Wenige Tage nach dem Ende der Sondierung über eine Schwarz-Grüne Koalition und wenige Tage vor dem Start der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD denken die Grünen offen über die Möglichkeit einer Rot-Rot-Grünen Bundesregierung nach. In einem Gespräch mit dem Fernsehsender „phoenix“ erklärte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, dass seine Partei offen für Sondierungsgespräche mit der SPD und der Linken sei. Dies sei der Kurs der Eigenständigkeit von Bündni90/Die Grünen betonte Özdemir. Als Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Rot-Rot-Grünen Zusammenarbeit nannte er, dass Die Linke die Schuldenbremse akzeptieren müsse. Es gelte nun in Gesprächen zu prüfen, ob Die Linke bereit sei „in der Realität anzukommen“ oder ob sie sich „in den Schmollwinkel“ zurückziehe.

Bereits vor einigen Tagen hatten die neugewählten Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, erklärt dass sie für ein Rot-Rot-Grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene offen seien. „Wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel uns und die Linkspartei zu Sondierungsgesprächen über eine Regierungsbildung einladen sollte, würden wir auch da hingehen“, so Göring-Eckardt in der „Bild am Sonntag“. Beide waren sich aber einig, dass Die Linke gegenwärtig noch nicht regierungsfähig sei. Nach Ansicht Göring-Eckardts verhindere gerade die Außen- und Europapolitik der „SED-Nachfolgepartei“ derzeit eine solche Option.

Förderlich für das Umdenken in der Grünen-Spitze dürfte auch ein Treffen vom vergangenen Donnerstag sein, auf dem führenden Vertreter der SPD, der Grünen und der Linken auf Einladung der „taz“ über die Möglichkeiten einer Rot-Rot-Grünen Zusammenarbeit gesprochen haben. Der Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß, der Grüne Alt-Linke Hans-Christian Ströbele und Linkenchef Bernd Riexinger waren sich dabei weitgehend einig, dass zukünftig eine solche Koalition der drei Parteien möglich sein muss. Besonders Stöß hob dabei hervor, dass es ein Fehler der SPD gewesen sei, die Zusammenarbeit mit der Linken bereits weit vor der Wahl kategorisch auszuschliessen.

Für diese Legislatur fürchtet er, dass Rot-Rot-Grün damit nicht mehr möglich sei. Für 2017 will Stöß, der sich im November um einen Platz im Bundesvorstand der SPD bewirbt, allerdings dafür sorgen, dass eine Koalition mit der Linken eine mögliche Option ist. „Das muss das letzte Mal gewesen sein, dass von der SPD vor der Wahl solche Ausschließeritis betrieben wird“, betonte Stöß. Mit Blick auf die von SPD und Grünen wiederholt geäusserten Bedenken über den Standpunkt der Linken in der Aussen- und Sicherheitspolitik deutete Linkenchef Riexinger an, dass seine Partei bereit sei Kompromisse in ihrer Haltung zur NATO und zu Bundeswehreinsätzen im Ausland einzugehen. Ströbele hatte zuvor kritisiert, dass man in dieser von vielen Bürgerkriegen und einer Missachtung der Menschenrechte geprägten Welt nicht jeden Bundeswehr-Einsatz ablehne könne.
(mb)

3 Kommentare

  1. Bevor ich mit der erwähnten Arbeit begann, hatte ich die üblichen revolutionsromantischen Vorstellungen im Kopf, die so etwa dem entsprachen, was heute immer noch gerne verlautbart wird. Als „Fingerübung schrieb ich eine Seminararbeit über den Zentralrat. Anfangs war ich „enttäuscht“, aber mich hat nach und nach der große Ernst der Beiträge in den Bann gezogen. „Leichenmüller“ war sicher ein mitreißender Redner, aber die Zeit der revolutionären Obleute war vorbei. Denen hatte wohl Ebert schon im Jänner 18 die schärfsten Zähne gezogen.

