Man muss wenig zufügen, wenn man in Potemkin den ausgewogenen Wahlkommentar liest. Nur Kleinigkeiten: Sahra Wagenknecht floppte nicht, sondern erreichte, dass die Partei statt 2,2 (Schleswig-Holstein) oder 2,5 (NRW) eine 3 vor dem Komma erreichte; sonst hätten es gut & gern 2,1 werden können.
Hören wir die doppelte Stellvertreterin selbst: Die Linke ist aus Sicht ihrer stellvertretenden Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht bei der niedersächsischen Landtagswahl zerrieben worden bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Wagenknecht machte dafür im Gespräch mit dem Tagesspiegel auch ein „mediales Trommelfeuer“ verantwortlich, bei dem zugleich den Wählern unter Hinweis auf Umfragewerte vermittelt worden sei, ihre Partei komme sowieso nicht in den Landtag. „Die Leute hatten das Gefühl, ihre Stimme löst sich in Luft auf. So ist es am Ende auch passiert“, sagte Wagenknecht. Wagenknecht hatte in der Schlussphase des Wahlkampfes eine zentrale Rolle übernommen und sich als mögliche Verhandlungsführerin für Koalitionsgespräche mit SPD und Grünen angeboten. Eine Hauptverantwortung für die Wahlniederlage lehnte sie aber ab: „Wir haben alles unser Möglichstes versucht.“ In der konkreten Konstellation aber habe man dann „nicht so sehr viel tun“ können. (nach Tagesspiegel 21.Januar 2013) Fein! Da dieses Kopf-an-Kopf-Rennen in den Wahlen in der alten Bundesrepublik in den nächsten Jahren stets der Fall sein wird, zudem die Zuspitzung der beiden Lager auch einfachen Gemütern einleuchtet und somit die gräßlichen Umfragewerte bei der Linkspartei vom Wähler verifiziert werden, sollte man in Westdeutschland sich auf eine lange Ruhe- und Erholungspause vom politischen Alltag einstellen und einen neuen 3.Anlauf für eine kommunale Räte-Republik clandestin vorbereiten, eine andere Form „verträumter Illusion“. Am schönsten daran: Umfragen wird es dann nicht mehr geben, da Prognosen über die Zusammensetzung von Räten (ArbeiterinnenRäte, Bauern/BäuerinnenRäte, SoldatinnenRäte, KommunalRäte, auch Studienräte?) politologisch-wahltechnisch noch unterentwickelt sind, und vor allem, weil Parteien wie die CDU oder FDP vom Rätevolk (Frage: gibt es eine weibliche Deklination?) nicht zugelassen werden, weil sie a) Profinanzkapitalistisch, b) Frauenfeindlich, c) Ökologiefeindlich, d) Ausländerfeindlich, e) Friedensfeindlich, vor allem aber Gewerkschaftsfeindlich sind. Vielleicht können die Gewerkschaftsfunktionäre Ernst und Riexinger den DGB-Chef überzeugen, bei der nächsten Diskussion zu Wahlbausteinen nicht die CDU einzuladen und die Linkspartei nicht auszugrenzen. Aber ernsthaft: Sohn glaubt merkwürdigerweise im Unterschied zu Wagenknecht an Umfragen (wenn sie ihm passen, versteht sich): auf einer Webseite „Die Linke in NDS“ läßt er sich zitieren: Die CDU hat anscheinend Angst vor einer starken LINKEN und vor einer klugen und anerkannten Politikerin wie Sahra Wagenknecht“, sagte Sohn. Doch McAllisters Attacken blieben wirkungslos: DIE LINKE werde in den Niedersächsischen Landtag einziehen, und Sahra Wagenknecht werde eine gewichtige Rolle bei einem tatsächlichen Politikwechsel spielen. „Seit wir die letzte Phase unserer Wahlkampagne eröffnet haben, und die jüngste Umfrage uns bei sechs Prozent sieht, erfahren wir noch einmal deutlich mehr Zuspruch an den Infoständen und auf unseren Veranstaltungen. Auch in Meppen und Nordhorn hatten wir überfüllte Säle“, so Sohn. Die Menschen sehnten sich nach einem Comeback der sozialen Gerechtigkeit – und das beginne mit dem Wiedereinzug der LINKEN in den Landtag und strahle auf die Bundestagswahl aus. Hoffentlich nicht!! Wie man auf Focus und den leicht durchschaubaren Zweck der 6% reinfallen kann, ist mir schleierhaft. Der Landeswahlkampfleiter Jörn Jan Leidecker (Hat er für seine Null-Leistung übrigens Honorar erhalten oder ist das wie bei dem Berliner Flughafenchef oder treffender noch: dem Berliner Regierungschef – je erfolgloser, desto höher die Prämien?) assistiert seinem Chef: Nach Ansicht des Landeswahlkampfleiters der LINKEN, Jörn Jan Leidecker, sollte sich McAllister als Ministerpräsident schämen, an die reaktionärsten Gefühle seiner Anhänger zu appellieren. „Niedersachsen ist auch eine Heimat für Leute, die anders denken. Sahra Wagenknecht ist eine Finanzexpertin mit einem Gespür für die Nöte und Sorgen jener Menschen, die McAllister mit seinen Attacken verhöhnt“, so Leidecker. In den vergangenen Tagen sei deutlich geworden, dass Stephan Weil kein würdiger Gegner für McAllister ist – nicht zuletzt beim TV-Duell. „Es sind noch sieben Tage bis zu Wahl“ (Welch’ Sprechblasen! Schämen; Würdiger Gegner; Heimat; Nöte und Sorgen der kleinen Leute; eine über den Parteien schwebende Finanzexpertin) Vielleicht sollte die Kippingsche Nachdenklichkeit damit anfangen, solche Leerformeln zu vermeiden?
