Der saarländische Landesverband der Partei Die Linke kommt auch wenige Tage vor der Bundestagswahl nicht zur Ruhe. Schon rund um die Aufstellung der Landesliste wurde mit harten Bandagen zwischen den verfeindeten Lagern im Verband gestritten. Aufgrund von Unregelmässigkeiten bei der Auszählung musste die Versammlung wiederholt werden und wählte, zum Verdruss Lafontaines und seiner Anhänger, den Bundestagsabgeordneten Lutze zum Spitzenkandidaten. In der Folge verweigerte Lafontaine die Mitarbeit im Wahlkampf seines eigenen Verbandes und der Wahlkampflleiter trat umgehend zurück. Schon damals wurden Stimmen laut, die Lutze vorwarfen „Turnschuhmehrheiten“ für sich organisiert zu haben. Diese Vorwürfe verdichten sich nun.
Wie die „Saarbrücker Zeitung“ unter Berufung auf den Landesvorstand zu berichten weiss, wird untersucht, ob durch gezielte Anwerbung neuer Mitglieder im Vorfeld der Versammlung die entscheidenden Stimmen für Lutze organisiert wurden. Innerhalb weniger Monate sollen im Kreisverband Neunkirchen, der intern Lutzes Lager zugerechnet wird, 73 Neumitglieder aufgenommen worden sein. Dies sei fünf Mal so hoch wie normal heisst es aus dem Landesvorstand. Zudem zahle ein Grossteil dieser Mitglieder seinen Beitrag bar. Üblich seien hier allenfalls 13% Barzahler.
In der Partei sei, so die „Saarbrücker Zeitung“, bereits von „Stimmenkauf“ die Rede. Aufgrund von Beschwerden langjähriger Parteimitglieder untersuche nun der Landesvorstand den gesamten Vorgang. Besonders bemerkenswert daran ist, dass viele dieser Neumitglieder ihren Beitrag erst direkt auf der Versammlung entrichtet haben sollen. Laut Landesvorstand wurden an diesem Tag insgesamt 2.500 Euro kassiert. Angeblich, so wird unter Berufung auf Parteimitglieder berichtet, sollen noch auf der Versammlung Umschläge mit Geld durch die Neunkircher Kreischefin Andrea Küntzer an zahlreiche Neumitglieder übergeben worden sein. Heinz Bierbaum, Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, bestätigte dies gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“. Den Verdacht der Bestechung zugunsten Lutzes weist er aber zurück, „Ich weiß nur, dass solche Umschläge mit Geld verteilt worden sind“.
Diese Manipulationsvorwürfe scheinen die Stimmung im Landesverband so nachhaltig vergiftet zu haben, dass am Montag rund 30 Mitglieder aus Protest die Partei verlassen haben. Dazu gehören der Vorstand des Eppelborner Gemeindeverbands, die Abgeordneten des Gemeinderats und zwei Neunkircher Kreistagsabgeordnete. In einer Erklärung äussern sie scharfe Kritik an Lutze und beklagen „Schikanen“ gegenüber ihrem Verband. „Wir sehen in der Partei keinerlei Zukunft mehr. Aber wir werden weiter sozial und parteipolitisch arbeiten“, sagte der nun ehemalige Gemeindeverbandschef Jürgen Zimmer.
Eine Befriedung der Situation im Landesverband scheint unter diesen Umständen noch nicht absehbar. Zumal im November die Neuwahl des Landesvorstandes ansteht. Der bisherige Parteichef Linsler hat schon erklärt, dass er nicht wieder antritt. Es wird vermutet, dass Heinz Bierbaum als Nachfolger kandidieren will. Änlich wie zur Aufstellung der Landesliste scheint man auch hierbei auf die Unterstützung von Neumitgliedern zu setzen. Der Landesvorstand untersucht derzeit einen auffälligen Zuwachs von 60 Mitgliedern in Saarbrücken. Bierbaum plädiert angesichts solcher Manipulationsmöglichkeiten für die Einführung eines Delegiertensystems auf Landesebene. Bislang sind alle Versammlungen auf Landesebene für alle saarländischen Parteimitglieder offen.
(mb)
Es erscheint mir zunächst völlig legitim, für Abstimmungen bei Mitgliederversammlungen couch potato-Mitglieder zu plötzlichem und unerwartetem Leben zu erwecken, um die jeweiligen favorisierten Kandidat_innen mit den Stimmen der zwischenzeitlich Scheintoten, den „Turnschuhmehrheiten“, durchzudrücken.
