In 46 Tagen wird nicht nur der Bundestag neu gewählt, sondern auch das hessische Landesparlament. Aktuelle Umfragen deuten auf ein Patt oder einen Regierungswechsel in Wiesbaden hin. Die Linke muss mit knapp 4% noch um den Wiedereinzug kämpfen. Unter dem Eindruck der Diskussion auf Bundesebene über die Möglichkeiten der Tolerierung einer SPD-geführten Minderheitsregierung oder die Bildung einer Rot-Rot-Grünen Koalition haben sich nun einige hessische Linke mit einem Thesenpapier zu Wort gemeldet.
Dieses soll als Diskussionsvorschlag auf einem Treffen der Landespartei am nächsten Samstag in Frankfurt eingebracht werden. Die Autoren wollen damit eine Änderung der Wahlkampftaktik befördern, die es ermöglichen soll, dass der Wähler in einer Stimme für Die Linke auch eine Stimme für einen Regierungswechsel in Wiesbaden erkennt. Gleichfalls mahnen die Autoren ein bundesweites Projekt dieser Art in der Partei an, das, ähnlich wie beispielsweise in Sachsen mit Blick auf die Wahl 2014, abseits aller Strömungsauseinandersetzungen konkreten Schnittmengen zwischen der Linken und Rot-Grün benennt und an diesen die Möglichkeit einer Zusammenarbeit entwickelt.
Die hessische SPD dürfte für eine blosse Tolerierung durch Die Linke ohnehin nicht mehr zu gewinnen sein. Nach der Wahl 2008, bei der Die Linke erstmals in den Landtag einziehen konnte, scheitere ihre Kandidatin Andrea Ypsilanti am Widerstand der eigenen Fraktion und der öffentlichen Kritik, weil sie sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen wollte. Noch vor der Wahl hatte sie eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten kategorisch ausgeschlossen. Bei der im Januar 2009 folgenden Neuwahl des Landtages verlor die SPD, unter ihrem neuen Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel, 13 Prozentpunkte im Vergleich zur vorhergehenden Wahl. Die CDU konnte zusammen mit der FDP weiterhin in Hessen regieren. Ypsilanti trat daraufhin auch als Fraktions- und Landesvorsitzende zurück.
(mb)
– Für eine Koalition der sozialen Verantwortung und des öffentlichen Gemeinwohls
– Gegen jede Regierungskonstellation mit der CDU
In den Umfragen zur Hessischen Landtagswahl am 22. September liegt die Linke aktuell bei 4 Prozent. Damit erscheinen im Augenblick alle Möglichkeiten offen: der Wiedereinzug in den Landtag ebenso wie ein Scheitern an der 5%-Hürde. Zudem hat sich die Gesamtkonstellation in den Umfragen geändert: Konnte man vor Monaten noch von einem sicheren Sieg von Rot-Grün ausgehen, so muss man jetzt mit einem knappen Wahlausgang rechnen. In der Folge muss man mit allen Koalitionsmöglichkeiten um die CDU herum rechnen – wenn die LINKE nicht im Landtag vertreten ist.
Ungeachtet richtiger Forderungen legt das hessische Wahlprogramm nahe, dass wir als einzige, wahre Opposition einer neoliberalen Einheitsfront aller anderen Parteien bei der Wahl gegenüberstehen. In einer zugespitzten Entscheidungssituation zwischen Schwarz-Gelb (Bouffier) und Rot.Grün (Schäfer-Gümbel) vor den Wahlen entspricht das nicht der politischen Grundhaltung des weit überwiegenden Teils der entschlossenen (und noch unentschlossenen) Wählerinnen und Wähler. Es entspricht bei einem Vergleich der Parteiprogramme auch nicht der politischen Realität. Und es entspricht nicht einmal unseren eigenen Diskursen der letzten Zeit (siehe HR-Sommerinterview Janine Wissler) oder bereits vereinzelte öffentliche Mutmaßungen von Kandidaten darüber, ob WählerInnen Sozialdemokraten die Erststimme zugunsten von Zweitstimmen für DIE LINKE geben sollten).