Man kann das Ganze auch umdrehen: Da die Lage so ist, dass die kleine Linkspartei wie Parmesan zerrieben wird zwischen den Blöcken, scheint es Sohn und Genossinnen, es sei völlig egal, mit welchem Personal man in Wahlen antritt, noch sei es irgendwie wichtig, eigene Inhalte zu präsentieren. Wie in den guten alten Zeiten der K-Gruppen übernimmt man Forderungen der Konkurrenz und dreht an der Forderungsschraube, bis es knirscht: Studiengebühren? Abschaffung sofort, in einer Woche! Mindestlohn? Sofort und mindestens 10 Euro (oder lieber 15?). Prekäre Arbeitsverhältnisse? Totalverbot, sofort. (Dumm nur, das kann nur der Bundesgesetzgeber). Banken? Enteignung oder Besetzung der Sparkassen durch verdiente Gewerkschaftlerinnen. Staatliches Zinsverbote resp. Zinsbeschränkungsgesetze (dem Islam abgeguckt?) Das Muster ist erkennbar, aber ist es erfolgreich? Interessiert das die Wähler, die an Politik die Anforderung stellen, sie möge was praktisch verändern, für sie, noch dazu in ihrer Lebenszeit? Oder die Anderen, die Wähler, die sich ein Jokus mit dem politischen Prozess machen, die sog. Protestwähler – haben für diese die systemimmanenten Forderungsüberbietungswettbewerbe, einen ästhetischen = spielerischen (Friedrich Schiller) Reiz? Oder bleibt man da nicht lieber in der Butze?
Diese, meine Fragen, die nicht gerade tieferes Denken benötigen, eher gesunden Menschenverstand, werden in den Stellungsnahmen der beiden Vorsitzenden und des Bundesgeschäftsführers nicht berührt – vermutlich sind sie zu simpel.
Was sagte also die Parteispitze am 21. Januar, dem Tag nach der Wahl? Leidecker hat den amtsneuen Höhn fehlinformiert, der glauben machen will, die Fraktion hätte in den 5 Jahren eine erfolgreiche Arbeit gemacht. Da gibt es nur eine Strafe: 3x Sohns 3. Auflauf lesen, 5x die liebesdienerische Rezension von Adler in der DKP-nahen Zeitschrift Z (falls jener die nicht selbst geschrieben hat) und dann einen Besinnungsaufsatz: Haben in Niedersachsen Bürgerinnen irgendwas von der „erfolgreichen“ Arbeit der Fraktion mitbekommen, und wenn: was? Oder nicht mal die fantastische Räteidee des Fraktionschefs? Riexinger schien von dem Resultat seiner Partei überrascht zu sein – also auch er ein Ignorant von Wahlprognosen -, er gab vor, es sei schmerzlich. (Ähnliches hatten Ernst und Lötzsch die 4-5 Wahlniederlagen vorher auch gesagt, dafür hätte man keinen neuen Vorstand gebraucht.) Bleibt die andere Vorsitzende: Kipping. Sie überraschte mich. Köpfe zusammenzustecken und nachdenken; ja Nachdenklichkeit gar war ihre Haupt-Folgerung auf diese Niederlagenserie. Nun, gern: versuchen wir es mit den schwachen Kräften. Ich nehme irgendwas als Beispiel: Griechenland, weil ja der nice boy Tsipras eine Woche vor der Wahl in Hannover war und der Schatzmeister der Europäischen Linken damals sagte (nein, sorry, wie immer: brüllte) und noch einmal, weil es so schön war, am Abend der Wahlniederlage in Freizeitheim Linden (als Ex-NDS-Parteichef? Als was sonst eigentlich? Da sein Nachfolger den Weg nichtfand) wiederholte: Syriza hätte 2004 3,1 (genau! LINKE in NDS 2013!!) gehabt, Dehm hätte dann mit genialen Finanztricks dessen Partei gerettet, die ihren Mitgliedbeitrag an den Verein der Europäischen Linken nicht hat zahlen können, dann im Mai 2012 16,7 und zuletzt im Juni 27%. – Zweitstärkste Partei. Umfragen 2013: 38% und der plötzlich so umfragegläubige Ex-Niedersachse & Ex-SPDler begeisterte sich selbst, den nächsten griechischen Ministerpräsidenten bei der Bruderpartei zu begrüßen. (Rufe: Es lebe die Internationale Solidarität).
Stoff für Nachdenklichkeit genug. Warum war im Juni schon nicht die Syriza die stärkste Partei, sondern eine erzkonservative, die im Schlepptau Reste der alten Sozialdemokratie und alter bürgerlichen Parteien mit sich führte, um nachhaltig das Protektorat Griechenland gemäß den Anweisungen der Troika zu zerlegen? Die Politologie nennt solche Gebilde: Fassadendemokratien. Warum wählen seit 2008 die Bevölkerungen besonders krisengeschüttelter Länder wie Italien, Portugal, Spanien und eben Griechenland – wenn sie überhaupt wählen dürfen, die EU es gnädig gestattet, mit dem überzeugenden Mafia-Angebot, richtig zu wählen oder kein Geld mehr – nicht eine radikale linke Alternative, sondern konservativ bzw. reaktionär? Da Frankreich sich zu den Siegern der Eurokrise zählt, hat sich diese fixe Idee von Markozy auf Hollande übertragen lassen. Wer zu den Siegern gehört, kann sich auch sozialdemokratische, sozialistische Regierungen erlauben, soweit sie in ihrer Wirtschaftspolitik substantiell konservativen Markt-Politiken (Austerität & Wachstum als Plecebo) nacheifern und mit Merkel deutsch-französische Freundschaften zelebrieren. (Nebenbei: Hollande vermarkozyt sich Woche um Woche mehr und zwischendurch werden afrikanische Länder befriedet).
Zurück zu Griechenland. Kleine Datensammlung, locker, gut gegliedert und klug analysiert in you-tube von Karl Heinz Roth (http://www.youtube.com/watch?v=hQ6gu8ajGi4) – exzellente 30 Minuten (R. spricht, auch darin klassischer 68er, der er war, natürlich frei):
- Staatsverschuldung (140% mit steigender Tendenz, jährliche Neuverschuldungen bis ultimo zusätzlich um die 15% trotz aller Austeritätsexzesse
- Drittelung des Konsums, Wachstum negativ (2011= 7% im Minus, 2012 6% Minus)
- Reduktion der Einkommen und Renten/Pensionen, (z.Tl Halbierung) (dafür)
- massive Erhöhung der Steuern der Normalbevölkerung (Mehrwert 23%)
- Steuerflucht der Reichen, immer noch unverändert Steuerprivilegien der Reichen, keinerlei Rückholung der im Ausland geparkten Milliarden
- Arbeitslosigkeit 30%, Jugend 50/60%. Nach einem Jahr ausgesteuert, Lösung: Auswandern wie im Irland des 19. Jahrhundert
- Zerschlagung von Bildungseinrichtungen, vom Gesundheitssystem, von allen Formen des Sozialstaats, Verhungernlassen der Emigranten aus der 3.Welt, die in Griechenland vom normalen Kapitalismus überrannt werden
- Obdachlosigkeit, Drogen, Kriminalität, Krankheiten, Neonazis; kurz rapide flächendeckende wachsende psychische Verelendung
Kurz: Griechenland ist ein Versuchslabor des Neoliberalismus, eines Krieges der Reichen gegen die Armen, wie Tsipras in Hannover sehr richtig sagte. Und was er nicht sagte, dachte: ein Krieg, den die herrschende Klasse zu gewinnen beabsichtigt. Bei einem Feldherrn des Krieges, den er vor Hannover tagsüber aufgesucht hat, wird seine moralische Empörung große Verwunderung ausgelöst haben. Wahrscheinlich wird der höfliche Schäuble ein Lieblingsgut der Linken beschworen haben: Frieden! Und wohl kaum im Sinne des guten Ludwig Büchner: Friede den Hütten, Krieg den Palästen. Eher im Gegensinn.
