In einem Interview mit der „taz“ schliesst die Spitzenkandidatin der hessischen Linken, Janine Wissler, die Tolerierung einer Rot-Grünen Minderheitsregierung nicht aus. Schon 2008 hätten die damaligen „Hessischen Verhältnisse“, die zur Neuwahl 2009 führten, die Demokratie vorangebracht, so Wissler. „Das Parlament war wesentlich spannender, weil man vorher oft nicht wusste, wie eine Abstimmung ausgeht.“ Die SPD müsse nun überlegen, ob sie mit Unterstützung der Linken einen Politikwechsel wolle.
In den Streitpunkten Flughafenausbau und Schuldenbremse sieht Wissler keine unüberwindbaren Hürden für eine Zusammenarbeit. Die umstrittene Landebahn könne geschlossen werden, wenn man den Flughafen nicht weiter ausbaut. Die Schuldenbremse, die durch einen Volksentscheid in die hessische Verfassung aufgenommen wurde, lehne Die Linke weiterhin ab. Allerdings lasse sie sich durch Steuererhöhungen umgehen. Damit spricht Wissler die zwei Positionen an, die SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel für absolut abwegig hält. Er lehnt eine Zusammenarbeit weiterhin ab. Der am Samstag in Frankfurt tagende Parteirat der hessischen SPD dürfte sich dieser Ansicht anschliessen.
(mb)
Danke ,Michael, für die klaren Worte. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn sie auch bei der Linken in Hessen gehört, reflektiert und in deren taktische Überlegungen einfließen würden.
Danach sieht es momentan aber nicht aus, denn auch der hessische Linkspartei-Chef leiert analog der Fraktionschefin nach der Wahl noch gebetmühlenartig die Maximalforderungen gegenüber den potentiellen Koalitionspartnern Rot-Grün herunter, die bereits den Wahlkrampf geprägt haben.
Die auf 5,2 Prozent abgeschmolzene hessische Linkpartei nimmt für sich überspitzt formuliert in Anspruch 99,2 Prozent der rot-grün-rot-Koalitionsprogrammatik zu bestimmen, sieht also ihre de facto marginalisierte Stellung innerhalb der im hessischen Parlament vertreten Parteien völlig überhöht als deren entschiedensten Teil an.
Aus der vermeintlich einzig möglichen Einsicht der Linken in die Bedingungen, den Fortgang und die Auswirkungen der derzeitigen Krise des Kapitalismus, die auch in Hessen schwelt, glaubt sie berechtigt ihren absoluten Führungsanspruch ableiten zu können.
In Politologensprache wird der Führungsanspruch vom Chef der Linkspartei moderat als von Seiten der Rot-Grünen „nicht unüberbrückbare Differenzen“ gedolmetscht, wobei er selbstredend die Einbahnstraßenbrücke von Rot-Grün ausgehend hin zur Linken meint, sie selbst aber noch nicht mal die Auffahrtsrampe auf ihrer Seite bauen will, geschweige denn die eine Hälfte des Brückenbauwerks, das Rot-Grün entgegen käme.
Beispielsweise erlaubt es der gutmeinende Parteiführer der hessischen Linken gnädigst der SPD und den Grünen, in einem rot-grün-roten Dreierbündnis, aus der wieder erhobenen Millionärs-, der Vermögensteuer 30 000 Arbeitsplätze in der Pflege, in den Gesundheitsberufen und in den Kitas zu finanzieren.
Die politische Führungsrolle ohne die faktische politische Macht, die Unterordnung der Rot-Grünen unter das Oberinteresse der Linken, will der Vorsitzende der Hessen-Linken doch tatsächlich als Koalitionsform verkaufen, in der „jede Partei nach ihren Fähigkeiten“ tätig sein könne und „jeder Partei nach ihren Bedürfnissen“ das politikwechslerische Gestaltungspotential offen stehen würde.
Da die Linkspartei in Hessen nun mal das Bedürfnis hat, den Kurs des hessischen Dampfers als trotzkistische Avantgarde ganz alleine zu bestimmen, ist es aus deren Sicht doch nur folgerichtig, wenn den beiden anderen Bündnispartnern nur noch die Fähigkeit bleibt, sich der Linken unterzuordnen, soll die linke Prevolution nicht nur die unterdrückten Hessen, sondern auch die Deutschen, die Europäer die Welt und das belebte Weltall in revolutionärem Pathos und sozial-gerechtem Zorn mitreißen.
Ob allerdings die gestandene SPD und die oberrealo-neu positionierten Grünen dieses konfrontative Autokratengehabe und dem Traum von der zunächst niederen Phase des Sozialismus während der Diktatur des Proletariats der Die Linke hin zur höheren Phase des Kapitalismus, der klassenlosen Gesellschaft der Die Linke, wirklich goutieren werden, darf doch wohl angezweifelt werden.
Das linke Science-Fiktion-Märchen wird sich in der hessischen Provinz wohl eher in einem temporär sehr begrenzten Abschnitt abspielen und die Linke wird sich als geistig erstarrte Betonfraktion weiterhin in der gestaltunfähigen Opposition tummeln.
Das soll zwar angeblich permanent revolutionärer Mist sein, aber es entspricht halt dem trotzkistischen Bedürfnisprinzip der hessischen Linken.