Verständlicherweise wächst jetzt (sehr spät) die Angst davor, mit einer Haltung “Wir gegen Alle” in dieser Wahlentscheidungssituation schlicht als ‘unzweckmäßig’ durch den Rost zu fallen. Dass wir nach 5 Jahren Parlamentsarbeit nun wieder um den Einzug in das Parlament bangen müssen, ist nicht alleine von der hessischen LINKEN zu verantworten. Nach Meinung der Unterzeichner hat es die Partei sowohl auf der Landes- wie auf der Bundesebene versäumt, aus ihrem Leitbild einer “Neuen Sozialen Idee” ein griffiges, attraktives, an der Lebenswelt der Menschen orientiertes neues Projekt zu formulieren. Aber gerade deswegen erscheint es uns wenigstens jetzt – kurz vor den Wahlen – außerordentlich wichtig, den potentiellen Wählerinnen und Wählern zu sagen, was wir wollen, statt zu betonen, was wir nicht wollen.
In dieser Konsequenz schlagen wir eine Neujustierung unsere Wahlkampfargumentation vor:
“Für eine Koalition der sozialen Verantwortung und des öffentlichen Gemeinwohls.”Soziale Verantwortung schließt soziale Ausgestaltung statt Sozialabbau ein. Öffentliches Gemeinwohl schließt Rekommunalisierung statt Privatisierung ein; schließt ein Bildungssystem ein, in dem niemand aus sozialen, ethnischen und religiösen Gründen zurückbleibt und soziale Kompetenz, gemeinschaftliches Verantwortungsbewusstsein und Toleranz wichtig Lernziele sind; schließt Regional- und Stadtentwicklungen ein, in denen die Menschen und nicht die Investoren Planungsmaßstab sind; schließt den ökologischen Umbau zugunsten eines künftig lebenswerten Lebens ein und schließt schließlich einen öffentlich-rechtlichen Hessischen Rundfunk ein, im dem kritischer Journalismus unterstützt und pures Quotendenken in seinem Unterhaltungsprogramm zurückgedrängt wird.
Das sind bewusst knapp die hessischen Landeskompetenzen, in denen wir Fortschritte aushandeln wollen. In diesem Versprechen liegt der Mehrwert der Partei für die WählerInnen und Wähler. Beim politischen Stand der Dinge ist das in der Tat nur mit Rot und Grün auszuhandeln. Es geht uns aber nicht um eine Farbformel (Rot-Rot-Grün), sondern um Fortschritte in den genannten Bereichen.
Das ist unsere Messlatte und die WählerInnen sollten wissen, dass wir bereit sind, unsere Veränderungsvorschläge in die Waagschale zu werfen, sie auszuhandeln und in der Konsequenz diese politisch auch in parlamentarischen Mehrheiten zu verantworten. Nur dann verfängt auch das Argument von Rot-Grün nicht mehr, dass Stimmen für die LINKER parlamentarisch verlorene Stimme seien.
Sigmar Kleinert, Jörg Prelle, Micki Riese, Dieter Storck (alphab. Rf)
Wohl selten lag ein dilettantischerer, diskrepanterer und unredlicherer Diskussionsvorschlag für eine Wahlkampftaktik einer Partei vor, die nach einschlägigen Umfragergebnissen mit lediglich 4 Prozent Wählerzustimmung um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen muss und der in seinem Selbstüberschätzungswahn auch noch fordert, das Diskussions-Flickwerk als„Leuchtturmprojekt“ bundesweit zu implementieren.
Mit der ausgeleiertsten aller denkbaren Floskeln beweist sich das Autoren-Quatronat vorzüglich als im Hinterwald sozialisierter Altmännerverein, dem die Gnade der talentvollen Merkelschen Agit-Prop-Sozialisierung im Osten Deutschland leider versagt blieb.
Verantwortung ist eo ipso sozial – unabhängig, ob als Eigenverantwortung oder Mitverantwortung – und das Gemeinwohl macht sich nicht im Kungel-Hinterzimmer der vier linken Altersjubilare unsichtbar, sondern ist immer im öffentlichen Raum evident.
Nun ja, doppelt gemoppelt überzeugt besser, meint die knappe Handvoll der hessischen linken Altvorderen anscheinend, aber mal eine Frage: Soll denn etwa eine Partei so extrem ehrlich sein und für eine Koalition der sozialen Verantwortungslosigkeit und der persönlichen Machtinteressen und noch dazu „sehr spät“ in den Wahlkampf einsteigen?
Die Thesenpapiertiger sind gegen jede Regierungskoalition mit der CDU. Komisch nur, dass der Geschäftführer der Frankfurter Linken eine symbiotische Lebensgemeinschaft mit der CDU gebildet hat, wie man es sonst nur vom Pflanzenreich, speziell den Flechten kennt, die eine Doppelnatur haben und zusammen mit Moosen auf festem Untergrund vergesellschaftet sind.