Angesichts dieser Lage komme ich auf die Fragen: warum hat dann bei der letzen Wahl eine linke Alternative nur 27% erreicht? Und: warum gewinnt umgekehrt die Kriegspartei die Wahlen, gewählt von den Kriegsopfern?
Nachdenklichkeit bedeutet in einer Klassenauseinandersetzung, die Kräfteverhältnisse zu analysieren und Hebel zu entdecken, das Ganze zuerst zu chaotisieren, dann neu zu ordnen. Hilfreich ist – wie ich aus meinem China-Arbeiten weiß – Lektüren wie Sun Zi (über die Kriegskunst, Bejing 1994). Leider kann man nicht Denken (Köpfe zusammenstecken), wie und wann man will. Es setzt eine Vorbereitung und ein Training voraus. Wenn einer Muskeln bilden will, oder durch Jogging wie Wagenknecht schlank bleiben will, muss er täglich trainieren, und ständig das Leistungspotential erhöhen. Ähnlich sind bedauerlicherweise die Produktionsbedingungen von Nachdenken, vom Reflektieren. Besonders wenn man jahrelang nicht trainiert, bzw. nicht gedacht hat. Wenn man 68 so blöd war, SPD-Mitglied zu sein und 33 Jahre lang und gar als MdB, bleibt (Dehm), wenn man nach dem Zusammenbruch des Sozialismus noch Jahre Mitglied im DKP-Vorstand ist (Sohn), dann war der Denkapparat Jahrzehnte nicht betätigt worden, ist man völlig untrainiert, und nur ein Wunder kann bewirken, dass nach einem halben Leben der politischen Dummheit eine Fähigkeit entstanden wäre, Klassenlagen theoretisch zu analysieren und politische Strategien daraus zu gewinnen. Das Minimum für den Trainingsbeginn wäre etwa eine intensive Lektüre von Pierre Bourdieu (im Dietz Verlag hat Effie Böhlke 2007 einen Sammelband der Rosa-Luxemburg-Stiftung für Einsteiger herausgegeben). Ich weiß, liebe Katja Kipping, das ist illusionär, dass die Dehms & Sohns sowas lesen, was an sich – für einfache Parteimitglieder- nicht schlimm ist, genauso wie es eher gut ist, die Musik, die Dehm in seinen Wahlauftritten (Verzeihung kulturellen Events) den armen Zuhörern aufzwingt, nicht zu hören: man entkommt einer zwangsläufigen Regression des Hörens! (Was das ist, und warum das Denken in Mitleidenschaft gezogen wird; vgl. Theodor W. Adorno: Einführung in die Musiksoziologie)
Man braucht jedoch eine parteitaktische Strategie, wie man solche Repräsentanten der Denkunwilligkeit und Leseverweigerung aus Kaderpositionen verscheucht. Mit Sun Zi: Auf welcher Seite sind Offiziere und Soldaten besser ausgebildet?
Es ist nicht schwer, mit diesen Prämissen die Dauerwahlniederlagen der Linkspartei zu verstehen: Weil der FDS unwillig und unfähig war und ist, trotz seiner strukturellen Mehrheit im Osten, solche Restbestände aus der ewig verlierenden Westlinken zu marginalisieren, sind die Offiziere, selbst der harmloseren, anderen Seite (Grüne und SPD) schlicht besser. Übrigens: Warum die SPD und die Grünen an rot-rot-grün ein Interesse haben sollte, würde nicht allein Sun Zi eine „verträumte Illusion“ nennen. Kippings Beobachtung zB. im hannoverschen Wahlkampf, die SPD würde alle Themen der Linken klauen (das berühmte Links-Blinken und Rechts-Abbiegen) rubriziert Sun Zi unter dem Oberbegriff: Kampf um die Initiative sowie der Taktik der Täuschung.
Leider gilt gleiches für Griechenland: Jeder – Roth, der böse Prof. Sinn, die Schnelldenkerin Wagenknecht – weiß: die Kredite an Griechenland kommen da nie dort an. Daher der kluge Vorschlag aus der EU-Bürokratie: Sperrkonto gleich in Brüssel, damit nicht-griechische Banken auch noch Zinsen abschöpfen, und direkte Auszahlung an die Gläubiger außerhalb Griechenlands. Inzwischen sind es ca. 246 Milliarden; allein zuletzt 44 Milliarden im November 2012, gleichzeitig verbunden mit Zinsaufschub im Wert von 49 Milliarden, und diversen Kleinoperationen (staatliche Zwangsverkäufe mit exorbitanten Gewinnen der Hedgefonds; weitere permanente Zwischenfinanzierungen auf dem Geldmarkt mit horrenden Zinsen, usw.) war der Mechanismus wie immer: 90% des Geldes, des fetischisierten Euro, fließt zurück in die Kassen der Banken und Großkonzerne, winzige Reste verbleiben in Griechenland um das Protektoratspersonal (vulgo: Regierung) zu korrumpieren. Um es nicht zu vergessen; um Kredite „nach“ Griechenland zu schicken, müssen die Tranchen jeweils über Kredite finanziert werden: beim letzten Novmber-Deal etwa 750 Millionen für die Bundesrepublik. Für alle anderen europäische Geberländer addiert, ist das ein netter Milliardengewinn im Vorübergehen für unsere Banken: ständige Alimentierung des Neoliberalismus mittels des Staates.
