SPD-Basis stimmt für Grosse Koalition

Die Mitglieder der SPD haben der Bildung einer Grossen Koalition zugestimmt. Gut 70% der rund 475.000 Genossen beteiligten sich an dem bis zum gestrigen Freitag laufenden Mitgliedervotum. Davon stimmten 76% dem ausgehandelten Koalitionsvertrag zu. Erwartungsgemäss folgte die Parteibasis damit in grosser Zahl dem Wunsch der Parteiführung. Parteichef Gabriel hatte den Druck auf die Mitglieder in den letzten Tagen allerdings auch weiter erhöht. Einerseits wurde mit einer kostspieligen Werbekampagne für die Zustimmung geworben. Andererseits stand die Drohung im Raum, dass im Fall der Ablehnung des Koalitionsvertrages die gesamte Parteiführung zurücktreten würde.

Schon kurz nach dem Abschluss der Koalitionsgespräche hatten der kleine Parteitag der CDU und Parteivorstand und Bundestags-Landesgruppe der CSU einstimmig dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Bereits am Sonntag soll die endgültige Ressortverteilung bekanntgegeben werden. Am Dienstag folgt dann die Wahl der Kanzlerin und die Vereidigung der Minister. Knappe zweieinhalb Monate nach der Wahl wird die Bundesrepublik damit zum dritten Mal, nach der Regierung Kiesinger von 1966 bis 1969 und der ersten Amtszeit Merkels von 2005 bis 2009, von einer Grossen Koalition regiert. CDU, SPD und CSU verfügen im Bundestag mit 504 Abgeordneten über deutlich mehr Stimmen, als für die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit erforderlich wären.
(mb)

5 Kommentare

  1. Einmal ist es eine erstaunlich hohe Wahlbeteilgung für ein solches erstmals praktiziertes Verfahren. Dann ist es eine hohe Quote der Zustimmung. Im Zentrum der Zustimmung stehen vermutlich die Verbesserungen bei der Rente und der gesetzliche Mindestlohn. Dass der Koalitionsvertrag in einen makroökonomischen Rahmen eingemauert wurde, der von der neoklassischen Theorie durch den Vorrang von Haushaltskonsolidierung, Schuldenbremse und Wettbewerbsorientierung bestimmt ist, fällt den Mitgliedern vermutlich noch nicht einmal auf, weil diese Prämissen inzwischen als quasi naturgegeben verinnerlicht worden sind – auch von Teilen der Linken, wenn ich an den Beitrag von Wagenknecht in der FAZ vom 9.12.2013 („Denkt an Ludwig Erhard!“) erinnern darf. Die Partei Die Linke muss davon ausgehen, dass solche Einstellungen typisch sind für das Alltagsbewusstsein der Wähler links von der Mitte und damit auch für die potentiellen Wähler dieser Partei, wenn diese überhaupt zusätzliche Wähler gewinnen will, was gegenwärtig nicht so klar ist. Vermutlich hätte eine Mehhheit der Wähler der Linken solchen Vorschlägen auch zugestimmt. Es wird auch nicht versucht, aufzuzeigen, dass dieser Koalitionsvertrag neben diesen sinnvollen sozialen Maßnahmen nach wie vor im Kern neoklassisch (für die Linke übersetzt: neoliberal) geprägt ist und es insofern auch keinen wirklichen Anlass für die Empörung von Seiten der Unternehmer gibt, denen dieser Einstieg in eine vorsichtige Korrektur des ökonomischen Desasters der Ära Schröder schon zu viel ist. Die wichtigen Auseinandersetzungen beginnen erst mit der Umsetzung in entsprechende Gesetze. Sie werden um so schwieriger, wenn sich die Konjunktur verschlechtern sollte und die Arbeitslosigkeit leicht ansteigt, wofür gegenwärtig einige Faktoren sprechen. Die linken Kräfte müssten dann darauf drängen, dass wie 2009 auf eine keynesianische Steuerung übergegangen wird. Der traditionssozialistische und der fundamentalistische Flügel der Linkspartei gehen aber von einer völligen anderen Konstellation aus: einer fast schon vor- revolutionären Situation in einem Europa der tiefen Wirtschaftskrise und der autoritären Staatsgewalt, auf die sich die Partei einzustellen und vorzubereiten habe. Man hat also eine Karte, die nicht zum Gelände passt und meint dann, dass das Gelände falsch sein muss, weil die Karte (oder die Theorie) nicht falsch sein kann.

  2. Ich habe mich vertan, bin von 61% Beteiligung bei BTW ausgegangen, nicht von 71%. Deshalb nicht um 5%, sondern um 6% bei der PDL.

  3. Wenn man Gysis Rechnung auf die BTW anwendet, wäre die PDL dann überhaupt im Bundestag? Dann hätte man doch nur so um die 5%. Drüber oder drunter? Kommunisten, auch alte und ehemalige, müssen über die Fähigkeit verfügen, sich die Welt schön zu reden. Wie könnten sie sonst die triste Gegenwart und Vergangenheit ihrer Weltanschauung ertragen und rechtfertigen. Diese „Erinnerungs-und Rechtfertigungskultur“ lässt sich beispielhaft in den Diskussionsseiten des ND besichtigen. Sehr lehrreich.

  4. Die Rechnung Gysis, in Wirklichkeit hätten ja nur 54% zugestimmt, weil man alle Nichtabstimmenden und ungültigen Stimmen als Ablehnung werten müsse war auch ziemlich idiotisch. Solche schäbigen Tricks hätte ich nun von ihm nicht erwartet.

  5. Die armen SPD Mitglieder haben also nur unter „gewaltigem Druck“ laut K.K. abgestimmt, bzw. weil der Rücktritt der Parteispitze als Drohung im Raum stand. Immer wenn ein Ergebnis bei einer höchst demokratischen Wahl nicht so ausfällt, wie es sich die avantgarde so vorstellt, werden metaphysiche und andere Gründe herbei halluziniert, um sich das nicht ins eigene Weltbild passende Ergebnis zu erklären.
    Der Rücktritt stand nicht als Drohung im Raum, sondern wäre die selbstverständliche Reaktion einer Parteiführung gewesen, der die Mitglieder in der wichtigsten Entscheidung der letzten Jahre nicht gefolgt wären. Wie man dies kritisieren kann, erschließt sich mir nicht wirklich. Es sind dies womöglich die alten eingeübten bzw. übernommenen Reflexe eines Parteiverständnisses welches sich als „demokratischer Zentralismus“ tarnte, aber doch nur eine innerparteiliche Diktatur war, in der das Abweichen von der Parteilinie für mehr als nur einen Ausschluss aus selbiger Partei, die immer Recht hatte, sorgen konnte.
    Ob uns das Ergebnis passt oder nicht, es hat eine Tür geöffnet, die das demokratische Leben verändern wird.
    Und für viel Aufregung und Spannung sorgen wird. Und der gesellschaftlich-politischen avantgarde noch manch herbe Enttäuschung bereiten wird.

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