) 2001, wo immerhin einigen Hundert Deutschen die Ausreise verweigert wurde – und zwar ohne Gerichtsbeschluss nur auf Veranlassung durch die Polizei. Dies ist allerdings kein Einzelfall sondern der tatsächliche Normalfall.
Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Jürgen Seifert hat dies nochmal bestätigt, dass die Einschränkung der Freizügigkeit auf das Gebiet der Bundesrepublik insbesondere in Hinblick auf den entstehenden Ostblock vorgenommen wurde. So wurde vielen bundesrepublikainschen Staatsbürgern die Ausreise in die DDR verweigert, weil sie im Verdacht standen, Kommunisten zu sein.
Übrigens ist auch die Freizügigkeit innerhalb der EU, wie sei im Amsterdamer Vertrag festgeschrieben wurde, eingeschränkt auf die Freizügigkeit der Arbeitsplatzaufnahme im EU-Raum. Das Heißt ohne Arbeit (oder Nachweis von Vermögen) darf sich niemand dauerhaft in einem anderen EU-Land niederlassen.
Natürlich kann man einwenden, dass die Menschenrechtskonvention der UN die Ausreise aus dem eigenen Staat ausdrücklich zubilligt, aber diese Konvention ist in der BRD ebensowenig Rechtsrealität wie die UN-Kinderrechtskonvention, die insbesondere asylsuchenden Kindern besonderen Schutz zubillligt. Wer will kann ja ein entsprechendes Gericht suchen, dass die UN-Konventionen berücksichtigt.
Wenn hierzulande also beklagt wird, die DDR habe ihren Bürgern nicht die Ausreise gestattet, sollte sich einmal mit der Rechtsrealität in der BRD befassen. Vom Rechtsgrundsatz her gibt es nämlich in diesem Punkt keinen Unterschied zwischen DDR und BRD. Von wegen Reisefreiheit!
Es ist natürlich richtig, dass sowohl die „Mauer“ als auch die EU-Außengrenze oder die Zäune zwischen den USA und Mexiko oder Israel und den Palästinensergebieten menschenverachtende und mörderische Einrichtungen waren und sind. Trotzdem gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied: Setzt man grenzbefestigende Staatsgebilde mit Häusern gleich, deren Grundstücke an einer öffentlichen Straße liegen, so errichten die EU, die USA und Israel Zäune, um auf der Straße befindliche Passanten am Betreten von Haus und Grundstück zu hindern. Das ist zweifellos hässlich und das genaue Gegenteil von Gastfreundschaft. Die Mauer wurde jedoch errichtet, um die Bewohner des Anwesens DDR am Verlassen von Haus und Grundstück zu hindern. Dadurch wurde die DDR zum regelrechten Gefängnis fürs eigene Volk. Daran lässt sich beim besten Willen nichts beschönigen oder relativieren. Ausreisefreiheit ist letztlich wohl ein noch höheres Gut als Einreisefreiheit. Denn siet gewährt immerhin die Chance, sich überhaupt auf die Suche nach einem Haus begeben zu können, wo es einem besser gefällt, als im bisherigen. Ob man diese Chance wirklich wahrnehmen kann – oder einem auf der Suche sämtliche fremden Türen vor der Nase zugeschlagen werden -, bleibt ungewiss, ist aber ein Problem, das immerhin im Bereich individueller Selbstverantwortung und -bestimmung liegt.
es wird leider auch hier ähnlich wie bei lafos linke. eigentlich kann mann/frau bestenfalls mitlesen. die debatten werden jeweils sehr schnell einfach nur gruselig. selbst der holocaust muss herhalten. 🙁
Vorweg: Ich glaube weder an Gespenster noch an den Weihnachtsmann und an irgendwelche dubiosen „Herrschenden“ glaube ich schon gar nicht. Und die Leute, die 1989 die Mauer eingerissen haben, waren jetzt nicht gerade die oberen 10.000, wenn du das meinst. Und meine Unlust, mich auf Todesopferdebatten einzulassen verstärkt sich dadurch, dass du jetzt noch geschmacklich grenzwertiger Weise das Wort „Holocaust“ in deine Zahlenspielereien mit eingebracht hast, umso mehr. (Nur so viel sei gesagt: dein Vergleich missachtest hierbei sowohl das Kriterium Qualität als auch das der Quantität)
Ansonsten sehe ich immer noch nicht, warum es denn nicht auch möglich sein kann, beides zu kritisieren. Soweit ich informiert bin, tut die Partei DIE LINKE auch beides, auch wenn mir klar ist, dass das in beiden Fällen noch nicht bei allen Mitgliedern angekommen ist. Das mit der unbewältigten Vergangenheit ist übrigens, und das weiß jeder, der sich informiert, im Fall der LINKEN Schmarrn. Die Partei an sich hat mit dem Stalinismus als System unwiderruflich gebrochen und mit ihrem Einstehen für Demokratie und Menschenrechte auch die richtigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Die einzigen in der Partei, die sich auf den Mauergedenkdiskurs einlassen, sind diejenigen, die auf einmal meinen, die Mauer verteidigen oder relativieren zu müssen.