Taktischer Gegenangriff wäre: Drohung und nach Wahlgewinn Austritt aus dem EURO, damit wie das großartige Vorbild Argentinien 2000/2001 zeigt, keinerlei Bezahlung von Schulden an die Kapitalistentruppe, auch wo sie als Staat verkleidet auftritt. Ohne Kredite keine Konkursmasse, um Finanzkapital und transnationale Konzerne auszuhalten; daher das Dogma Griechenland muss in der Euro-Zone bleiben. Man muss nicht ein Sun Zi sein um die schwächste Seite des Feindes zu erkennen. Wiedereinführung des Drachmen und der Hauptfeind zerplatzt! Ohne Euro-Nachschub ist er ein Papiertiger.
Der Austritt muss im Wahlkampf mit einen Gedankenset von reizvollen Gegenvorstellungen verbunden werden:
- Verkauf aller Rüstungsgüter (ALLER) auf dem Weltmarkt, denn Griechenlands Militär ist sowieso kampfunfähig (Käufer egal, am besten China; meinetwegen auch an die reiche Türkei, die sich ja als Hysterikerin selbst vor den militärisch maroden Syrien fürchtet). Geschätzt wird, dass seit dem Eintritt in die EURO-Zone um die 75 Milliarden Euro in Rüstung verschwendet wurden, eine erheblicher Anteil an der negativen Zahlungsbilanz. Natürlich kein Austritt aus der NATO. 1. die US-Amerikaner ärgert man nicht; 2. die NATO darf/muss die Kosten für die Restarmee, für das Personal. übernehmen; sonst droht man, sich auf die Größe der Schweizer Armee zu reduzieren.
- Große Aufklärungskampagne, welche EU-Länder keinen EURO haben und warum es ihnen deshalb sehr gut geht (Polen z.B.); warum andere nie EURO haben wollen (Norwegen), warum – Eigenwerbung Merkel & Steinbrück, Deutschland als Hegemon vom EURO profitiert, und das das nach den einfachen Gesetzen der Marktwirtschaft ( Fassung Hayek oder etwas distanzierter: Marx) so bleiben wird, Griechenland nie mit Deutschland konkurrieren kann. Für den Bildzeitungsverstand: Denn das Plus in Deutschland muss das Minus von Griechenland sein. Und weder Schäuble noch Steinbrück wollen das umdrehen: Im Gegenteil. Auf einen kurzlebigen Vorschlag von Klaus Ernst 2011 in Richtung – mehr Wirtschaftswachstum Gr., erheblich weniger D. – wollte keiner so richtig eingehen; seine Gewerkschaften waren not amused.
- Nach Einführung der Drachmen wird die Bourgeoisie fluchtartig das Land (noch mehr) verlassen; dadurch, da jahrzehnte Steuern hinterzogen wurden, Enteignung der Villen, Jachten, Landgüter- nach dem Vorbild der bürgerlichen Revolutionen in England und Frankreich, weil in Griechenland der innere Kapitalismus längst als Feudalismus existiert hat,
- Abschaffung aller Steuern auf Wohneigentum, Reduktion der Mehrwertsteuer, Wiederherstellung Gesundheitssystem etc, allerdings nicht in sozialstaatlichen Zwangsformen (dazu die linke Sozialstaatskritik der 68er-Theoretiker)
- Wiedereinführung von Privilegien der unteren Klassen, die im alten System vor 2010 eine gewisse, natürlich kleinere Teilhabe an den Privilegien der herrschenden Klassen hatten: Frühe Verrentungen,, Rücknahme der Rentenkürzungen; vielleicht etwas weniger und seltener: Tote, die für die Kassen rsp. ihren Familien weiterleben, Pensionen ohne Arbeit für weibliche Angehörige, Lokführer, die mehr Urlaub als Arbeitszeit haben – und was die BILD sonst so enthüllt hatte…. (Frage: Sollte man die revolutionäre Rückkehr zu der früheren Privilegienteilhabe Polizisten aussetzen? – Das ist eine taktische Frage des Stärkeverhältnisses.)
- Bewusster staatlicher Kontrollverlust über die täglichen Konsumtion, mentale Förderung von Schwarzarbeit als produktives Element (es gibt dazu genügend ökonomisches Wissen gerade auch von liberalen Ökonomen, die man nur gegen den Strich lesen braucht; was Linke leider nicht zur Kenntnis nehmen, weil staatsfixiert). Diese anarchoiden Elemente werden ganz nebenbei jeden neofaschistischen Ordnungsträumen nachhaltig den Boden entziehen; aus der Goldenen Morgenröte wird über Nacht eine untergehende Abendsonne.
- Entwicklung des alternativen Wirtschaftssektors: von anderen solidarischen Ökonomien; Stärkung von Tauschringen, von landwirtschaftlicher Naturalwirtschaft: alles gesellschaftliche Verkehrsformen, die seit Jahren in Griechenland immer mehr Wirklichkeit gewonnen haben, von Menschen der unteren Klassen wieder entdeckt werden ,und die jetzt nach dem Wahlsieg staatlich verstärkt werden können. Allein die Registrierung und Veröffentlichung der neuen Ansätze für den griechischen Wahlkampf könnte von nichtgriechischen Linken aus dem Europa-Verein bezahlt werden (etwa Umleitung der Wahlkampfkosten der Linkspartei bei Landtagswahlen im Westen, die bei den konstanten 2-3% sowieso auf Null gebracht werden könnten) , und die griechische Genossinnen und ein paar wenige Genossen (Frauenquote muss sein) finanzieren.
Darüber nachzudenken, darüber die Köpfe zusammenzustecken, wäre Nachdenklichkeit im Sinne eines Produktionsfaktors, und als Abfall aus den Strategien und Taktiken für Griechenland käme auch Übertragbares & Kopierbares für unser Staatsgebilde heraus. Der große Vorteil des Versuchlabors ist anderssinnig, gegen die Intentionen der politisch-finanzkapitalistischen Klassenfeinde ein neues gesellschaftliches Chaos erzeugt zu haben, das chaostheoretisch fruchtbar gemacht werden kann, um ein neues Gemeinwesen zu realisieren: aus den Erfahrungen der griechischen Massen, aus den Weisen, wie sie tagtäglich überleben, aus ihren Kämpfen, wobei ihre pathologische Gewaltlosigkeit auf den Prüfstand gestellt werden sollte und partiell geheilt werden könnte. Vor allem durch Wiederherstellung ihrer Privilegien vor 2008, mit der entscheidenden Differenz, dass dieses mal die Reichen, die Bourgeoisie, das Staats- und Parteienpersonal von den Privilegien ausgenommen werden, zudem sie ja sowieso nach Einführung des Drachmen massenhaft als Wirtschaftsflüchtlinge das griechische Gemeinwesen verlassen.