Da sollte man doch meinen, dass der Vierer-Apparatschik eher eine Regierungskoalition mit den nächstenliebenden Christen im Hessischen Landtag anstrebt, weil es sich für den Frankfurter Linke-Geschäftsführer in barer Münze ausgezahlt hat, sich bei der CDU einzuschleimen.
Die Vier vom hessischen Linke-Wählerverein geben sich realistischerweise nur ein Prozent pro Thesenpapierler, also 4 Prozent insgesamt für ihr Ergebnis bei der Hessenwahl und meinen tatsächlich, dass damit alle Möglichkeiten offen seien.
Das versteht unsereins Spatzenhirn aber überhaupt nicht, denn mit vier Prozent kann man keine 5 Prozent Hürde überspringen, das heißt alle Möglichleiten sind zu. Nicht mal das Känguru schafft eine solch hohe Hürde, das – vergleichbar der hessischen Linken-Clique – auch ohne ausgeprägte Sozialstrukturen zwar bis zu 13,5 Meter weit, aber nicht sonderlich hoch springen kann.
Aber seien wir nicht kleinlich und addieren die 1,5 Prozent Fehlerwahrscheinlichkeit zu den 4 Prozent und schon haben sich die vier hessischen Linken durch den Griesbrei ihrer Diskussionsgrundlage gefuttert und sind im parlamentarischen Versorgungs-Paradies angekommen.
So recht glauben die vier Hobby-Wahlforscher aber selbst nicht, dass die westdeutsche Linke dank ihrer Hilfe jemals ein guter Hürdenläufer wird und meinen resignierend, in Hessen würden sich um ihre heiß geliebte CDU allerlei für die Linke unangenehme Koalitionsmöglichkeiten herumwickeln.
Um derlei Verwicklungen zu verhindern, blasen die vier linken Menschenfischer lautstark und mitleidheischend die Politsekten-Fanfare, indem sie erklären, sie seien die „einzige“, die „wahre“ Opposition und stünden der neoliberalen Einheitsfront aller anderen Parteien nahezu schutzlos ausgeliefert gegenüber.
Zugegeben bahnbrechend und beispiellos „einzig“ sind sie schon, die vier fundamentalistischen „Wir gegen alle-Märtyrer“. Beglaubigt und unwiderlegbar ist auch, dass die „wahren“ Oppositionellen im Hessischen Landtag fürstlich bezahlt und versorgt sind. Aber sie sind genauso perfekt wie die minimal-patriarchalischen Freimärktler ans parlamentarische System angepasst. Das registrieren die altväterlichen Marktregulierer ja genüsslich Monat für Monat auf ihren überquellenden Deutsche-Bank-Konten.
Wenn von der linken Vierer-Bande der Begriff „Einheitsfront“, der ja wohl ursprünglich die Kooperation von kommunistischen Parteien, sozialistischen und anderen Kräften der Arbeiterschaft bezeichnete, mit dem Begriff „neoliberal“ kombiniert wird und damit die Regierungs- und die anderen im Hessischen Parlament vertretenen Parteien meint, kann man schon ein wenig irritiert sein, bei diesem seltsam anmutenden verbalen Konstrukt.
Wie ich mich zu erinnern meine, verstand man ursprünglich unter „Neoliberalismus“ einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus und das ist es doch genau, worauf die vier linken mittelständischen Thesenfabrikanten hinarbeiten, nämlich dem Kapitalismus ein Engelgesicht zu verpassen, damit der Schmerz des Ausgepowerten beim Anblick der auf „schön, wahr und gut“ frisierten kapitalistischen Verhältnisse dahinschwindet und der Ausgeplünderte dankbar dem linken Funktionärs-Quartett die Füße küsst, dessen einziges soziales Bezugssystem der organisatorische Apparat der Linkspartei zu sein scheint.
Dass sich der Wille der Wählerinnen und Wähler nicht in der zugespitzten Entscheidungssituation zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün manifestiere und die Wählerschaft vielmehr wolle, dass die Linke analog der FDP-CDU das Tröpfchen sei, das das Fass in Richtung Rot-Grün zum Wählerstimmen-Überlaufen bringe, wie die vier Flugkapitäne des Raumschiffs der hessischen DIE LINKE orakeln, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wenn der starke Wählerarm es will, stehen die CDU-FDP-Räder in Hessen still, auch ohne die Rezepte aus der Polit-Suppenküche der vier Köche, die schon allen wegen ihrer schieren Anzahl den Linke-Brei verderben können.