Nun, erstmal schlägt Quantität in Qualität um (Marx). Und zweitens geht es nicht um die Relativierung der „Mauer“, sondern erstmal nur um eine bessere Einordnung der Priorität. „Mauer“ und EU-Außengrenze ist ein Unterschied, wie sich in den Finger schneiden und die Hand abhacken.
Es ist einfach nur erstaunlich, welche Krokodilstränen die Herrschenden über die Opfer der „Mauer“ vergießen und dabei vergessen, daß sie selber für Leichenberge durch die EU-Außengrenze verantwortlich sind.
Wer von den „Mauer“-Toten spricht, darf von den Toten der EU-Außengrenze nicht schweigen. Und wenn die „Mauer“ Unrecht war, dann ist die EU-Außengrenze blanker Holocaust (sic! in dieser Kategorie firmiert das Ganze).
Entsprechend hätten die Linkspartei-Granden gut daran getan, anstelle ihr Bedauern über die DDR-Grenze auszudrücken, die EU-Außengrenze zu thematisieren. Hätte zwar wieder einen Aufschrei in den bürgerlichen Medien gegeben und die bürgerlichen Parteien hätten wieder über die „unbewältigte Vergangenheit“ der SED-„Geschichte“ der Linkspartei fabuliert, aber es wäre ein guter Kontrapunkt zur Verlogenheit des „Mauer“-Gedenkens gewesen. Taktisch ungeschickt, sich in das „Mauer“-Gedenken einspannen zu lassen.
In deiner Bewertung der EU Außengrenze gebe ich dir 100% Recht, lasse mich aber eher ungern auf quantitative Abwägungen der Opferzahlen ein. Beide Formen der Grenzbefestigung sind dazu da, Menschen daran zu hindern, dort zu leben, wo sie leben wollen und von daher abzulehnen. Das Aufstellen von Rechnungen führt nur dazu, etwas zu relativieren.
Ich weiß gar nicht, weshalb man sich hier mit dieser blöden innerdeutschen Grenze aufhält. Dies ist nichtmal eine Fußnote der Geschichte.
Wieviele „Mauertote“ gab es in der Zeit ihres Bestehens? Ca. 150? Lächerlich!
Die Zahl der Toten der EU-Außengrenze geht in die 100.000. Wöchentlich sterben mehr Menschen vor den Toren Europas als an der innerdeutschen Grenze seit ihres Bestehens. Und jeder Asylbewerber wäre hierzulande froh, wenn er nur halbwegs den Lebensstandard eines DDR-Bürgers führen könnte. Abgesehen von der täglichen Angst der Abschiebung in Folterländer.
Hier sollten endlich einmal die Maßstäbe gerade gerückt werden. Die „Mauer“ unschön, aber die EU-Außengrenze barbarisch.
Ich finde es wichtig, an solch historischen Ereignissen zu erinnern, denn Erinnerung ist besser als das Vergessen. Natürlich darf man nicht gleichzeitig die Verbrechen des Nationalsozialismus nivellieren und wenn man sich die Reden der Politiker an der Bernauerstraße zum 50-jährigen Jubiläum angehört hat, dann wird genau das impliziert. Noch schlimmer: Die Schuld des Mauerbaus wird den Allierten zugeschoben. Das ist Geschichtsklitterung, d´accord. Trotzdem war die DDR alles andere als das sozialistische Paradies auf Erden. Gerade ab 1961 begann der enorme Prozess der Militarisierung der „Ost“-Gesellschaft. „Zu den Waffen, Genossen“ hieß es, und wenn man nicht wollte, dann wurde man schlichtweg weggesperrt oder zu sogenannten „Bautrupps“ degradiert. Selbst kann ich einen Fall aus meiner Familie erläutern. Nur weil ein Familienmitglied nicht zur Partei und sich als Reservesoldat verpflichten wollte, ließ man ihn nicht zum Studium zu. Sicherlich wird der ein oder andere jetzt dementieren, die BRD hat doch viel früher mit der Militarisierung(Bundeswehr,NATO Mitte der 1950er Jahre) angefangen, das ist richtig. Dennoch gab es in der BRD keine faschistoid ähnlichen, in der Gesellschaft verankerten Organisationen wie die FDJ oder die Thälmann-Pioniere. Um mal auf den Punkt zu kommen: Die DDR-Führung negierte notwendige Reformen des Systems. Also musste diese Ordnung folgerichtig irgendwann kollabieren und die kapitalistische BRD war wohl zum damaligen Zeitpunkt die weitestgehend bessere Alternative.
diskussionskultur fail + ontologischer fehlschluss fail
„Berliner Mauer […] vergleichbare Mauern […] wie der Mauer in Israel“
epic fail