Aber stattdessen moralisiert Tsipras gegenüber unserm Finanzminister, dem solche Zeichen mangelnden Klassenbewusstseins peinlich sind, denn – mit Sun Zi gesprochen – er ist als Feldherr im Klassenkampf seiner Klasse schlicht fähiger, weiß besser, wie man bestraft, (z.B. das griechische Protektorat), wie man die Kräfte stärkt (SPD & Grüne stimmten im Bundestag allen EU-Maßregeln und allen Kreditverschwendungen zu) so jemand besucht man nicht mit Unterwerfungsgesten, um sich später abends von einem Musikclown als Revolutionär ausrufen zu lassen. Seien wir fair zum Schluß: Aber Tsipras ist wenigstens ein good nice guy! (Zudem young boy; er könnte noch Bourdieu… gibt es in griechischen Übersetzungen) Und weil’s bei der Linken nicht ohne Appell geht: Brechen wir mit dem Ziel der Kippingschen Nachdenklichkeit zum Lustmarsch durch das Theoriegelände auf!
Manfred Lauermann
1. „Empörungsliteratur“ gehört vermutlich zum Besseren dessen, das nach dem 90%-Crash der Moderne übrig blieb, – sehr viel „mehr“ kann es seither wohl nicht sein.
Gern nehme ich aber „sachlich registrierte und analysierte Tathergänge“ in der Griechenlandfrage entgegen. Bis dahin tut’s notgedrungen auch ein empörter Lauermann.
2. Nicht nur Handlungen, auch Analysen bedürfen grundlegender Wertsysteme/Moralitäten/Ethiken, denn ohne wertmäßig/moralisch fundamentiertes und AUSGERICHTETES Frageinteresse kommt jede Analyse auf solche „wertvollen“ Erkenntnisse wie „42“ im Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, – oder auf redundant-zirkulär sich „belegende“ Großtheorien, z. B. der naiv-positivistischen Systemtheorien aus der Anfangs- u. Mittenzeit der Moderne (z. B. Smith, Ricardo, Marx, Darwin, Schumpeter u. v. a. m.).
3. Auch eine moralisch unterentwickelte Analyse, wonach bei Gr. lediglich ein paar „Weichen falsch gestellt“ wären oder so ähnlich, widerspräche nicht zwingend dem „Krieg der Reichen gegen die Armen“.
Indem KEINE Mittel direkt zur Stützung der sozialen Härtefälle, aber sehr wohl über Bankenrettung und andere Mechanismen zur Stützung von „Vermögen(den)“ fließen, und zugleich griechischer Privatreichtum zwar auf etwa die Höhe der Staatschulden oder höher geschätzt wird, aber entweder nicht greifbar im Land, oder definiert, aber unzugänglich, im Ausland liegt, rechtfertigen diese Tatsachen die Rede von einem Krieg der Reichen gegen die Armen, die KLEINEN Ex-Profiteure des Klientelismus, die NICHT MEHR GEBRAUCHT werden, sondern nur noch dabei stören, Griechenland als Zuwanderungs- bzw. Flüchtlings-Wall, als (Geschäfts-)Träger militärischer NATO-Funktionen und der entsprechenden, für Griechenland IRRSINNIGEN Waffengeschäfte (Kosten!) als „Abnehmer“ und ähnliches zu mißbrauchen.
Stärkere „Beweise“ sind in der Wirtschaftshistorik fast nie zu bekommen. (Unter anderem auch als eine Folge postmoderner Subjekt- und Vernunft-Dekonstruktion.)
4. In der politischen wie in jeder anderen Praktik auch (Straßenverkehr, Sport, Sex, Liebe usw. usf.), gibt es keine strenge Folge von erst analysieren und beweisen, dann Planung der Handlungen, dann deren Umsetzung/Ausführung. (Fehlglaube auch, aber bei Weitem nicht nur, der sozialistischen Moderne) Für soetwas ist die Welt u. a. schlicht ZU SCHNELL und indeterm(iniert), und dergleichen ausgerechnet JETZT auch noch von den kleinen Linken bzw. kleinen Griechen zu verlangen, grenzt schon an Sabotage …
5. Sicher, die Skepsis gegenüber ressentimentgetragenen Analysen und Handlungen teile ich, insoweit „Lösungen“ erwartet werden. Diesen Anspruch kann aber zu diesem Zeitpunkt eh niemand einfordern oder erfüllen, denn nicht nur ich harre nämlich noch der „sachlich registrierten und analysierten Tathergänge“, deren Ankunft allenfalls sinnvolle, aber keineswegs zwingend-hinreichende Vorbedingung für „Lösungen“ wäre.
Diese Ressentiments, wie sie sich am ehesten in den Handlungsvorschlägen offenbaren, weniger in der Analyse, geben den DRUCK wieder und weiter, den die Betroffenen erleiden, bzw. greifen diesen auf.
Wir sollten diesen Streit nicht noch mehr theoretisch aufblasen, als er schon im Essay begonnen wurde. Ein Versuchslabor des Neolibralismus, ein Krieg der Reichen gegen die Armen: das sind einfach Behauptungen, die nicht plausibel gemacht oder gar belegt werden. Wer macht das und was sind die Ziele dieses Versuchs? Dass Moral zu Handlungen gehört, weiss ich auch, das ist aber nicht das Problem. Was ich an solchen Ausssagen kritisiere, ist, dass ihnen keine ökonomische Analyse dieser Prozesse des vermutlichen Kaputtsparens einer Gesellschaft und der Verarmung großer Teile der Bevölkerung unterliegt, sondern Empörung und dass aus dieser Empörung dann eine Räubergeschichte über den Krieg der Reichen gegen die Armen oder ein Versuchslabor des Neoliberalismus gebastelt wird, die die bereits vorhandene Empörung weiter steigern soll. Allein die Wahl der Begriffe sorgft schon dafür, dass die Empörung wächst. Damit ist das Urteil bereits gesprochen, bevor der Tathergang sachlich registriert und dann analysiert wird. Das ist dann eben Empörungsliteratur, mehr nicht.
@wendl
Möglicherweise ist ein Hinweis auf Lenin unangemessen, dann bin ich zu sehr im Denken in alten Anschauungen und Schablonen befangen.
Ja, letzteres könnte sein, alte „Religionen“ (Deine Worte, unten!) sind dann doch nicht so leicht „abzustreifen“, wie Du unten von den Ostlinken behauptest. Ich sage: M&L prägen noch fast alle „Linken“, – teilweise bis in die CDU hinein!
