Linke Wiesbaden: Ideologische Meinungsverschiedenheiten oder plumper Antisemitismus?

Mit Palituch für die Meinungsfreiheit

Am 23. September tritt in der Berliner Parteizentrale die Bundesschiedskommission der Partei Die Linke zusammen, um über den Parteiausschluss von Claus Stephan Schlangen zu beraten. Schlangen, der gerne auch durch seine Kopfbedeckung einen festen politischen Standpunkt bezieht, ist nach eigenen Angaben Gründungsmitglied des Kreisverbandes Wiesbaden der WASG. Wie auf dem Blog Die Freiheitsliebe nachzulesen ist (hier und hier), sieht er sich vom BAK Shalom und diesem nahestehenden Kreisen in der Partei wegen seiner Meinung verfolgt und im innerlinken Diskurs unterdrückt.

Wobei sich für Schlangen, wie auch für einige andere westdeutsche Genossen, gerade in der Nahostfrage innerparteilicher Pluralismus und Diskurs darin erschöpfen, den von der Hamas geführten „Freiheitskampf“ der Palästinenser gegen eine imperialistische Politik Israels und der USA zu unterstützen. Nicht erst seit dem innerlinken Streit über die Teilnahme prominenter Genossen an den sogenannten „Gaza-Flotillen“ und den darauf folgenden klaren Beschlüssen der Partei gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen, schwellt dieser unterdrückte Konflikt zwischen „Israelfeinden“ und „Israelfreunden“ unterschwellig weiter. Zur weiteren Lektüre sei hier auf unsere Artikel zum Thema verwiesen.

Der „Fall Schlangen“ wäre an sich unbedeutend. Denn natürlich sollte gerade eine deutsche Linke keine politische Heimat für Menschen sein, die in der Öffentlichkeit den Begriff „Zionazi“ nutzen (wie es die Antragsteller belegen) oder die Aktivitäten des israelischen Staates mit dem faschistischen Terror Nazideutschlands gleichsetzen. Und natürlich würde man davon ausgehen, dass eine Landesschiedskommission bei einer solch eindeutigen Beweislage einen Parteiausschluss verfügt. Bemerkenswert wird dieser Vorgang dadurch, dass die zuständige Schiedsgerichtsbarkeit im hessischen Landesverband den Antrag auf Ausschluss mit der Begründung zurückweist, dass es nicht Aufgabe der Landesschiedskommissionen sei, zu beurteilen welche Positionen innerhalb des Nahostkonfliktes zu bevorzugen oder abzulehnen sind.

Erstaunlich wenn man in Betracht zieht, dass in der Folge der Antisemitismusdebatte des letzten Jahres die Führungsgremien der Partei eine klare Grenze gezogen haben, wo israelkritische Äusserungen von Genossen enden und linker Antisemitismus beginnt. Der Umgang der hessischen Schiedskommission mit diesem Thema lässt vermuten, dass auch aufgrund der anhaltenden Sklerose des westdeutschen Parteikörpers der bislang weiter hinter den Kulissen ausgetragene Konflikt um einen Antisemitismus von links wieder stärker in den Vordergrund tritt. Im Zuge eines dringend erforderlichen politischen und organisatorischen Neustarts der gesamtdeutschen Linken sollte die Parteiführung dieses Thema nicht allein der Schiedsgerichtsbarkeit überlassen oder es aus Gründen falsch verstandener Solidarität mit prominenten Fürsprechern solcher Positionen im westdeutschen Apparat versuchen zu verharmlosen. Ein klares Urteil der Genossen der Bundesschiedskommission dürfte eine erste Orientierung bieten, in welche Richtung sich die Partei im Minenfeld zwischen linkem Pluralismus und Antisemitismus in der Zukunft orientieren wird.
(mb)

11 Kommentare

  1. Das Verfahren bei der Hessischen Schiedkommission war Witzig.
    Die Antragsteller haben es nicht für nötig befunden in Frankfurt zu erscheinen. Die Hessische Schiedkommission hat ein unentschuldigtes Fehlen festgestellt.
    Schade das dies hier im Artikel nicht genannt wurde.
    Mich wundert, das die überhaupt noch einspruch erhoben haben. Aber warscheinlichen haben die einen besseren Draht zur Berliner Schiedkommission und keinen Bock gehabt sich auf den langen Weg nach Frankfurt zu begeben. Warum sich also mit langen Fahrten abgeben, wenn man zuhause alles so richten kann wie man es will.

  2. aha. und weil das so ist äussert mensch sich nur anonym.
    ex-genosse schlangen versteckt sich zumindest nicht.

  3. Das der Zionismus eine rechtsradikale Ideologie ist die sich durch Herrenmenschen denken definiert, ist in manigfaltigen Publikationen auch von Anti-Zionistischen Juden hinlänglich bekannt. Das Isreal der militärische Arm der USA im Kanpf um die Rohstoffe der Region ist sollte inzwischen auch angekommen sein. Dies ist keine Auseinanderstzung mit dem Volk der Juden sondern mit einer Ideologie die ich als Sozialist ablehnen muss. Das die Antisemitismus Keule so inflationär geschwungen wird ist für die poitische Linke äusserst peinlich, weil sie dafür sorgt das man sich mit diesem Totschalgargument der politischen Diskussion enthebt und pauschal abbügelt..Es ist traurig das linke dort mitmachen.Aber es gibt Hoffnung das die Keule nicht mehr lange ziehen wird wie der fall Grass gezeigt hat.