  2. Was deine Einschätzung zu 1918 angeht, hast du völlig recht. Ich habe 1974/75 meine erste Staatsexamensarbeit über die „Die Freiheit“ geschrieben. Die Zeitung hat deutlich Distanz zu LULI erkennen lassen, natürlich war die Empörung über die Morde an beiden stark, wurden Ebert und die MSP in die Verantwortung genommen. Unter W2 habe der weiße Terror nie so gewütet, wie eben jetzt. hieß es sinngemäß. Aber sie wussten, was in Russland vorging. Die Ablehnung war deutlich. Die Darstellung in den kommunistischen Märchenbüchern, wie z.B. in der „Illustrierten Geschichte der deutschen Revolution“ ist überhöht und verfälschend, wenn man die Protokolle des „Zentralrates der Berliner Arbeiter und Soldatenräte“, sowie vom „Kongress der Arbeiter-und Soldatenräte Deutschlands“ liest, ist man, nein, war ich sehr beeindruckt vom großen Ernst und Sachverstand der meisten Redner. Das waren verantwortungsbewusste Menschen, die eine „Politikänderung“ und vor allem Frieden wollten, keine bolschewistische Revolution. Die Mär von den Sozialdemokraten, die alles verraten haben, ist schlicht dummes Zeug. natürlich befeuert durch die Niederschlagung des „Spartakusaufstandes“, wobei Aufstand die Sache wohl nicht wirklich trifft.
    Nehmen wir nur mal so, an, die beiden wären nicht ermordet worden. RL hätte auf , sagen wir dem Weddinger Parteitag 29, gesagt, was sie 18 sagte, dass“ Lenin und TROTZKI mit ihrer Oktoberrevolution die Ehre des internationalen Sozialismus gerettet“. Ob Thälmann sie persönlich zur Tür gebracht hätte? Oder wäre er nur ein unbedeutender Hafenrevolutionär in HH geblieben? Also stellen wir uns vor, sie hätte dies 1937 in Moskau gesagt.
    Ich habe ein großes Faible für was wäre, wenn Gedankenspiele. Wäre sie zur großen Gegenspielerin Stalins in der Internationalen geworden? Oder Liebknecht?
    Aber wer an der Ikone RL kratzt, kommt in den „Ruf des Zechprellers“, so ist`s mir ergangen. Die Weltrevolution hat eine starke Basis in OWL. Sollte mich nicht wundern, wenn hier der antiimperialistische Siegeszug seinen Ausgang nimmt. Das wird kein KOSTÜMFEST im REVOLUTIONSMUSEUM sein!!

  3. Es geht dabei nicht nur um die außenpolitischen Vorstellungen der Linken, die zu einem großen Teil noch von tradierten antiimperialistischen Leitbildern ausgehen. Ein ähnliches Modell leitet Teile dieser Partei auch in Fragen der Sicherung der Währungsunion, wo entweder von der Währungsunion als einem imperialistischen Machtblock oder von Deutschland als imperialistischer Hegemonialmacht in Europa ausgegangen wird. Anders gesagt: für bestimmte Teile dieser Partei gelten die überholten – und damals schon weitgehend falschen – Imperialismustheorien von Lenin, Bucharin, Luxemburg und dem Hilferding vor 1918 nach wie vor. Auch die Intellektuellen dieser Partei und ihrer Stiftung leben noch in dieser Tradition, indem sie versuchen, die damals populären Ideen aus ihrem historischen Kontext zu reißen und quasi von oben auf die heutigen Verhältnisse anzuwenden. Über diesen Idealismus kann sicher gestritten werden, aber diese Teile der Linken verbinden diesen Idealismus auch noch mit dem überlieferten und heute nur noch lächerlichen Avantgardeanspruch entweder einer Partei oder der organischen Intellektuellen im Sinne Gramscis. Wir können das heute erheiternd finden, wenn die RLS die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen durch die SPD versucht mit Zitaten von August Bebel zu kritisieren, aber die Autoren solcher Kommentare meinen das nicht ironisch, sondern ernst. Solche Rituale sind nicht nur Kostümfeste im Revolutionsmuseum, sondern dahinter steckt als harter Kern eine Heroisierung und Ikonisierung einer grausam gescheiterten Politik, die schon damals, also 1919/20 den historischen Bedingungen gegenüber unangemessen war. Die Linke wertet den November 1918 immer noch mit den Worten von Rosa Luxemburg als das historische Versagen des deutschen Proletariats, statt zu sehen, dass die Mehrheit des deutschen Proletariats damals klüger war als Luxemburg und die frühe KPD. Es reicht also nicht, sich nur vom Leninismus zu distanzieren.

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