Dann ist es originäres Denken. ???? Wird dadurch nicht realistischer. ????
Ich bin davon überzeugt, dass es für Griechenland isoliert keinen Ausweg aus dieser politischen Konstellation gibt, …
Ja, richtig schon deshalb, weil „Isoliertes“ zunächst überhaupt nicht in die Bandbreite der in Frage kommenden Zielstellungen für Griechen hineinpasst, die sich sämtlich im Spektrum der Teilhabe am total vernetzten Globus befinden dürften. Selbst jegliche Art „eigener Stärke“ ist unter den heutigen Verhältnissen STETS ganz überwiegend außendefiniert. Was nicht von außen nach innen betrachtet „stark“ ist, ist auch nicht stark.
… so wie ihn Lauermann skizziert hat. Neoliberalismus ist eine Ideologie und kein handelnder Akteur. Auch der Begriff “Versuchslabor” unterstellt, es gebe hier ein handelndes Subjekt, dass sich einen Plan ausdenkt und den dann an Griechenland austesten will.
Na Vorsicht! Ich wüsste nicht, daß Wendl oder andere auf diese Form der Beschreibung und Deutung ganz verzichten würden, – sie reicht bis hinunter in die verstehende Beschreibung von Naturphänomenen (Das Wasser sucht sich seinen Weg … Pegelstände gleichen SICH an usw. )
Demgemäß kommt es auch in der Non- und Meta-Subjektivität selbstverständlich zu „Versuchen“, – nicht nur die Evolution lebt davon …
Im übrigen ist es ein Zeichen der falschen Moderne, „das(die) Subjekt(e)“ a priori mit je eigener
Vollherrschaft über sich selbst zu konstituieren (die von schlechten Verhältnissen o. mangelnden Tugenden wie „Muth“(Kant) bloß „geraubt“ wurde) – das ist die Kränkung der Moderne (daß die a priorische Subjektherrlichkeit um den Divisor 10 gegenüber den Prämissen der Aufklärung zu verringern war) und das ist zugleich ihr innerer Widerspruch, denn ihre 200 Jahre alten Prämissen haben sich im Säurebad eben ständiger Aufklärung aufgelöst bzw. maximal reduziert.
In dem neuen, deutlich „verminderten“ Subjektverständnis der Postmoderne kann wieder leichter auf solche Beschreibungen zurückgegriffen werden, weil solche ANSPRÜCHE, wie sie die klassische Moderne aus der Subjektherrlichkeit ebenso herleitete wie auch an sie (die Subjekte) stellte, damit nicht (mehr) verbunden sein können/dürfen: Die Reichweite jedweden Räsonements ist extrem geschrumpft.
Zum epistemologisch-erkenntnisheoretischen Stand der Sozialwissenschaften im Schwerpunkt
Wirtschaftswissenschaften siehe den Band „gesellschaft denken“ von 2002.
Zudem passt das weitgehend entkleidete „Subjekt“ auch besser in jegliche Systemtheorie, in der eben auch NICHT-genuin Subjektivem dann doch subjektähnliches „Verhalten“ zukommen kann (sich selbst verstärkende Systeme bzw. Systemkomponenten). Das gilt besonders für Ideen, auch jene des Neoliberalismus, aber auch für die Oszillationen der Moden usw.
Das sind komische Vorstellungen von Politik, denn vieles von dem, was wir gegenwärtig in Griechenland sehen, ist auf Entscheidungen griechischer Akteure zurückzuführen und nicht auf Pläne irgendwelcher dubioser Akteure von außen.
Hm, – weiss jetzt nicht, wo ML das auf Außenakteure beschränkt hat, und:
wie wär’s denn mal mit ein paar Namen der vermutlich in beiden Sphären einschlägig agierenden Protagonisten?
Griechenland war/ist die Fickliesel/Deponie ungeklärter europäischer Widersprüche!
Dass Griechenland es nicht geschafft hat, eine funktionierende Eigentumsdokumentation von Grund und Boden (“Katasterämter”) durchzusetzen, hängt möglicherweise damit zusammen, dass sich in Griechenland eine moderne kapitalistische Gesellschaft noch nicht komplett durchgesetzt hat und sich das Land noch die Spuren eines osmanisch geprägten Klientelsystems trägt und dadurch geprägt ist.
Naja, zwischenzeitlich hatte man schon das Gefühl, Griechenland sei im Kapitalismus angekommen, einschließlich einer üblichen Eigentumsdokumentation. Deren Verfall datiere ich zunächst aus dem Bauch heraus auf die 80ger Jahre.
Diese Fragen müssen dann sozialwissenschaftlich untersucht werden.
Riecht nach Vertagung: „dann“.
Wo haben PdL oder SPD Entsprechendes vorgelegt?
Solche Überlegungen eignen sich freilich nicht für diese Sicht von Gut und Böse, die viele Diskurse in dieser Partei immer noch prägt. Das Böse wird dann sehr oft mit Neoliberalismus oder den Finanzmärkten (die dann auch den Status eines handelnden Akteurs verliehen bekommen) gleichgesetzt.
Da möchte ich mal wissen, wie man denn OHNE gut/schlecht, – und damit zwangsläufig auch früher oder später „böse“ -, Analyse betreiben kann, – vor allem, wenn das Frageinteresse neben anderen Faktoren den Analysegegenstand konstituiert, wie das die postmoderne Skeptik gebietet?
Das ist doch das Verhängnis dieser Partei , dass sie im Westen so stark religiös geprägt ist. während die Ostlinke zumindest überwiegend die Fixierung an die Religion des ML abstreifen konnte.
Wo soll das denn passiert sein? Sowohl analytisch wie praktisch-ethisch sehe ich da wenig „Abstreif“ …
Jetzt wirft Riexinger den Gewerkschaften vor, dass sie die Kanzel in der Kirche der Arbeit
nicht besteigen und den Sexismus in der Arbeitswelt anprangern und verdammen.
Es kommt Sehnsucht nach dem Liberalismus auf.
Ja, gewiß, es waren wohl auch solche Gefühle, die der „political correctness“ incl. Doppelbödigkeit z. B. einer DDR entkommen wollten und sich vor deren Mauern und Zäunen versammelten …
Gleichwohl wäre das Geforderte HÖCHSTE ZEIT …
Sendepause oder seit ihr endlich am Geifer erstickt?