  4. Ein paar aufklärende Worte:
    Es ist richtig, dass ich bis vor etwa einem Jahr den bemängelten ‚Begriff mit Z. am Anfang‘ benutzt habe um den rechten, revisionistische Zionismus zu beschreiben. Dieser Begriff ist im internationalen Diskurs durchaus gebräuchlich und hat sogar einen Eintrag im „urban dictionary“ . Er kommt übrigens nicht aus der Nazi-Ecke, in die man mich hier zu stellen versucht, geprägt hat ihn, wenn auch als „Judäo-Nazi“, der jüdische Philosoph Yeshajahu Leibowitz, der damit eben genau die Siedlerjugend und den überbordenden zionistischen Nationalismus beschrieb.
    Diesen bemängelten Ausdruck benutze ich seit etwa einem Jahr nicht mehr, da ein jüdischer Freund, der sich dadurch verletzt sah, darum bat. Seither verwende ich wieder die Langform „Nationalzionisten“, um den rechten, revisionistischen Zionismus von anderen zionistischen Gruppen, wie z.B. den durchaus ehrbaren „Kulturzionisten“ zu unterscheiden. „USrael“ ist übrigens ein gern genommener Tippfehler… ich neige dazu beim Schnelltippen die Hochstelltaste zu spät los zu lassen und das U liegt ja nunmal direkt neben dem I…

    Über die Zusammenarbeit und auch ideologische Nähe der Nationalzionisten mit den Nazis gibt es übrigens sehr lesenswerte Forschungen, z.B. von Lenni Brenner, einem jüdischen US-Antizionisten oder dem DDR-Journalisten und NAhost-Kenner Klaus Polkehn, der sogar von einem Komplott spricht.

    Ich befinde mich übrigens mit meiner Einschätzung, dass es sich bei Israel um einen zumindest proto-faschistischen Staat handelt nicht alleine, ich verweise hier nur auf den Brief von u.a. Albert Einstein und Hannah Arendt an die NYT, in dem sie bereits vor über 60 Jahren vor einem aufkeimenden faschistoiden Tendenzen in Israel warnten: http://mondoweiss.net/2011/01/arendt-and-einstein-warned-of-fascism-rising-in-israel-60-years-ago.html
    Leider haben sie recht behalten, wie wir heute an brennenden Kindergärten und prügelnden Lynchmobs im ach so weltoffenen Tel Aviv sehen kann… von der gewaltsamen illegalen Landnahme und völkerrechtswidriger Ausbeutung der Ressourcen eines besetzten Gebietes will ich ja garnicht anfangen.

    Ich verwehre mich auch gegen den Anwurf, ich würde „die Hamas“ unterstützen. Richtig ist vielmehr, dass ich den Freiheitskampf von Gruppen der Zivilgesellschaft wie z.B. die „Ni’lin sons“ (http://www.nilin-village.org/) unterstütze oder auch das Friedensdorf Neve Shalom/Wahat al-Salam (http://nswas.org/rubrique41.html), in dem das friedliche Zusammenleben von Juden und Muslimen vorgelebt wird..

    Meine Unterstützung für das internationale BDS-Movement hat auch nichts mit dem gern kolportierten „Kauft nicht bei Juden!“ zu tun, sondern vielmehr mit „Kauft nichts, was von Besatzern auf völkerrechtswidrig annektiertem Land produziert wurde!“. Da aber Waren aus den Siedlungen nunmal fälschlicherweise als „Made in Israel“ gekennzeichnet sind, bleibt einem nur der Totalboykott israelischer Waren, bis die Siedelerprodukte richtig gekennzeichnet sind. Hier bin ich z.B. konform mit so bekannten „Antisemiten“ wie z.B. Richard von Weizsäcker und Helmut Schmidt, die wie 24 andere „Elder statesmen“ Sanktionen gegen Israel fordern, siehe: https://www.d-a-g.de/index.php?option=com_content&task=view&id=508&Itemid=1

    Im Übrigen wurde ich nicht wegen dem vom BAK SHARON herbei phantasierten „Antisemitismus“ ausgeschlossen, sondern quasi wegen „Majestätsbeleidigung“, da ich es gewagt hatte, Parteifunktionäre, die mich als „Antisemit“ beschimpft haben mit einigen unschönen Ausdrücken bedacht hatte, was mir als „grob unsolidarisches Verhalten“ ausgelegt wurde, u.a. da ich nur bereit war, mich zu entschuldigen, wenn auch von der anderen Seite eine Entschuldigung erfolgt.

