Lafontaine fordert ein neues Währungssystem in Europa

Mit einem Gastkommentar im Handelsblatt meldet sich Oskar Lafontaine in der von ihm selbst angestossenen Euro-Debatte zurück. Darin plädiert der saarländische Fraktionsvorsitzende für die Einführung eines neuen europäischen Währungssystems unter der Kontrolle demokratisch legitimierter Institutionen. Nicht nur der Euro als Währung, sondern der bisherige Weg der europäischen Einigung sind aus seiner Sicht Hindernisse auf dem Weg zu einem geeinten Europa mit den Grundideen von Demokratie und Sozialstaat.

„Die fortschreitende Übertragung von Souveränitätsrechten auf die Brüsseler Institutionen ist der falsche Weg um Demokratie und Sozialstaat zu festigen. Ordnungsprinzipien einer demokratischen Gesellschaft, in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen, sind Subsidiarität und Dezentralität.“, entgegnet Lafontaine den Euro-Befürwortern, die auf die Stärkung des Europäischen Parlaments setzen. Solch Zentralismus sei immer der falsche Weg. Er ist, so Lafontaine, „von der Sache her nicht gerechtfertigt und führt zu weiterem Demokratieabbau“. Nur kleinteilige Lösungen führten zum Erfolg. Als Beispiele führt er dazu das Sparkassensystem und den Aufbau kommunaler Energieversorger an.

Der Euro selber sei falsch konstruiert und kann nicht funktionieren. „Als Befürworter des Euro haben wir lange Zeit geglaubt, man könne die Euro-Konstruktion so verändern, dass das europäische Haus stabil wird. Die zurückliegenden Jahre haben gezeigt, dass das ein Irrtum war.“ Während Südeuropa ein „unverschämtes Steuerdumping“ betrieben habe, sei mit dem deutschen Lohndumping ein Teufelskreis entstanden. Daher fordert er die Einführung eines neuen europäischen Währungssystems, das mit Auf- und Abwertungen zeitnah den Inflationsdifferenzen folgen kann.

„Eine demokratisch kontrollierte oder zumindest legitimierte Institution sollte zu den monetären Interventionen verpflichtet sein, die die europäische Wirtschaft stabilisieren und sie vor den chaotischen Finanzmärkten schützen. Die Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen hilft dabei und bekämpft die Kapitalflucht.“, so Lafontaine weiter. Der Übergang führe zwar zu grossen sozialen Verwerfungen. Das Festhalten am Euro würde aber zu grösseren Schäden führen. Daher sei jetzt ein geordneter Übergang notwendig.
(mb)

6 Kommentare

  1. “ … wenn man unterstellt: niemand handelt bewusst gegen seine interessen: … “

    WENN, ja wenn …
    Für die bisher angerissenen Fragen ist es
    a) zunächst weitgehend unerheblich, ob die wirtsch. Handlungen „bewußt“ oder unbewußt erfolgen,
    b) unzutreffend, daß „niemand gegen seine Interessen handelt“.

  2. @wendl:

    ja das geld geht nicht in die zirkulation – oder nur tröpfchenweise – aber eben nur bis auf weiteres! in der logik kann man nur hoffen, dass es keine lohnerhöhungen gibt, weil es sonst in die zirkulation kommt…:-) schon pervers. ich wiederhole: wir haben wahrscheinlich schon einen teil des geldes in der zirkulation – nur da wo man es statistisch nicht richtig sieht: aktien, schuldverschreibungen, immobilien, instrumente usw. Und wenn der tag „x“ kommt, sei es durch ein attentat, den selbstmord von einem börsenmenschen oder was auch immer: dann wollen die leute für ihr angeblich wertvolles geld was sehen. Und dann entdeckt man: alles schein der schein und nix sein. genau aus diesem grund – also weil der schotter im zweifelsfall nix mehr wert ist und durch nichts gedeckt ist – außer merkels versprechenn- ist es auch folgerichtig in der perversen logik dass in zypern eben die kunden der banken – also zb die girokonten (!) – haften.

    das ist eigentlich nix anderes als lafo und wagenknecht sagen. nur die meinen es pseudomoralisch. bei denen muss das geld der reichen weggesteuert werden – bei den andern – und die sind machtpolitisch weiter – das geld generell. für alle beteiligten besteht aber das problem das am ende die knete nix wert ist oder jedenfalls sehr wenig ausgedrückt in waren und dienstleistungen. der tag des eintauschens mag als tag x kommen oder als prozess.

    warum will niemand damit umgehen was es bedeutet, wenn „investitionen“ sich dauerhaft nicht mehr lohnen und wohin dies führt? woher die angst „außerhalb der box“ zu denken?

    oder mal ganz anders: wenn man unterstellt: niemand handelt bewusst gegen seine interessen: wie kann man so eine bullshit produzieren?

