Latenter Antisemitismus ist leider immer noch ein Problem, mit dem sich die organisierte Linke und ihre gleichnamige Partei ständig auseinander setzen muss. Hin und wieder gelingt es sogar sich zumindest von den „Genossen“ zu trennen, die den in der Partei Die Linke offensichtlich erduldeten Bogen überspannen. Zu häufig allerdings ergehen sich Parteivolk und Parteiführung in mehr oder weniger wortreichen Erklärungen, warum Dieses oder Jenes zwar antisemitische Vorurteile bedienen könne, aber von einem „Linken“ eben gar nicht so gemeint sei. Genau diese Einstellung hilft einem Parteigenossen wie dem Duisburger Fraktionsvorsitzenden Hermann Dierkes dabei, seine Abneigung gegen den Kapitalismus und „den Juden“ unter dem Schutz der Partei weiter ausleben zu können.
Noch letztes Jahr pünktlich zur Vorweihnachtszeit wurde Dierkes vom Simon Wiesenthal Center auf der „Hitliste“ der antisemitischen und antiisraelischen Ausfälle des Jahres 2011 auf Platz 9 aufgeführt und brachte den linken Antisemitismus damit wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Eine Aufmerksamkeit, die wie schon so häufig im Grunde folgenlos geblieben ist. Dierkes selber hetzte gegen das SWC, die „Propagandaagentur der rechtesten und schäbigsten Regierung, die Israel je hatte“, und schmähte seine innerparteilichen Kritiker als willfährige Handlanger einer Rufmordkampagne gegen Persönlichkeiten, die sich für Menschenrechte, Völkerrecht und Frieden einsetzen. Um den ohnehin immer wackeligen Burgfrieden der Mosaiklinken nicht zu gefährden, erfuhren Dierkes und seine medialen und politischen Unterstützer nur einen lauen Gegenwind des Widerspruches aus den oberen Etagen der Partei.
Allerdings wurde bereits im November 2011 gegen Dierkes ein Parteiausschlussverfahren vor der zuständigen Schiedskommission des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen beantragt. Als Begründung wurden belegbare antisemitische Äusserungen von Dierkes aufgeführt und daraus richtigerweise gefolgert, dass sein Verhalten der Partei einen schweren und andauernden Schaden zugefügt habe. Eröffnet wurde das Verfahren von den Genossen Laienrichtern dann aber nicht, da man nach fast 12 Monaten des Nachdenkens in der Schiedskommission zu der Erkenntnis gelangt sein will, dass der Antrag nicht ausreichend begründet sei. Bedauerlich, aber nicht überraschend, dass der eigene Landesverband dem ehemaligen OB-Kandidaten in Duisburg so offensichtlich den Rücken für sein Treiben frei hält.
Dass sich nun aber auch die Bundesschiedskommission mit einer 4:4 Entscheidung für den Verbleib Dierkes in der Partei Die Linke ausgesprochen hat, dürfte ein neuer, trauriger Meilenstein für die Akzeptanz antisemitischer Einstellungen im Parteikörper sein. Da die vollständige Begründung noch nicht vorliegt, gibt die Schiedskommission einen Ausblick auf ihre Entscheidung:
Die Kommission wird in der Begründung deutlich machen, zwischen einer von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckten Kritik an der israelischen Regierungs- und Siedlungspolitik und nicht tolerierbaren, klar antisemitischen Redewendungen differenzieren zu müssen (…). Die Standortbestimmung der Partei in dieser Frage muss daher immer wieder im Diskurs auf allen Ebenen gesucht werden.
Für den Antragsteller Mark Seibert steht damit fest: „Wir haben es mit einem antisemitischen Vorfall zu tun und wir diskutieren jetzt, wie viel Antisemitismus wir aushalten. Das geht nicht, bei Antisemitismus ist das Ende der Diskussion erreicht.“ Folgerichtig fordert Seibert nun, dass Dierkes öffentlich unter Druck gesetzt wird, dass die Parteispitze aus Berlin ihn dazu auffordert, sein Ratsmandat niederzulegen, dass die Landespartei der Linken ebensolche Initiativen startet und dass die Duisburger Linkspartei ihn dazu drängt, alle Posten aufzugeben. Mithin sollen Basis und Führung der Partei endlich das tun, was sie bewusst schon seit Jahren gerade nicht tun. Oder wie wir es schon zur letzten „Dierkes-Weihnacht“ formulierten:
Die Linke als gesamte Partei und besonders ihre gewählten oder gefühlten Führungskader sind nun aufgerufen, die im Sommer nicht beendete Debatte über den Umgang mit Antisemitismus in der eigenen Organisation zu Ende zu führen. Ergebnis kann, nimmt man den im Programm formulierten Anspruch ernst, nur sein, dass man sich konsequent von allen Genossen trennt, die antisemitische Reden schwingen, Verständnis für Antisemiten zeigen oder sich zumindest schützend vor sie stellen. Es kann den emanzipatorischen und demokratischen Sozialisten nicht weiter zugemutet werden, Organisationsteilhabe mit Hetzern wie Dierkes & Co. oder ihren willfährigen Helfern zu haben. An diesem Punkt entscheidet sich, gerade unter den ohnehin negativen Vorzeichen der zukünftigen Entwicklung und Stellung der Linken in der politischen Landschaft, die Zukunft dieses linken Projektes. Nicht der Streit zwischen Retro- und Reformsozialisten, sondern der Umgang mit Antisemiten in den eigenen Reihen könnte der Prüfstein werden, an dem dieses Projekt zu scheitern droht.
