[Update] Was macht eigentlich… Sahra Wagenknecht

Man hätte vermuten wollen und gehofft, dass die stellvertretende Vorsitzende von Partei und Fraktion eine rote Traumhochzeit pünktlich zum Wahltermin plant. Immerhin ist „ihr Oskar“ ja nun seit einigen Wochen wieder ein freier Mann. Doch weit gefehlt. Die Spitzenkandidatin der NRW-Restlinken muss sich in einem Interview mit N-TV darüber auslassen, wie viel Gemeinsamkeiten es doch zwischen der Linken und der rechtspopulistischen AfD gibt.

„In vielen Punkten haben sie mit ihrer Kritik an der derzeit praktizierten Eurorettung recht.“, wird Wagenknecht zitiert. In dem zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Altherren-Club seien viele Professoren „deren Fachkompetenz außer Zweifel steht“ weiss die frischgebackene Doktorin zu berichten. Es gäbe viele Überschneidungen, denn „in der Europapolitik kritisiert die AfD in vielen Punkten das Gleiche wie wir.“ Scheinbar hat die ehemalige Marxistin und Erhard-Anhängerin nun ein noch lebendes Vorbild entdeckt. Ob es ihr allerdings jetzt als Henkel-Fan besser gelingen mag, die Führung der künftigen Linksfraktion zu übernehmen, darf bezweifelt werden.

Der von ihr am Ende geäusserte Wunsch nach einem guten Wahlergebnis wird mit solchen Interviews jedenfalls nicht in Erfüllung gehen. Im Parteivorstand und in der Fraktion sollte man mit Wagenknecht darüber sprechen, ob sie nicht doch lieber mehr Zeit in die Hochzeitsplanung und weniger Kraft in solch kontraproduktive Pressearbeit investiert. Für solch ein Gespräch müsste sie allerdings in den Sitzungen beider Gremien zumindest körperlich anwesend sein.


Update
Dazu auch einige kritische Stimmen aus der Linken.
Steffen Bockhahn: „Veto!“
Dominic Heilig: „Keine Überschneidungen mit Rechtspopulisten in Europafragen“
Halina Wawzyniak: „Im besten Fall Rechtspopulisten“
Neues Deutschland: „Linke debattieren über »Alternative für Deutschland«“
(mb)

7 Kommentare

  1. Herr
    Ist die Linke eine Partei der kleinen Leute?? Ich glaube nicht.

  2. AfD und Teile der Linken haben eine entscheidende Gemeinsamkeit. Sie sind Populisten reinsten Wassers. Da ist es nur natürlich daß es dor Schnittmengen gibt. Die potentiellen Wähler teilen sie sich mittlerweile auch.

  3. Tut mir leid, was Herr Wendl hier von sich gibt, verstehe ich nicht. Was will er dem werktätigen Volk sagen?

  4. Naja, „gemeinsame Schnittmengen mit neoliberalen und monetaristischen Positionen“ lassen sich ja in kaum einer leidlich plausiblen (zu mehr reicht’s eh nicht) ök. Theorie vermeiden, – nicht zuletzt weil diese ‚Positionen‘ nach Marx weitergepflegt bzw. z. T. erst entwickelt wurden. So oder so hat man auch an ihm ‚gelernt‘, sodaß sich die ‚rein marxistische‘ Theoriebildung immer wieder auch solchen ‚Schnittmengen‘ gegenüber sieht.

    Interessant ist eine solche EU-Binnen-Währungspolitik u. U. schon, ohne gleich ein Ausbund des Monetarismus zu sein.
    Die Frage, ist welche Maßnahmen sonst noch zum Bündel gehörten, – ohne das wäre es i. d. T. reiner Monetarismus, von dem dringend abzuraten wäre, sowie ob/wie sowas auch richtig realisiert werden könnte usw.

    In jedem Fall sollte man bei diesen Ansprüchen an Euro u. EU nicht auf eine Art ‚Länderfinanzausgleich‘ verzichten, der eben auch einer Mark gut bekam, ebenso den sozial vertikalen ‚Lastenausgleich‘ mit dem (aus monetaristischer Sicht) überhängige Vermögensansprüche aus Vor-NKII langsam abgetragen wurden.

    Die Kernfrage aber bleibt, was die Krisenländer denn im internationalen Tauschzirkus beitragen können: Produkte, Märkte, Produktivität ? und wie sie Ausgleichzahlungen verwenden:
    Es bringt überhaupt nichts, Milliarden in z. B. nach Süditalien zu geben, wenn da nur Bruchteile in Hundersteln ankommen, – die zumeist in partikular-erratischer Bautätigkeit enden, wenn mal einer nach Jahrzehnten eingesetzten Prüfungskommission nachgewiesen werden soll, man habe „angefangen“.
    Letztlich ist das ein normatives Problem in Gesellschaft, Kirche und Verwaltung:
    mit „la famiglia prima“ wird’s ganz sicher nichts mit einer guten Gesellschaft, Verwaltung usw., so ’schön‘ der familiäre und nachbarschaftliche Zusammenhalt auch ist. Noch in den 80gern war in Italien kein GiroKonto zu bekommen, selbst als Guthabenkonto, ohne nicht mind. ZWEI Vollbürgen, am besten bei der gleichen Bank, zu stellen. (Könnte heute auch noch so sein) Durch diese und tausend andere Faktoren (Wohnungssektor!) ist Italien total verheddert in wechselseitigen Abhängigkeiten der Subjekte u. Gruppen, die jedes rationalistische Handlungskalkül, und dem unterliegt GUTE Verwaltung zwangsläufig, jederzeit übertrumpfen (können.)