    Evtl. liegt die lösung der fragen mehr in der psychologie als in der ökonomie…

    Wozu? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm! (Sesamstraße – und wir bewegen uns größtenteils weit darunter!!)

  3. Wenn wir die dem BIP unterliegende gesamtgesellschaftliche Vermögensbilanz (Aktiva und Passiva) betrachten, so haben wir bei diesem Vermögenswerten einen gegenüber dem Wachstum des BIP steilen Anstieg des Volumens: einem BIP von rund 2,5 Bio. Euro (Stromgröße) entspricht inzwischen eine Vermögensbilanz von 16,8 Bio. Euro (Bestandsgröße). Aber die Buchwerte dieser Assets gehen nicht in die Güterzirkulation (es handelt sich dabei um Buchgeld, das in den Bilanzen von finanziellen Unternehmen steht und deshalb nicht auf Gütermärkte strömt und dort eine Inflation produzieren könnte). Die entscheidende Frage zielt darauf, wie sie so verringert werden können, dass das nicht in einer großen Rezession mündet. Die Schwäche des Flassbeck/Lapavitsas-Ansatzes besteht darin, dass sie in erster Linie güterwirtschaftlich denken und die Möglichkeiten dieser Geldschöpfung aus dem Nichts (was aber faktisch eine nicht einlösbare Hoffnung auf die zukünftigen Erlöse wirtschaftlicher Aktivitäten ist) unterschätzen (wie die meisten Marxisten – hier ist interessant, dass der Nichtmarxist Flassbeck sich mit dem Marxisten Lapavitsas terffen konnte, obwohl Flassbeck seinen Schumpeter kennen muss). Lafontaine und Wagenknecht denken nur güterwirtschaftlich, alles andere sehen sie als Falschgeld oder Ponzi-Schwindel. Die Schlussfolgerungen werden falsch, weil wir einen Abwertungswettlauf der Peripherieländer und zusätzlichen Lohndruck in den Exportländern sehen werden und keine realwirtschaftliche Idylle mit Auf- und Abwertungen, die dann alles wieder ins Lot bringen. Das ist das Ideal des Ordoliberalismus, weshalb Lucke und Starbatty ähnlich denken. Zum Glück wird es diese Deflationspolitik ohne Brüning nicht geben, da diese Kleinparteien zu schwach sind, um etwas zu bewegen.Das Interessante an dieser Übereinstimmung ist doch, dass wir jetzt zwei Avantgardeparteien haben: neben der Linken auch noch die AfD. Sie haben beide den anderen Parteien die Einsicht in den Gang und die Bedingungen der zukünftigen (früher: proletarischen) Bewegung voraus und führen den Klassenkampf gemeinsam an. Die einen auf der Seite des Proletariats und die anderen auf der Gegenseite. Aber sie wollen dieses Mal das Gleiche. Absurdes Theater.

  4. Ich komme noch einmal auf – in einem andern Beitrag an Wendl bezogene Frage zurück: „Was passiert wenn die Wechsel eingelöst werden“?

    Damit meinte ich was passiert wenn das beliebig hergestellte Geld in die Zirkulation kommt und damit ins Verhältnis zu dem Waren gesetzt werden? Ich behaupte dann sehen wir die wirkliche Substanz dieses Geldes: massive Inflation.

    Aber vielleicht haben wir die ja schon teilweise und merken es nur nicht! So lange es keine Lohnerhöhungen gibt, kann Otto-Normal nicht mehr ausgeben mithin taucht die gedruckte Geldmenge auch nicht auf. Was aber mit der Inflation der Assets? Selbst im bis dato eher langweiligen Deutschland gehen die Immo-Preise nach oben. In London, Paris und New York City kostet eine Hundehütte fast soviel wie eine Wohnung in Ostdeutschland. Oder wie wäre es mit der Bewertung von DAX oder Dow Jones?

    Zuletzt an die Fans von „es geht immer so weiter“. Die Firma Apple sitzt mittlerweile auf weit über 100.000.000.000 USD in Cash und hat keine Ahnung was sie mit all dem Zaster machen soll. Neben Programmen für mehr Dividende und Aktienrückkauf: kein Plan.

    Man kann es auch anders formulieren: es gibt für Apple NICHTS was lohnt sich dazu zu kaufen (außer ein paar Minifirmen weil die entweder brauchbare Mitarbeiter haben oder ein paar neue Entwicklungen tätigten)!! Selbst das Aufkaufen eines anderen Unternehmens zum Zwecke der Monopolisierung findet nicht statt. Wer da die Kacke an der Wand nicht riechen kann….