Dass die vier linken Musketiere mit ihren stumpfen Säbeln daherrasseln, ihr Parteiprogramm ergäbe reichlich Anhaltspunkte dafür, was in der politischen Alltagsrealität umgesetzt würde, ist ein Anschlag auf die Kritikfähigkeit der Wählerschaft.
Wer von den Vieren auch nur eine ansatzweise Übereinstimmung zwischen den – gewiss äußerst eloquenten -virtuellen Forderungen im Erfurter Programm und beispielsweise der Arbeit der Frankfurter Römerfraktion der Linken belastbar nachweisen kann, dem spendiere ich gerne einen Monats-Hartz IV-Satz zur Grundsicherung seiner Portokasse.
Das Anbiedern an die total schröderisierte Hessen-SPD, die implizite Empfehlung des linken Vierer-Klüngels, der SPD die Erstimme zugunsten der Zweitstimme für DIE LINKE zu geben, widerspricht diametral seiner vorherigen Brandmarkung der SPD als neoliberaler Partei, kommt aber der anscheinend unstillbaren Gier der Linken-Quadriga nach Regierungsbeteiligung ein ganzes Stück weit entgegen.
Den Wechsel der Herrschaft der Neolibs zur absolutistischen Herrschaft der vier linken Rekommunalisierer bezeichnet die linke Vierer-Crew völlig ungeniert als Leitbild einer „Neuen sozialen Idee“. Griffig soll das Vorzeigeprojekt sein und attraktiv, wohl wie schönste Politikerin Deutschlands und nicht zuletzt auch aus diesem Grund eine der Chefinnen der Linken.
Aber der absolute Hammer – immerhin ohne Sichel – kommt ja noch: An der Lebenswelt der der Menschen soll das „neue Projekt der Herrschaft der vier DIE LINKE-Geschöpfe über fast alle Menschen des Landes Hessen“ orientiert sein.
„Ja, da legst di nieder“, staune ich mal auf bayrisch, statt auf hessisch. Das ist dann doch ein gewaltiges politisches Highlight, das man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen muss: Unglaublich aber wahr, diese hessische Linke mit diesem Personaltableau kommt tatsächlich zur Erkenntnis, dass die Lebenswelt der Wählerschaft und nicht die eigene Versorgung im Fokus, der in der heißen Wahlkampfphase agierenden Linken, stehen sollte, wow!
Schnell rasseln die vier Suppenmann- ähh- Supermann-Vordenker der hessischen Linken noch ein paar linke Muss-Statements herunter wie Bildung für alle, die sie sich noch nicht leisten können, Luxuswohnungen nicht nur für die obere Mittelschicht und Braunkohleabbau auch in Hessen, Vattenfall zuliebe, weil sonst die Lichter an der Börse in Eschborn und im Frankfurter Bankenviertel ausgehen und ein Staatsrundfunk, damit die Journalisten wie Schmidt & Pitt nicht mehr so dummes Zeug über die Linke verbreiten, wo die Linke doch nach Eigenangabe die „einzige“ und die „wahre“ Partei und die gnadenlose innerparteiliche Zensur das non plus ultra des Presseverständnisses der Linken-Quadriga ist.
Eine Drohung rundet das Bild von der absoluten Regierungsfähigkeit der vier Linken-Päpste ab: Die knappe Handvoll potentieller Landtagsabgeordneter wird den thesenartig skizzierten Hinfortschritt in diesem unserem Hesseländsche aushandeln, und im Übrigen auch keine lustigen Programme mehr im Fernsehen zulassen, sonst lacht sich die Wählerschaft womöglich noch tot, bevor sie ihre heiß begehrte Stimme an das lustige linke Viererspiel abgegeben hat.
Aber keine Angst, liebe Wählerinnen und Wähler, die vier linken Hammerwerfer werfen ihre hammerharten Veränderungsvorschläge ja nur in eine Waagschale, die aus Glas ist.
Wie leicht das bricht, wisst ihr als Wählerschaft ohnehin und macht euch keine unnötigen Sorgen, dass die vier linken Musketiere womöglich die papierenen Thesen in Konsequenz politisch und/oder in parlamentarischen Mehrheiten zu verantworten haben.
Fazit: Mir will scheinen, diese hessische Vierer-Crew des Raumschiffs DIE LINKE, die sich anschickt in ferne Galaxien vorzustoßen, wird leider nicht per Einsteins Paradoxon neu und jünger auf unsere Mutter Erde zurückkehren..
… ein richtungsweisender Schritt… bin auf die Reaktionen in der SPD/ Grüne und der Öffentlichkeit gespannt..