Möglicherweise ist ein Hinweis auf Lenin unangemessen, dann bin ich zu sehr im Denken in alten Anschauungen und Schablonen befangen. Dann ist es originäres Denken. Wird dadurch nicht realistischer. Ich bin davon überzeugt, dass es für Griechenland isoliert keinen Ausweg aus dieser politischen Konstellation gibt, so wie ihn Lauermann skizziert hat. Neoliberalismus ist eine Ideologie und kein handelnder Akteur. Auch der Begriff „Versuchslabor“ unterstellt, es gebe hier ein handelndes Subjekt, dass sich einen Plan ausdenkt und den dann an Griechenland austesten will. Das sind komische Vorstellungen von Politik, denn vieles von dem, was wir gegenwärtig in Griechenland sehen, ist auf Entscheidungen griechischer Akteure zurückzuführen und nicht auf Pläne irgendwelcher dubioser Akteure von außen. Dass Griechenland es nicht geschafft hat, eine funktionierende Eigentumsdokumentation von Grund und Boden („Katasterämter“) durchzusetzen, hängt möglicherweise damit zusammen, dass sich in Griechenland eine moderne kapitalistische Gesellschaft noch nicht komplett durchgesetzt hat und sich das Land noch die Spuren eines osmanisch geprägten Klientelsystems trägt und dadurch geprägt ist. Diese Fragen müssen dann sozialwissenschaftlich untersucht werden. Solche Überlegungen eignen sich freilich nicht für diese Sicht von Gut und Böse, die viele Diskurse in dieser Partei immer noch prägt. Das Böse wird dann sehr oft mit Neoliberalismus oder den Finanzmärkten (die dann auch den Status eines handelnden Akteurs verliehen bekommen) gleichgesetzt. Das ist doch das Verhängnis dieser Partei , dass sie im Westen so stark religiös geprägt ist. während die Ostlinke zumindest überwiegend die Fixierung an die Religion des ML abstreifen konnte. Jetzt wirft Riexinger den Gewerkschaften vor, dass sie die Kanzel in der Kirche der Arbeit nicht besteigen und den Sexismus in der Arbeitswelt anprangern und verdammen. Es kommt Sehnsucht nach dem Liberalismus auf.
@wendl „Der Hinweis auf Lenin ist erfolgt, weil dieser meinte, die Kette der imperialistischen Länder würde an ihrem schwächsten Glied – damals das zaristische Rußland – reißen. Heute kann ähnlich mit Griechenland argumentiert werden. Nun war damals schon diese Annahme falsch und sie wird heute nicht richtig.“
Mag schon sein, aber dieses Zerreiß-Theorem habe ich im Text nicht gefunden. Und nichts ist schöner zu widerlegen als Positionen, die nicht offen daliegen, sondern vor der Kritik selbst in den Gegenstand hineingetan wurden: Die Linke hat öfters die Neigung, sich aus der Vergangenheit stets die gleichen Gespenster ins Aktuelle einzuspiegeln, – beim „Kampf“ mit solch imaginären Windmühlen(-Flügeln) kann man sich Gott sei Dank auch nicht so verletzen wie bei der realen Auseindersetzung mit Realitäten, – wie schön!
Wendls Kritik an der Subjekt-Form des NL hier im Text ist SEHR ok, endet aber letzlich als memento im Hintergrund. Denn „Phänomene“ wie NL u. v. a. m. werden im Sinne systemtheoretischer Beschreibung und Analyse zwangsläufig zu „Subjektähnlichem“, dem durchaus Eigenschaften des Subjekts, z. B. evolutionäre Behauptungstendenzen u. a., sehr wohl zukommen können, ebenso wie „Subjekte“ um wesentliche Eigenschaften „gekürzt“ werden müssen, um in systemth. Modelle und Erkärungen zu passen.(A-Priori-Dekonstruktionen des Subjekts in der ST = epistemische Basis der ST.)
Wendl ferner: „Solche Konstruktionen haben auch mit einer materialistischen Wissenschaft, wie sie Marx skizzziert hatte, nichts zu tun, sondern sind moralische Kategorien, sozusagen eine Politische Ökonomie von Gut und Böse.“
Das ist genau jene „Moderne“, die ab etwa 1970 VOLLENDS zugrunde ging, die Ansätze dazu liegen deutlich früher, und an der die Linke nach wie vor festhält: Als gäbe es eine „materielle“ Späre, in der KEINE „moralischen Kategorien“ wirken würden, bzw. die A PRIORI jeder Moral etc. vorgelagert seien !!! (Vergl. meine Kritik am Vulgärmaterialismus von Marx bis Brecht und zur „humanistischen Psychologie“ a la Maslow hier: https://www.potemkin-zeitschrift.de/2013/01/06/kampf-ums-gluck/)
Wir wissen heute dank einiger „postmoderner“ Anstrengungen, dass es ohne Moral/Kultur überhaupt keine „Ökonomie“ und erst recht keine „Politische Ök.“ geben kann, und es kein „a priori“ des „Materiellen“ vor allem anderen gibt, – derartige Anwandlungen sind selbst Moralisierungen: nämlich die Rechtfertigung einer global gesehen relativ kleinen europäischen Zivilisation, die im Namen materieller Vorrangigkeiten zuletzt noch ihre Übertretungen des Kannibalismus-Tabus incl. des kannibalen Mordes (Stalingrad u. Leningrad, vergl. Maslows Historizität!) zu verdauen hatte.
Wie bitte soll man denn eine (sinnvolle) Ökonomie beschreiben, ohne nach gut/schlecht und im weiteren dann zwangsläufig auch ‚böse‘, zu unterscheiden? Da kann ja nur der Murks herauskommen, den auch Marx, obgleich da besser als viele vor und nach ihm, nicht vermieden hat, und der als „Leere Ökonomie“ die Abstürze der zu 98% genuin „marxistischen“ Linken vonden KPs bis zu den linken Sozialdemokraten stets auf neue evoziert.
Daß Gr. ein Versuchslabor des NL ist, kann demnach durchaus sein, und m. E. ist die Verweigerung von Besitzklärungen, wie sie z. B. sonst in Katasterämtern etc. vollzogen wird und die zunächst im Totalwiderspruch zu den hist. Erfahrung mit eigentums- u. kapitalzentrierten Gesellschaften steht, denen ja die Frage, wem was gehört, zentral und heilig war, möglicherweise ein Vorbote einer neuen Klassenordnung, in der die Oberklasse(n) eben NICHT mehr als Pulk bzw. „Wolke“ von diskret-distinkten „Punkten“, eben „Eigentümern“ , also aus mehr oder weniger „ehrlichen“ Partikularismen mit je gleicher Interessenlage, incl. jener, die sich GEGEN „Punktnachbarn“ richten, besteht, sondern vielmehr aus einer hochfeinen Nebelschicht, in der kaum noch Verantwortlichkeiten (Steuern & Abgaben!) feststellbaren Entitäten wie Personen, Familien, Eigentümergemeinschaften etc. zugerechnet werden können.