Dass sich die Führung der Partei tatsächlich dazu entschliessen könnte, nun endlich konsequent gegen den linken Antisemitismus vorzugehen, wird aber vermutlich eine trügerische Hoffnung oder auch ein willentlicher Selbstbetrug bleiben. So konnte man noch vor wenigen Tagen auf der Internetseite des Bremer Landesverbandes die wohlwollende Besprechung des Buches „Wer rettet Israel – Ein Staat am Scheideweg“ finden. Erst nachdem die sonst so verhasste „Systempresse“ den antisemitischen Tenor von Buch und Besprechung in der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte, wurde die Seite vom Netz genommen. Konsequenzen für die Verantwortlichen in der Partei sind zumindest nicht bekannt und werden der Erfahrung nach auch nicht folgen.
Genau wie Dierkes wohl weiterhin ohne grossen Protest der eigenen Genossen seinen Neigungen wird nachgehen können. Zumindest in Duisburg dürfte ein Grossteil der Partei Die Linke seinen (und auch den eigenen) Antisemitismus für einen festen Bestandteil linker Politik halten. Schon am 21. Dezember lädt die örtliche Linksjugend zu einem Konzert „Gemeinsam gegen Rassismus“ auf dem auch die heftig umstrittene Querfront-Kombo „Die Bandbreite“ auftreten wird. Eine Band, die schon in der Vergangenheit für heftige Kontroversen sorgte und sich damit rühmt erst noch im September im Rahmen eines Festes des Vereins „Neudeutschland“ in Wittenberg zur Feier der Gründung des „Königreichs Deutschland“ aufgespielt zu haben. Auch dieser Schulterschluss mit Rechts dürfte für die Duisburger Linken keine Konsequenzen haben, steht doch besagte Band unter dem Schutz eines bekannten Mitgliedes der Linksfraktion im Bundestag, welches selber nur zu gerne mit der Querfront kokettiert.
Möglicherweise ist die Erklärung der konsequenten Inkonsequenz im Bezug auf den linken Antisemitismus und die „Lechts-Rinks“ Schwäche so manches Genossen aber auch ganz simpel und erwächst aus der demoskopischen Wirklichkeit. Eine Linke, die bundesweit nur noch auf magere 7% blickt und auf Landesebene zwischen der Fünfprozent-Hürde und dem unmessbaren Nichts irrlichtert, muss eben alle linken Reste in und an sich binden. Sei es als antisemitisch hetzende Genossen, als Querfrontler oder in der Form des immer noch judenfeindlichen Wählers. Bescheinigt doch die im Sommer erschienene Studie „Die Mitte im Umbruch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass im Osten 12% und im Westen 8,5% der Anhänger der Linken ein antisemitisches Einstellungspotential aufweisen.
Im Kampf um die Gunst des Wählers und des Mitglieds ist augenscheinlich jedes Mittel recht. Sei es das Ertragen des latenten Antisemitismus oder die Aufrufe (hier und hier) der westlichen Jugendverbände doch zusammen mit den liebgewonnenen Überresten des Gulagkommunismus die einzig wahre LL-Demo abzuhalten. Gegen die Kinder Noskes, den Reformismus, den Inperialismus und natürlich Israel. Dabei an rote Massenmörder vom Schlage eines Stalin und Mao ehrend zu gedenken, gehört zu diesem unerquicklichen linken Gebräu dazu. Oder wie es ein Bündnispartner formuliert: „Stalin, Mao und Ho-Chi-Minh standen für eben diese Art von Sozialismus, haben ihn praktiziert und weiterentwickelt. Unter ihrer Führung wurden dem Imperialismus einige seiner größten Niederlagen beigebracht.“
Wer so weit Linksaussen keine Berührungsängste zeigt, zeigt sie auch nicht, wenn Genossen rechts wieder auftauchen. Die Forderung, nicht nur von Seibert, dass sich die Führung der Partei eindeutig positionieren solle, ist ehrenhaft und unterstützenswert. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass ausser zahnlosen Lippenbekenntnissen nichts folgen wird, was das Projekt einer Mosaiklinken der falsch verstandenen Pluralität in Frage stellen wird. Schon gar nicht, wenn die Partei und ihre Funktionäre um das elektorale und damit materielle Überleben kämpfen.
(mb)
Oder die Anti-beschneidungskampagne einiger „Linker“ die Muslime wie Juden in nähe von Kinderschändern rückt