Yvonne Plötz, das parteipolitische Gschpusi Lafontaines hatte im ersten Wahlgang professionell durch „neugeborene“ bzw. durch „neu entdeckte“, ja sogar „ausländische“ Mitglieder einen Stimmenvorteil generiert.
Der geschlagene Konkurrent Lutze fiel aber ob der Wahlniederlage nicht auf den Kopf, sondern eher auf die Füße und machte sich erfolgreich auf die Suche nach einer gerichtsfesten Wahlanfechtung, denn unter der Lutz-Entourage tummeln sich gewiss auch einige anstellige Mädels und Jungs, die die Autokraten-Attitüden von Oskarchen trotz seiner eigentlich altersweisen 70 Jahre zu Recht nur mäßig witzig finden.
Was des Oskars Yvonne Plötz so plötzlich konnte, kann ich schon lange, sagte sich wohl das gewitzte Lutzechen und schaute mal nach, ob denn säumigen Beitragszahlern nicht Beihilfe geleistet werden könne, fand sie und sie haben prompt aus Dankbarkeit das Stimmenkonto des Kümmerers Lutze kräftig aufbessert und ihm den Listenplatz 1 gesichert.
Die Vermutung, dass hier Bestechung im Spiel sei, kann selbstredend auch als Versuch gewertet werden, die Reputation Lutzes gewaltig anzukratzen, denn die Plötz-Anhänger dachten sicher, der kleine Saar-Napoleon wäre ein so allmächtiger Landesfürst, dass die Plötz-Wahl eo ipso in trockenen Tüchern sei und sahen sich um die Früchte ihrer Lafontaine-Loyalität und damit um ihre Machtbasis gebracht.
Auch wenn 73 Neumitglieder aufgenommen wurden, dies fünf Mal so hoch wie normal ist und zudem ein Grossteil dieser Mitglieder unüblicherweise seinen Beitrag bar zahlte und laut Landesvorstand an diesem Tag insgesamt 2.500 Euro in die Kasse spülte, braucht es einen „stand up in court“-Beweis der Bestechung, von dem aber in der Saarbrücker Zeitung mitnichten die Rede ist und daher allemal die Unschuldsvermutung zu gelten hätte..
Was mich aber weit mehr entrüstet, als die sicher nicht nur bei der saarländischen Linken praktizierten Mitgliederstimmen-Fangspielchen im Bereich der absoluten Grauzone oder gar der Illegalität, ist der Versuch der Saarbrücker Zeitung, diese grenzwertige Angelegenheit der Basisdemokratie anzulasten, indem fälschlich behauptet wird, sie sei beliebig missbrauchbar, das Delegiertensystem dagegen garantiere, dass die Interessen der Basis Eins zu Eins zum Tragen kämen.
Das ist so aberwitzig, dass man schon bass erstaunt sein kann. Gerade die Delegierten-Methode der Die Linke und auch anderer Parteien erlaubt es doch, fern der Basis, bestimmte bevotrzugte Kandidaten zu bevorzugen, denn die Delegiert_innen verantworten sich seltenst nach der Wahl für ihre Stimmabgabe und fühlen sich sehr oft nicht unmittelbar an den Basisauftrag gebunden.
Selbstredend ist Basisdemokratie, wie die Saar-Linke ja augenfällig vorführt, nicht fehlerfrei und auch manipulierbar, wenn guerillataktisch vorgegangen wird und der Überraschungseffekt voll zum Tragen kommt, aber das Heil der Kandidatenaufstellung im Delegierten-Verfahren zu sehen, halte ich für eine bösartige Attacke auf die zeitgeistig aktuellere direkte Demokratie, die ohne Delegierte selbstbestimmt durch unmittelbare Beteiligung zu bindenden Entscheidungen kommt.
Für mehr Demokratie brauchen wir mehr geregelte Transparenz und frühzeitige, ergebnisoffene und verpflichtende Beteiligung an der Basis.
Wer behauptet, für und mit den Parteimitgliedern Visionen entwickeln und umsetzen zu wollen, muss die Basis frei und unbeschränkt einbeziehen und darf ihr nicht per Delegiertenprinzip scheinheilig die Augenhöhe mit dem Wegschlagen der Füße verweigern wollen, liebe Saarbrücker Zeitung und das gilt nicht nur für eine explizit linke, sondern auch für jede bürgerliche Partei, die nicht hoffnungslos hinter dem zweifellos links angehauchten Zeitgeist herdackeln will.