Wagenknecht sieht Regierungsoption mit Rot-Grün

Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der Linken in NRW, hat auf einer DGB-Betriebsrätekonferenz in Herne für eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen geworben. Vor knapp 1000 Gewerkschaftern sagte Wagenknecht, die auch Partei- und Fraktionsvize ist, dass es eine Regierungsoption nach der Wahl gäbe. „Ich hoffe, dass die SPD über ihren Schatten und vielleicht über ihren Kanzlerkandidaten springt“, so Wagenknecht unter grossem Beifall des Publikums. Ähnlich äusserte sich am Rande der Konferenz der NRW-Landesvorsitzende des DGB, Andreas Meyer-Lauber, gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“: „Wir haben mit einer punktuellen rot-rot-grünen Zusammenarbeit in NRW nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht. Es wäre auch im Bund möglich, mit Hilfe der Linken einige aus Arbeitnehmersicht wichtige Dinge zu bewegen.“ Dazu würde aus seiner Sicht die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes gehören. Die Politik müsse sich neuen Bündnissen öffnen, die die Arbeitnehmer entlasten.
(mb)

2 Kommentare

  1. Diese Widersprüchlichkeit gehört doch zum Programm. Ein Mal wird den Gewerkschaften nach dem Munde geredet, ein anderes Mal wird versucht, von der massiven Verunsicherung, zu der die Euro-Rettungspakete bei vielen Menschen, aber auch bei bestimmten Sichtweisen aus der Sozialwissenschaft geführt haben, auch zu partizipieren. Man lese nur Wolfgang Streecks Beitrag in der jüngsten Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, dann kann erkannt werden, dass auch Streeck durch die gleiche Ahnungslosigkeit über die Rolle des Geldes und die Geldemission einer Zentralbank geprägt wird wie Wagenknecht. Hier verbinden sich bestimmte vorwissenschaftliche Dogmen und Überzeugungen mit der eingebildeten Avantgardefunktion der Wissenschaftler. Wagenknecht lebt gut mit diesem Widerspruch: sie nimmt doch die Gewerkschaften und deren Haltung zum Euro noch nicht einmal ernst. Steinfeld schreibt heute in der SZ: „die landläufige Verknüpfung von einer apokalyptischen Vision des Kapitalismus mit ein wenig marxistischer Wissenschaft (kommt) mit sehr geringen ökonomischen Kenntnissen (aus)“. Dabei ist dieses wenige an marxistischer Wissenschaft weniger Marx als eine missverstandene Variante neoklassischen Denkens.

  2. Weder SPD, Grüne noch der DGB teilen die radikale Euro- Skepsis von Sarah Wagenknecht. Natürlich fordert der DGB einen fundamentalen Politikwechsel bei der bisherigen schwarz-gelben Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, aber nicht unter dem Motto: Raus aus dem Euro. Wie glaubwürdig ist Sarah Wagenknecht, wie ernst kann man sie nehmen, wenn sie in Herne für ein Bündnis mit der SPD und den Grünen wirbt und 600 km weiter östlich in Cottbus den Euro nicht nur infrage stellt, sondern dem Austritt und der Rückkehr zu Wechselzonen das Wort redet und AfD- Argumente sich zu eigen macht. Gegen das Linken- Parteiprogramm und einen Parteitagsbeschluss in ideologischer Blickverengung mit fundamentalistischen Scheuklappen öffentlich aufzutreten muss die Linke zwar in ihrer Zerissenheit aushalten (die Linke will eine pluralistische Partei sein), förderlich ist das nicht, eher parteischädigend und hat auch mit einer freien Meinungsäüßerung nichts zu tun. Zur freien Meinungsäüßerung gehört dann auch die Konsequenz eines Austritts aus der Partei, um dem Parteiausschluss vorzubeugen. Das müsste ihr, auch als Parteiikone, deutlich gesagt werden. Nur in direkter Diskussion könnte man subversiv dagegen argumentieren. Wenn am Rednerpult nur populistische Sprechblasen produziert werden, um im Gewerkschaftslager auf Stimmenfang zu gehen, wird das alles unglaubwürdig. Sarah Wagenknecht ist ernsthaft an einem rot-rot-grünen- Bündnis nicht interessiert, sondern nur an ihrer eigenen Überzeugung (sie befindet sich nicht nur bei der Eurofrage in der Kontinuität des Irrtums) und das ist ganz einfach schade. Im Gegensatz zu Gregor Gysi, der in seinem Pragmatismus Optionen aufzeigt und reale Kompromissbereitschaft signalisiert, aber sich nicht verbiegen lassen wird. Natürlich ist eine mathematische Mehrheit noch lange nicht regierungsfähig, genauso illusorisch ist es mit wechselnden Mehrheiten eine Regierung zu planen. Zwar ist jeder Mandatsträger nur seinem Gewissen verpflichtet, würde aber ständig einem Konformitätsdruck unterworfen, den nur ganz starke Persönlichkeiten aushalten. Leider haben wir aus der Bundestagsfraktion der Linken lernen müssen, dass die ganz Lauten eine Meinungsführerschaft durch antidemokratische Dominanz beanspruchen. Hoffentlich wird hierfür der Wähler am 22.09. das Korrektiv sein.

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