  5. Wie aus dem Screenshot ersichtlich, spricht Schlangen von „Zionazis“.

    Die EU- „Working Definition of Anti-Semitism“ (Source: http://fra.europa.eu/fra/material/pub/AS/AS-WorkingDefinition-draft.pdf ) spricht da eine klare Sprache:
    Examples of the ways in which anti-Semitism manifests itself with regard to the state of Israel taking into account the overall context could include:
    – Drawing comparisons of contemporary Israeli policy to that of the Nazis.

    Auch wichtig, weil gerne verwendet:
    _ Denying the Jewish people their right to self-determination (e.g., by claiming that the existence of a State of Israel is a racist endeavor).

  6. diese theorien im bezug auf genossen seibert begegnen mir öfter. kann dazu auch etwas belegt werden? das gerechtfertigte vorgehen gegen bestimmte gruppen auf facebook kann es ja wohl nicht sein. was dies dann mit seiner möglichen mitgliedschaft in dieser oder jener ag zu tun hat erschliesst sich mir gar nicht.

  7. Ja Sissy, vermutlich hast Du bei Allem recht, außer wenn Rudolf schreibt:
    “ … denn hier geht es um die, von israelischen Linken initiierte, BDS-Kampagne, die sich ausdrücklich auf einen Boykott von Waren aus den besetzten Gebieten bezieht. Dies steht im Einklang mit internationalen und europäischen Recht. Weder gibt es ein Parteitagsbeschluss, der die Unterstützung der BDS-Kampagne untersagt, noch kann so ein Beschluss für einzelne Mitglieder bindet sein.“

    Das (aber auch nur das!) ist so, wie er schreibt. Wobei natürlich vieles zu befragen bzw. abzuwägen ist: so trifft der Boykott eben vermutlich auch die Palästinenser in den besetzten Gebieten, kann man die Herkünfte so genau identifizieren usw.
    Und einer der Oberzensoren und Strippenzieher (LA, Phrasen-Schreite) der Linken, IT-„Experte“ Mark Seibert, ist wohl Mitglied im BAK-Shalom, jedenfalls nicht dementiert. Und nein, bei weitem nicht nur beim Israel-Palästina-Konflikt schlägt er zu, wenngleich natürlich da besonders oft.

  8. @Rudolf: Schlangen benutzt Begriffe wie „Zionazi“ und „USrael“, die man sonst eher von NPD-Anhängern kennt, sehr gern. Das kann man z.B. auf der von ihm gegründeten und administrierten Facebook-Seite „Stoppt den BAK Shalom!“ nachlesen. Falls Du keinen Facebook-Account hast, ist Google Dein Freund: Mit den Stichwörtern „Schlangen“, „Zionazi“ und „USrael“ findest Du zum Beispiel das Forum des Blogs „Lafontaines Linke“, wo der Mann mit dem Geschirrtuch um den Kopf höchstpersönlich begründete, warum diese Begriffe keineswegs antisemitisch sind.

    Für Lügen und Verleumdungen des BAK Shalom hätte ich doch gern ein Beispiel. Die Jungs spinnen zwar manchmal ganz schön, aber so ein harter Vorwurf möchte gut begründet sein! Also? Ich höre.
    (Übrigens: Wenn ausgerechnet Antiimps, deren meistgebrauchtes Wort „Volk“ lautet, ihren Opponenten völkische Gesinnung vorwerfen, wird es komisch.)

  9. Niemand, der bei Trost ist, glaubt der BAK Shalom. Zu oft haben BAK Shalom-Mitglieder gelogen oder verleumdet. Insbesondere steht BAK Shalom für die Neue Rechte, Militarismus und völkische Gesinnung, alles verpackt als „Eintreten“ gegen „Antisemitismus“ und „Antiamerikanismus“.

    Entsprechend ist auch der Antrag an die Bundesschiedskommission völlig inhaltsleer. Es darf bezweifelt werden, ob irgendein Vorwurf („Zionazi“) belegt werden kann oder substantiell (BDS-Unterstützung) ist. Der Vorwurf des Israel-Boykotts ist schon hanebüchend, denn hier geht es um die, von israelischen Linken initiierte, BDS-Kampagne, die sich ausdrücklich auf einen Boykott von Waren aus den besetzten Gebieten bezieht. Dies steht im Einklang mit internationalen und europäischen Recht. Weder gibt es ein Parteitagsbeschluss, der die Unterstützung der BDS-Kampagne untersagt, noch kann so ein Beschluss für einzelne Mitglieder bindet sein.

    Es ist schon seltsam, dass die Potemkin-Redaktion stets ihre angeblich libertäre-antiautoritäre Gesinnung proklamiert, aber sich hier jetzt auf offenbar nichtexistente Beschlüsse des Parteivorstandes beruft, die für die Einzelmitglieder bindet sein sollen. Was denn nun, Stärkung der freiheitlich-demokratischen Verfasstheit der Partei oder autoritäres Durchregieren von oben? Gibt es noch die Erinnerung an die Ausschlusspraxis der SPD in den 70er und 80er Jahren? Soll dies Vorbild für die Linkspartei sein? Oder möchte die Potemkinredaktion gleich Verhältnisse wie zur SED herstellen?

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