  5. In Sachen ‚Brüning‘ … würde ich noch weiter gehen:
    Derzeit kauft man u. a. durch „Geldschöpfung aus dem Nichts“ , aber auch aus substantielleren Quellen, die Inflationsdrohung aus dem Kapitalmarkt raus, die der nominelle Geld- u. WP-Überhang, der relativ zur angebotenen bzw. kurzfristig anbietbaren Gütermenge u.- qualität mal den aktuellen Preisen dieses ‚Gesamtprodukts‘ gut und gerne den FAKTOR 60 o. ä. betragen kann.

    Angesichts von Schuldenschnitten u. a. Wackeligkeiten könnte dieser zigfache Überhang
    auf die Idee kommen, den K.-Markt zu verlassen und das nominelle Zeug in Realgüter verwandeln zu wollen:
    DAS führt dann erst recht zur Inflation MIT Rezession – ein teuflisches Gebräu
    a la Brüning. Nicht wenig „überhängiges“ Kapital steht in diversen Unternehmen u. Divisionen, Sparten und Projekten von Weltkonzernen aus der BRD eh schon in 15 mal soviel wie unter höchster kalkulatorischer Skepsis benötigten „stand-by“ Mengen und höher bereit. Notfalls kauft man damit potentielle o. tatsäche Konkurrenz auf, besticht die Leute usw. (Siehe auch NSA-Software in jüngsten Berichten)

    JEDE POLITIK, DIE DEN K-MARKT ÜBER DIE MONETÄRE SCHIENE SCHRUMPFEN WILL, BEGIBT SICH IN’S BRÜNINGSCHE FAHRWASSER !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    DANN hat doch keiner Bock mehr, Staatsanleihen o. ä. ERNEUT zu kaufen, wenn Schuldenschnitte drohen, u./o. die Schuldzinsen steigen, die Gläubigerrenditen im K. u. F.-Markt dadurch gefährdet sind usw.
    FuK-Märkte reagieren z. T. inzwischen wie andere Sektoren auch:
    Wenn politisch ‚feststünde‘, dass man z. B. die Staatsvolumina unter den Finanzierungsbedarfen massiv zurückfahren will, dann muß man das nur laut genug sagen, um mittel- u. langristige UMORIENTIERUNG MASSIVEN Nominalkapitals, eher in zu „Sachwerten“ , also mit Inflationsdruck in 10er-Potenzen, zu provozieren. Denn mit der „Überhang“-Inflation kommt auch eine MASSIVE Rezession: Die Leute könn‘ die Mieten nicht mehr zahlen, und was ist das schöne „Realgut“ dann wert …?
    (DAS muss sein:
    Hat meine Ur-Omma zw. 1900 u. 1930 alles erlebt, wie 2005 en detail vor Ort im ehemaligen ‚Waldenburg/Schlesien“ Haus für Haus, Geschäft für Geschäft nachzuvollziehen war.)

  6. Es ist die Sicherheit bewundernswert, mit der Lafontaine weiß, dass das Festhalten am Euro zu noch grösseren Schäden führen würde, als es die sozialen Verwerfungen eines Übergangs in ein geordnetes System nationaler Währungen wären. Was ändert sich in diesem Fall? Die großen Unterschiede in der Wettbwerbsfähigkeit bleiben bestehen. Zunächst bleiben auch die Leistungsbilanzsalden, in diesem Fall die Schulden der abwertenden Länder bestehen. Die Importpreise werden sich durch die Abwertung dramatisch erhöhen, ohne dass diese Länder auf einen steigenden Export vertrauen können. Ihre Exportgüter werden preisgünstiger, aber wo ist die Nachfrage nach diesen Produkten angesichts einer massiven Wirtschaftskrise auch in Deutschland? Interessant ist, dass sich Lafontaine auf den neoklassisch denkenden Politikwissenschaftler Scharpf zustimmend bezieht und nicht auf seinen früheren Lehrer in Sachen Makroökonomie, den Keynesianer Flassbeck und damit zu seiner theoretischen Ausgangsposition von 1988 zurückkehrt. Interessant ist weiter, dass er sich von der EZB und deren expansiver Geldpolitik distanziert und damit erklärt, dass er zur restriktiven Geldpolitik der Bundesbank zurück will. Ohne es zu wissen, setzt er damit auf eine Konstellation, die in einigen Aspekten an die Deflationspolitik unter Brüning erinnert, weil bei der dann fälligen Aufwertung der deutschen Währung auch in Deutschland weitere Lohnsenkungen angesagt sein werden. Das sind die sog. unintendierten Folgen nicht durchdachter Handlungen. Zum Glück verwirrt er damit nur eine kleine Partei. Seine Denkweise ist aber viel näher an der Sicht der AfD als die vor wenigen Tagen vorgestellte Studie von Flassbeck/Lapavitsas.

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