Die Junge Welt sagt: Danke Gregor!

Nach einem Bericht des Tagesspiegel hat man sich im Büro von Gregor Gysi auf einen „Kompromiss“ zum zukünftigen Umgang mit der Anzeigenschaltung in der Jungen Welt geeinigt. Noch kurz nach dem umstrittenen Titelblatt des 13. August und der daraufhin von Mitgliedern, Funktionären und Mandatsträgern der Linken gestarteten und unterstützten Initiative zum Stopp der Schaltung von Fraktions- und Parteianzeigen in der jW, hatte sich Gysi unmissverständlich dazu erklärt und schon im Vorgriff auf eine Abstimmung in den Gremien zumindest Anzeigen der Fraktion für die Zukunft ausgeschlossen. Auch im KL-Haus wurde eine auslaufende Buchung – vorerst – nicht erneuert. Unter der Führung der westdeutschen MdB – allen voran die NRW-Abgeordnete Dagdelen – des radikal-linken Flügels der Fraktion wurde als Antwort eine Kampagne gestartet, die diesen „Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit“ zurückgewiesen hat, die weitere Schaltung von Anzeigen in der jW fordert und sich somit, auch durch die Platzierung eigener Anzeigen, unmissverständlich auf die Seite derer gestellt hat, die Die Linke in ihrer Gesamtheit wieder zu einer Partei der Fundamentalopposition und der Wiederbelebung zu Recht gescheiterter Sozialismusvorstellungen des vergangenen Jahrhunderts machen wollen. Mehr als 30 Abgeordnete unterzeichneten einen entsprechenden Aufruf.

Unter dem Eindruck einer somit für Gysi drohenden Niederlage bei einer Abstimmung in der Fraktion, wurde nun zwischen den MdB Dagdelen und Hänsel (als Vertretern des westdeutschen Flügels) und Pau und Hein (als Vertretern des reformorientierten Teils der Partei) ein mehr als zweifelhafter Formelkompromiss ausgehandelt. Bezeichnend ist hier nicht nur, dass statt Fraktionsmitgliedern, die die Initiative offen unterstützt haben, nun Pau und vor allem Hein, die noch als angeschlagen gelten kann aufgrund ihres durch eine Unterlassungserklärung beendeten Zwists mit Fraktionskollegen Dehm, als „Verhandlungsführer“ für die Seite derer ausgewählt wurden, die keine Partei- oder Fraktionsanzeigen mehr in der jW schalten wollen, sondern auch, dass der Kompromiss darin bestehen soll, dass nun von „Fall zu Fall“ darüber zu entscheiden sei, ob und welche Anzeigen künftig geschaltet oder eben nicht geschaltet werden.

Angesichts der in der Partei schon breit diskutierten und vom westdeutschen Flügel der Partei über Pressearbeit, vor allem besagter MdB Dagdelen, offen geforderten Kandidatur von Sahra Wagenknecht zur weiblichen Fraktionsvorsitzenden, kann dieser nun ausgehandelte „Kompromiss“ noch nicht einmal mehr als Teilerfolg für Gregor Gysi und den realpolitischen Teil von Fraktion und Partei gelten. Gysi sollte klar geworden sein, dass er bei einer Abstimmung über den Fraktionsvorsitz Wagenknecht, sollte sie denn tatsächlich antreten, nicht mehr verhindern kann. Was dies für die zukünftige Arbeit der Fraktion und die Partei nach dem Programmparteitag in Erfurt bedeuten wird, ist klar. Die Partei soll – auch lautstark gefordert und gefördert von Oskar Lafontaine – auf einen geschichtsvergessenen Kurs eingeschworen werden, der bislang nicht für politische Erfolge und Wahlgewinne steht, sondern Die Linke im Westen bereits weitestgehend marginalisiert hat. Aber nur so scheint der (westdeutsche) Retroflügel der Partei die vollständige Hegemonie über Die Linke erringen zu können. Und zwar noch bevor 2013 die Bundestagswahlen anstehen und man 2014 aufgrund auslaufender Übergangsbestimmungen die Mehrheit im Delegiertenkörper auf Bundesebene verliert. Statt nach dem für Die Linke eher durchwachsenen „Superwahljahr 2011“ nun in ruhigeres Fahrwasser zu kommen, steuert die Partei somit auf einen weiteren Sturm zu. Und Steuermann Gysi hat seit dem gestrigen „Kompromiss“ vorerst die Brücke verlassen.
(mb)