Aktuell sorgt ein Antrag der Linken im Bundestag in Kreisen innerhalb und ausserhalb der Partei für erstauntes Kopfschütteln. Ausgerechnet die Fraktion der Partei, die für sich in Anspruch nimmt als einzige politische Kraft im Parlament mittels einer konsequenten Abrüstungs- und Friedenspolitik einen Grossteil der bundesdeutschen Bevölkerung gegen die so gerne bezeichneten „Kriegstreiber“ der bürgerlichen Parteien zu vertreten, fordert unter der Überschrift „Für eine kostenfreie und umfassende Betreuungskommunikation im Einsatz“ die Bereitstellung weitreichender, steuerfinanzierter Kommunikationsmöglichkeiten für im Auslandseinsatz befindliche Angehörige der Bundeswehr. Zusätzlich zu unbegrenzten Gratistelefonaten von der Front in die Heimat wird auch die Bereitstellung kostenloser und unbegrenzt privat nutzbarer Internetanschlüsse in ausreichender Zahl gefordert. Begründet wird diese moralische Unterstützung der „kämpfenden Truppe“ mit der erheblichen „Bedeutung für die Bewältigung der mit dem Militäreinsatz für beide Seiten verbundenen Belastungen“. Die Junge Welt zitiert hierzu in einem Artikel vom 21.3.2012 u.a. aus einem offenen Brief des Geschäftsführers der Deutschen Friedensgesellschaft–Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), Monty Schädel. „Der deutliche Hinweis, daß der Krieg das Verbrechen ist und nicht auch noch mit einer Gratis-Kriegsflatrate vergütet werden sollte, wäre passender für eine Antikriegspartei gewesen.“, folgert Schädel hier richtig aus einem Abgleich von programmatischem Wunsch und parlamentarischer Wirklichkeit der Linksfraktion.
Er bemerkt darum, dass „Die Linke zur Verlängerung des Krieges bei“ trägt. Richtig ist, dass der umstrittene Antrag der Linksfraktion sogar in seinen Forderungen weitergehender ist, als ein ähnlicher Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen, der unter dem Titel „Für eine moderne und umfassende Betreuungskommunikation im Einsatz“ zusammen mit dem Antrag der Linksfraktion auf der Tagesordnung des Bundestags für diesen Donnerstag steht. Bemerkenswert bei dem Antrag der Linksfraktion ist vor allem die Liste der Antragsteller auf der sich u.a. auch die MdB Dagdelen, Buchholz, Dehm, Höger, Hunko finden, die bislang eher durch Kritik an vermeintlich bellizistischen Forderungen und Äusserungen der sog. „Reformer“ aufgefallen sind und gerade nicht durch ihre bedingungslose Unterstützung der kriegführenden deutschen Aussenpolitik. Angesichts dieses Umstands ist es nicht verwunderlich, dass im genannten Artikel der Jungen Welt kein weiteres, kritisches Wort zu den Initiatoren des Antrages zu finden ist. Gehörten die genannten MdB doch bislang zu den bedingungslosen Unterstützern der Jungen Welt gegen Kritik von Links und konnten im Gegenzug auf die Hilfe dieser Zeitung im innerparteilichen Machtkampf setzen.
Update
In der heutigen Sitzung des Bundestages wurde zu beiden genannten Anträgen – und einem Zusatzantrag der Grünen – eine Beschlussempfehlung abgestimmt. Eine grosse Anzahl der Abgeordneten der Linksfraktion stimmten für diese Empfehlung und damit gegen den eigenen Antrag der Linken, der Grossteil der Fraktion stimmte allerdings gegen die Empfehlung und damit für den Antrag. Zur Erläuterung ihres Abstimmverhaltens gegen den Antrag der Linksfraktion ist eine persönliche Erklärung veröffentlicht worden, die u.a. von den MdB Wawzyniak und Sharma, aber auch von Dittrich, Jelpke, Menzner und Jochimsen unterzeichnet worden ist. Für die Antragssteller erklärt in der Jungen Welt vom 22.3.12 der aussenpolitische Sprecher der Fraktion Wolfgang Gehrcke, warum der Antrag keine Unterstützung des Kriegskurses der bürgerlichen Parteien ist, sondern Teil des friedenspolitischen Profils der Linken: „Die Linke ist eine Antikriegspartei, die einzige im Bundestag.“.
2. Update
Auch Christine Buchholz und Inge Höger haben als Antragsteller eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie ihre Sicht auf den friedenspolitischen Inhalt des Antrags darstellen. Siehe hierzu auch unseren heutigen Kommentar.
(mb)