  5. Es muss nachgetragen werden, dass sich Lafontaine gestern ähnlich zum Euro geäussert hat, wie Sahra Wagenknecht. Er plädiert für die Wiederherstellung eines europäischen Währungsraums, in der die nationalen Währungen eingebunden sind, aber in bestimmten Größenordnungen auf- und abwerten können. Das entspricht ziemlich genau dem Viorschlag, den der Soziologe Wolfgang Streeck (früher Berater im Bündnis für Arbeit und engagierter Kämpfer für die Ausweitung des Niedriglohnsektors) in seinem neuen Buch „Gekaufte Zeit“ und bereits vorher in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ gemacht hatte. Auch Streeck denkt die Wirtschaft neoklassisch, obwohl er SPD-Mitglied ist. Lafontaine hatte seine Zustimmung zu Streeck in dieser Frage bereits angekündigt. Ich bin jetzt gespannt, wie die Partei reagiert. Eigentlich müsste sie Lafontaine jetzt auch inhaltlich, also mit ökonomischen Argumenten kritisieren, aber ich befürchte, dass sie sich das nicht traut. Für Lafontaine schließt sich mit dem positiven Bezug auf Streeck ein Kreis zu seiner Zeit Ende der 1980er Jahre („Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich“). damals hatte er sich polit-ökonomisch an Fritz Scharpf, dem Vorgänger Streecks am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung orientiert. Dieser vertritt heute die gleiche Sicht auf den Euro wie Streeck.

  6. Sahra Wagenknecht ist nicht von links nach rechts gewechselt, sondern ihre wirtschaftspolitische Position hat spätestens seit „Freiheit statt Kapitalismus“ gemeinsame Schnittmengen mit neoliberalen und monetaristischen Positionen. Sie lobt den Ordoliberalismus (also die deutsche Variante des internationalen Neoliberalismus), sie ist positiv auf die sog. Quantitätsttheorie des Geldes fixiert und orientiert sich daher auch am Geldmengenkonzept des Monetarismus. Ich habe das mehrfach angesprochen: in Nr. 12-2011 der Zeitschrift „Sozialismus“ und der Nr. 168 der Zeitschrift „Prokla“. Das ist bei ihr nicht ein Zeichen einer rechten Gesinnung, sondern sie denkt so: Marx hatte diese Sicht noch als „Vulgärökonomie“ bezeichnet. Das ist nichts Schreckliches. Die meisten akademischen Ökonomen denken so, die Keynesianer sind hier ziemliche Aussenseiter. Auch einige Marxisten sind im theoretischen Kern neoklassisch denkende Ökonomen, allerings dabei politisch links orientiert. Marx‘ Denken kommt auch aus der klassischen politischen Ökonomie und viele Marxisten sehen in nach wie vor in diesem Kontext. Das politische Problem in dieser Partei ist, dass die Linke diese ökonomische Exotik bis heute akzeptiert hat, noch weitergehend, Sahra sogar als „Starökonomin“ der Partei sieht. Jetzt erst, wo sie sich politisch mit partiellem Wohlwollen gegenüber dem Anliegen der AfD äussert, merkt das auch der politische Mainstream in der Partei und distanziert sich. Ich habe den tiefen Haß in der Partei gegenüber dem Neoliberalismus für irrational und überzogen gehalten, aber noch grotesker war für mich, dass die gleiche Partei Wagenknechts Zuneigung zum Ordoliberalismus hingenommen hat. als wäre das eine Vorliebe für Speiseeis. Da war geradezu eine Idolatrie der Fans wie in den 1960er Jahren gegenüber den Beatles. Vielleicht kommt jetzt ein Lernprozess. Es kann aber auch sein, dass das mit Links und Rechts ein Kreis ist, der sich an den Rändern von Linkspartei und AfD schließt.

  7. Ob Genosse Bockhahn wirklich „Veto“ meinte?
    Oder eher „intercessio“? 😉

    Ansonsten sollte Wagenknechts Kurs nicht verwundern. Viele sind weit links gestartet, und auf der anseren Seite später angekommen. OLAF hat es schon immer geschafft,das „gesunde Volksempfinden“ zu artikulieren. Wenn es um volle Boote, Fremdarbeiter oder Folter geht.

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