Der Berliner Linkenpolitiker Harald Wolf, der in der Rot-Roten Landesregierung von 2002 bis zu deren Ende 2011 Wirtschaftssenator war, warnt in einem Gastbeitrag für „Cicero Online“ vor einer Koalition mit SPD und Grünen auf Bundesebene. Für ihn liegt Peer Steinbrück mit seiner Aussage, dass Die Linke aus sozialdemokratischer Sicht „außen-, europa- und bündnispolitisch nicht verlässlich“ ist, näher an der Wirklichkeit, wonach sich die unterschiedlichen Positionen von Sozialdemokraten und Grünen auf der einen Seite und die der Linken auf der anderen Seite nicht in ein gemeinsames Regierungsprogramm pressen lassen. In einer Koalition müssten die Linken als kleinster Partner zu so weitreichenden Kompromissen bereit sein, dass er keine ausreichende Grundlage für Regierungshandeln der Sozialisten sieht. Gleichzeitig würde der Druck auf Die Linke so stark, dass sie sich solchen Kompromissen nicht mehr verweigern könnte. Die Erfahrung in der Mitregierung in Berlin hätten dies gezeigt.
Stattdessen schlägt Wolf vor, dass Die Linke eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen tolerieren sollte. Ähnlich wie schon in Nordrhein-Westfalen von 2010 bis 2012 wäre seine Partei dann bereit den Kandidaten der SPD zu wählen und so einen Regierungswechsel zu ermöglichen. Dies müsste unabhängig von der Person des Kanzlerkandidaten geschehen, da man nicht suggerieren sollte, dass die grundlegenden strategischen Differenzen mit Gabriel oder Kraft geringer wären als mit Steinbrück. Die Linke würde mit dieser Tolerierung die Wünsche der Rot-Grünen Wähler nach einer Abwahl Merkels und nach Reformen wie der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, einer gerechteren Steuerpolitik und einer solidarischen Bürgerversicherung unterstützen.
Gleichzeitig solle Die Linke, so Wolf, ihre Bereitschaft erklären, „jeder Reform ihre Unterstützung zu geben, die die Lage der ArbeitnehmerInnen, der Erwerbslosen, der RentnerInnen etc. verbessert, so wie sie andererseits gegen Sozialabbau, Privatisierungen, Rüstungsexporte oder eine Fortsetzung der Troika-Politik im Interesse der Banken stimmen wird.“ Dies würde bedeuten, dass eine künftige Rot-Grüne Bundesregierung mit wechselnden Mehrheiten regieren müsste. Im Gegensatz zu Gysi, der sich gegen eine Tolerierung ausspricht, sieht Wolf darin die Chance eines Zugewinns an Demokratie und die Möglichkeit das eigenständige Profil der Linken zu stärken.
Die Verabschiedung des Bundeshaushaltes wäre nach Wolf dann allerdings der Punkt an dem es zum Schwur kommen müsse. Hier könne es keinen Automatismus geben, der SPD und Grünen die Zustimmung der Linken sichert oder immer eine Ablehnung beinhaltet. Die Linke müsste hier nach taktischen Gesichtspunkten agieren und dürfe nur dann einem Haushalt zustimmen, wenn dieser „in der Masse der Wählerschaft von Rot-Grün und der Linken nach wie vor als eine Verbesserung gegenüber Schwarz-Gelb angesehen“ wird. Sollte die öffentliche Meinung kippen, müsse Die Linke auch bereit sein eine Minderheitsregierung an diesem Punkt zu stürzen und Neuwahlen anzustreben. In Nordrhein-Westfalen ist dies im Frühjahr 2012 geschehen. Die folgenden Neuwahlen im Mai 2012 endeten mit einer Niederlage der Linken. Die Sozialisten wurden mit 2,5% aus dem Landtag abgewählt. SPD und Grüne konnten auf zusammen über 50% zulegen.
(mb)