Gysi ist nicht gegen eine Spitzenkandidatin Wagenknecht

In einem Interview mit der Berliner Morgenpost bezieht der amtierende Vorsitzende der Linksfraktion Stellung in der Frage der Spitzenkandidatur seiner Partei zur Bundestagswahl 2013. Das aus Parteikreisen gestreute und in der Presse aufgenommene Gerücht, dass er Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin der Linken verhindern wolle ist demnach auch nur ein Gerücht. Der 64-Jährige Gysi erwartet bei dem kommenden Vorschlag über die Spitzenkandidatur an den Parteitag keine Auseinandersetzung und denkt vielmehr darüber nach wann er seinen Platz für Wagenknecht und einen anderen als Nachfolger frei macht.

Wichtiger ist für ihn die Frage, ob es ihm gelingt sein 2009 mit mehr als 40% der Stimmen errungenes Direktmandat in Treptow-Köpenick im nächsten Jahr erfolgreich zu verteidigen. Angesichts der aktuellen Umfragen stellt Gysi fest, dass es der Partei gelingen muss sich bis zum Ende des Jahres zu stabilisieren. Seine deutlichen Worte auf dem Göttinger Parteitag war er „den Leuten sogar schuldig“ und konnte damit bewirken, dass der Parteitag viel erfreulicher verlief, als es vorher den Anschein hatte und zwei Vorsitzende gewählt werden konnten, die „ihre Sache erkennbar gut“ machen und „die Nähe zu allen Mitgliedern“ suchen. Damit könne sich die Linke wieder darauf konzentrieren, dass von der Partei Politik und nicht Streit um Posten erwartet wird. Auch die neue Offenheit in seinem Verhältnis zu Oskar Lafontaine dürfte entscheidend zur Verbesserung des Klimas innerhalb der Partei und einer positiven Aussenwirkung beitragen.

Eine Vorentscheidung Gysis für Wagenknecht ist nicht überraschend, wird sie doch mit ihren Ausführungen und Lösungsvorschlägen zur aktuellen Krisenproblematik in der EU bis weit in konservative Kreise ernst genommen und ermöglicht es damit der Linken ihre Forderungen gleichberechtigt in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Bedenkt man die immer noch prekäre Lage in der Wählergunst – ganze 3% in den westlichen Bundesländern – kann die Linke es sich nicht leisten auf ein mediales und fachliches Zugpferd wie Wagenknecht zu verzichten und sie nicht an vorderster Stelle im Bundestagswahlkampf einzusetzen. Dass damit auch automatisch eine Entscheidung über den Fraktionsvorsitz nach der Wahl getroffen wird, dürfte für Gysi allerdings gerade bei den ostdeutschen Abgeordneten, die von ihrem Wiedereinzug ausgehen, noch einiges an Überzeugungsarbeit bedeuten.
(mb)