Inzwischen sind es über 20 Jahre, dass eine kleine Strömung des internationalen Trotzkismus versucht, „Entrismus“ zu praktizieren, dieses Mal über die Linkspartei wieder an den Rand der SPD zurück, immer in der Hoffnung, an bestimmte Schaltstellen zu kommen. Das wird aus verschiedenen Gründen nicht funktionieren, hier aber auch aus einem besonderen. Einige der früheren Jusos, die heute die hessische SPD bestimmen, kennen aus ihren Jugendzeiten diesen deutschen Ableger der englischen Tendenz Militant, den „Linksruck“ noch. Allein das dürfte dafür reichen, sich nicht auf eine Zusammenarbeit einzulassen. Es hat auch fast niemand in der SPD Lust, „um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neue Weltgeschichtsszene aufzuführen“ (Marx) zumal es nur um das kleine Land Hessen geht.
Nach Adam Riese könnte Rot-Grün-Rot klappen, da die Mitte-Links-Troika mit 57 von 110 Sitzen im Hessischen Landtag eine knappe, Schwarz-Gelb mit 53 Sitzen logischerweise aber keine Mehrheit stellt.
Allein mit dem Rechenschieber lässt sich aber noch kein Politikwechsel einleiten und auch nicht mit einem scheinbaren politischen Schmetterball des in der Wählergunst leicht abgestiegenen 6er-Teams der Linkspartei in das Feld der 37er-SPD-Einheit, die in der Wählergunst – nicht zuletzt durch 18 000 Zuwandererstimmen von der Linken – deutlich aufgestiegen ist.
Der Ball liegt also keineswegs allein bei der SPD, sondern gleichermaßen bei der Linkspartei, die aber beide das generell vergiftete Verhältnis zwischen der Westlinken und der SPD in einer Art zelebrieren, dass es rundweg unrealistisch erscheint, hier könne es zu einer Verständigung und Annäherung der Parteien untereinander kommen.
Die berühmt berüchtigte Härte in der Auseinandersetzung im Hessischen Landesparlament mit dem scheinbar übersteigerten Vorwurf der Regierungs-Untauglichkeit seitens der SPD und dem Maximalforderungs-Furor seitens der Partei Die Linke verhindert impulsiv, dass durch unaufgeregtes Agieren der gordischen Knoten rot-grün-roter Regierungsunfähigkeit zerschlagen werden könnte.
Völlig unklar bleibt, weshalb die hessische Die Linke – die nicht zuletzt der bundespolitischen Positionen der Linkspartei wegen präferiert wurde und weniger aufgrund landespolitisch herausragender Projekte – gleichsam als Zäpfchen des demokratischen Sozialismus dem Glauben frönt, trotz Stimmenverlust die einzig akzeptable Politologen-Programmatik auf dem hessischen Politmarkt feilzubieten und die 150 Jahre junge SPD ganz selbstverständlich auf Augenhöhe niederringen zu können.
Man könnte ja mal vermuten, dass für die hessische Linke regieren allemal Selbstzweck ist und das Inhalte-Geschwurbel nur eine bejammernswerte Kaschierung des Ego-Tips der „alleinstellungsmerkmaligen“ Linksfraktion. Ziemlich erstaunlich angesichts der Tatsache, dass die hessische Wählerschaft die Mitte-Links-Troika als die Schlechteste aller denkbaren Koalitionsmöglichkeiten bewertet.
Schade drum, denn ohne das zickige Türenzuschlagen könnte ein zukünftiges rot-grün-rotes Projekt nach und nach Akzeptanz gewinnen, vorausgesetzt die Parteien verständigen sich ergebnisoffen und respektvoll untereinander und fokussieren öffentlich eine Koalition.
In der Pluralisierungsphase des hessischen Parteiensystems sollte es eigentlich möglich sein unter Nutzung dieser linken Mehrheitsopposition die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zurück- bzw. neu zu gewinnen, dass nach der Wahl die vor der Wahl angekündigte, sozial gerechtere Regierung tatsächlich auch umzusetzen begonnen werden kann, die schon heute die notwendigen Weichen zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen stellt und die gemeinsam für den sozialen Fortschritt und die Erneuerung sorgt.
Im Links-Troika-Koalitionsvertrag könnten zur Umsetzung geprüft werden: Einkommenssteuer mindestens 49 Prozent, Vermögenssteuer, flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn mindestens 8,50 Euro pro Stunde, Bürgerversicherung, Annullierung des Betreuungsgeldes, signifikante Hartz IV-Regelsatz-Erhöhung, zeitnahe resolute Umsetung der Energiewende, Doppelte Staatsbürgerschaft, auch für Nichtdeutsche, Adoptionsrecht für Homo-Lebensgemeinschaften, Rente bis 67, bis 50 Prozent aller über 60jährigen erwerbstätig sein können etc.,etc.
Die Parteibasis müsste aber auf jeden Fall in ihrer Breite bei wichtigen Weichenstellungen „mitgenommen“ werden und die Parteiführung müsste das durch Mitgliederbeteiligung, besser noch durch Mitgliederentscheidungen sicherstellen.
Der „großen Schwester“ SPD will Die Linke aber nicht zusichern, sie verlässlich und stabil zu tolerieren, sondern nur im „mal sehen vielleicht“-Modus.
Auch die Basis wird die hessische Linke in ihrer Reiferetardation an der relativ bescheidenen elektoralen „Beute“ ganz sicher nicht beteiligen und derart demokratisch geschmeidig wird das derzeitige Personaltableau auch in absehbarer Zeit nicht werden.
Von daher kann ich gut nachvollziehen, dass sich der am Samstag in Frankfurt tagende Parteirat der hessischen SPD vermutlich der Ansicht des SPD-Landeschefs Thorsten Schäfer-Gümbel anschließt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei mit der Linkspartei wegen teilweise unüberbrückbarer Positionen nicht möglich und sei daher auszuschließen.