Piraten wollen in den Bundestag

Nocun will um Einzug in Bundestag kämpfen (Bild: CC-BY Tobias M. Eckrich)
Nocun will um Einzug in Bundestag kämpfen (Bild: CC-BY Tobias M. Eckrich)

Mit deutlich weniger Chaos als sonst haben die Piraten seit Freitag in Neumarkt in der Oberpfalz ihren Bundesparteitag abgehalten. Nur wenige Monate vor der Bundestagswahl musste ein Programm beschlossen und – noch wichtiger – die Partei wieder in Fahrt gebracht werden. Nach internem Dauerstreit in den letzten Monaten liegt man in Umfragen bei mageren 2 Prozent. Der schon sicher geglaubte Einzug in den Bundestag dürfte damit zumindest nur mit Mühen zu schaffen sein. Wenn er denn überhaupt noch gelingen kann.

Bereits am Freitag wählte die Versammlung eine neue politische Geschäftsführerin. Katharina Nocun betonte bereits in ihrer Vorstellungsrede, dass sie „- verdammt noch mal – alles geben werde“, damit die Piraten im Herbst erfolgreich sein können. Die Piraten sollen sich „den Arsch aufreißen“ und die anderen Parteien vor sich her treiben. „Wir haben es verdient, dass unsere Themen nach vorn gebracht werden, weil sie so lange mit den Füßen getreten wurden“, so Nocun in ihrer kämpferischen Rede weiter.

In ihr umfangreiches Wahlprogramm, zu dem seit Samstag Hunderte Anträge diskutiert wurden, haben die Piraten unter anderem Forderungen nach einem kostenlosen ÖPNV, einem Mindestlohn, bundesweiten Volksentscheiden und nach einem Grundeinkommen aufgenommen. Allerdings bleiben, wohl auch aufgrund der schieren Masse des Textes, die Forderungen im Wahlprogramm an den entscheidenden Stellen eher unkonkret. Zumindest zum Mindestlohn konnte sich die Versammlung dann auf 9,02 Euro für unbefristete und 9,77 Euro für befristete Arbeitsverhältnisse einigen.

Neben ihren klassischen Kernthemen Transparenz, Netzpolitik und Grundrechte versuchen die Piraten mit ihrem nun beschlossenen Programm alle relevanten Themenfelder der Bundespolitik zu besetzen. Die bisherige Konzentration auf wenige Schwerpunkte war zuvor immer scharf kritisiert worden. Dem versuchen die Piraten nun mit einem umfassenden, aber stellenweise nicht zu Ende gedachten, Mammutprogramm zu begegnen. Ob und wie dies im Wahlkampf funktioniert, wird sich relativ schnell zeigen müssen.

Der eigene Parteichef hat noch während des Parteitages bewiesen, dass der Umgang mit solch einem programmatischen „Gemischtwarenladen“ noch gewöhnungsbedürftig ist. Schlömer hatte in der ARD gesagt, dass er sich die „schrittweise Einführung von 100 bis 200 Euro Sockeleinkommen“ wünsche. Ein solches Grundeinkommen müsse aber weiterhin an Bedürftigkeitsprüfungen gekoppelt werden und könne vielleicht bis 400 Euro gesteigert werden. Im Programm selber ist lediglich von einer soliden Finanzierung die Rede. Bereits vorher hatte Schlömer aber ohnehin schon erklärt, dass er sich aus dem Wahlkampf weitgehend zurückziehen will, um den Kandidaten mehr Platz zu lassen.

Der Parteitag wird derzeit noch mit zwei Abstimmungen fortgesetzt. Alle Details und Ergebnisse können im Wiki oder auf der Webseite der Bundespartei nachgelesen werden. Ein Livestream steht auch zur Verfügung.
(mb)

Ein Kommentar

  1. Bekommt der Artikel noch ein Update? Hier wäre noch ein interessanter Blogbeitrag zur angeblich gescheiterten SMV: „Die gute Nachricht: Wir haben eine SMV!“
    http://krohlas.de/die-gute-nachricht-wir-haben-eine-smv/

    Ansonsten bin ich mit der Beschlusslage des BPT sehr zufrieden. Und noch mehr damit, was medienseits meist mit „Chaos“ beschrieben wird. Ein relativ machtloser Vorstand, individuelle Entscheidungsmöglichkeiten, das Nichtvorhandensein geschlossener Strömungen, die nahezu Unvorhersagbarkeit von Mehrheitsbeschlüssen, der Parteitagshumor….
    Medial untergegangen sind leider die hervorragenden Beschlüsse zur Trennung von Kirche und Staat, zum Mitarbeiterschutz in Tendenzbetrieben und zum Asylrecht. Aussenpolitisch wird sich dankenswerterweise abgegrenzt vom verbrecherischen Pazifismus und das Prinzip der Schutzverantwortung anerkannt.

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