Solche Verhältnisse, die die Eigentumsfrage ins Offene transzendieren, sind (derzeit?) natürlich nur unter der Prämisse möglich, daß die Zugehörigkeit zur Nebelschicht per se schon „irgendeinen“ massiven Vorteil mit sich bringt, d. h. von einschwappenden Geldern und Verdienstoptionen auch profitiert wird: Das System dazu heißt Klientelismus und Mafia, – den „Paten“ ‚gehören‘ formal nicht zwangsläufig die Komponenten ihrer Imperien -, und ist eine Folge der Opportunitätswirtschaft, in der man gelernt hat, nur zu profitieren und jede Inhaftungnahme zu vermeiden. (Notfalls übernimmt ein mittelloser „Soldat“ die steuerüberschuldete Firma u. ä. , – im Gegegenzug bekommt er/sie die klientelistische Fürsorgezusicherung und erhält seine Partizipation an mafiösen „Geschäften“ in genere.)
Im übrigen warne ich davor, ALLEIN aus „Analysen“ Handlungen abzuleiten (Idiotie der „Moderne“) und verweise auf die entsprechenden Exkurse auf ULI und LA von mir.
Der von Frank Hinze aufgeworfenen Fraglichkeit der angeblich so sozialstaatskritischen 68ger kann ich mich nur anschließen: ’78ger wäre ok, – es sei denn, es wären die „Verschleierungs“-Theoreme u. ä. gemeint, die SEIT JE auch substanzielle Fortschritte für die Arbeiter(klasse) negieren möchten. Das wäre aber kein Spezifikum der 68ger).
Der Hinweis auf Lenin ist erfolgt, weil dieser meinte, die Kette der imperialistischen Länder würde an ihrem schwächsten Glied – damals das zaristische Rußland – reißen. Heute kann ähnlich mit Griechenland argumentiert werden. Nun war damals schon diese Annahme falsch und sie wird heute nicht richtig. Meine Kritik an Lauermanns Sicht setzt da an, wo er Griechenland als „Versuchslabor“ des Neoliberalismus sieht. Damit wird unterstellt der Neolibralismus sei ein planendes und handelndes Subjekt der Geschichte. Das ist eine gewagte Konstruktion, weil der Neoliberalismus als Oberbegriff für ideologische Strömungen zwar politisches Handeln beeinnflusst und manchmal auch prägt, aber selbst kein handelndes Subjekt ist. Das markiert eine fundamentale theoretische Schwäche: Agit-Prop-Formeln zur Beschwörung und Dämonisierung konkurrierender politischer Anschauungen und Strömungen werden mit handelnden Subjekten verwechselt. Das sind sie aber nicht. Solche Konstruktionen haben auch mit einer materialistischen Wissenschaft, wie sie Marx skizzziert hatte, nichts zu tun, sondern sind moralische Kategorien, sozusagen eine Politische Ökonomie von Gut und Böse.
„linke Sozialstaatskritik der 68er-Theoretiker“
Kann das bitte mal mit Namen und Buchtiteln hinterlegt werden?
Danke!
Bis “ … als das potentielle Elend, das dann droht.“ kann ich Wendl folgen, vielleicht zustimmen, aber Grl. als zu rückständig für Sozialismus bzw. Komparation mit Russland/Lenin ???
Das ist mit Sicherheit verfehlt!
Die von Lauermann vorgeschlagenen Handlungen Griechenlands stehen für mich auch eher konträr zu Bourdieu, – wie ich ihn kenne/lese.
Bis zu „Friede den Hütten, Krieg den Palästen. Eher im Gegensinn.“ finde ich das einen überraschend klaren und interessanten Aufsatz.
Und:
Wer hätte schon gedacht, dass die rls Bourdieu-Lektüre anbietet!, – zu merken ist davon ja weniger, sowohl in der Kommunikation der rls nach außen, als auch seitens der PdL.
Mich würde aber interessieren, wo/wie der Autor Lauermann seine Bezüge zu B. bei Bourdieu festmacht, – nicht zuletzt unter dem Aspekt Griechenland.
Die Mehrheit der Griechen wird das, was Lauermann ihnen vorschlägt, nicht wollen. Dafür haben sie auch gute Gründe. Lauermanns Empfehlungen laufen eine eine „solidarische“ Schrumpfökonomie vermutlich unterhalb des Reproduktionsniveaus von Ägypten hinaus, arbeitsintensive Produktion mit sehr niedrigen Löhnen. Rückkehr zur Landwirtschaft auf ebenfalls niedrigen technischen Niveau. Hohe Preise für alle Importgüter. Autarkie muss dann erarbeitet werden. Auch die rigide Enteignung der Reichen und die Kollektivierung diverser Luxusgüter schaffen neben dem Erlösen aus dem Verkauf nutzloser Rüstungsgüter nur einmalige Effekte. Das freut dann die erziehersozialistisch gepolten Linken in Deutschland und Europa, dass die Reichen entweder flüchten oder enteignet werden und danach hart arbeiten müssen. Das Importieren chinesischer Zitate ist kein Zufall. Diese Vision eines produktiven gesellschaftlichen Chaos hatten wir bereits in den 1920er und 1950er Jahren, sowohl als Vision (vor Beginn), wie als gewaltiges Chaos (in der Durchführung) studieren können. Griechenland ist nicht groß, das potentielle Elend daher überschaubar. Es handelt sich dann um das Studium nicht intendierter Folgen radikaler Visionen in einer begrenzten Versuchsanordnung. Die Mehrheit der Griechen wird es ablehnen, Lauermanns Versuchskaninchen zu spielen. Dann noch lieber das tatsächliche Elend, das gegenwärtig herrscht., als das potentielle Elend, das dann droht. Das ist ja die Tragik Lenins gewesen, „Sozialismus“ ausgerechnet dort zu versuchen, wo die materiellen Voraussetzungen am weitesten fehlen. Man sollte darüber ein Seminar an einer (linken) Uni (gibt es die noch?) unter der Regie eines liberalen Hochschullehrers machen, dann richtet das garantiert keinen Schaden an und die Diskutanten können sich vortrefflich ereifern.