So unbedeutend die gestrige Wahl des erklärten Reformers Stefan Liebich zum Obmann der Linken im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages auch für die Bundespolitik im Grossen sein mag, so wichtig ist sie für die Einschätzung der innerparteilichen Kräfteverhältnisse und die weitere Entwicklung der Sozialisten. Der reformbereite Flügel der Partei hat damit deutlich gemacht, dass man nicht mehr gewillt ist, sich zur Aufrechterhaltung eines fragilen Burgfriedens mit den radikalen Kräften auf mehr oder wenige faule Kompromisse einzulassen. Für den kommenden Parteitag, der nicht nur die Weichen für den Europawahlkampf stellen wird, kann man daher erwarten, dass sich die Partei nicht auf das Abstellgleis des Linkspopulismus und der Fundamentalopposition wird aufsetzen lassen. Eine Mitregierungsoption in drei ostdeutschen Bundesländern und dann möglicherweise nach 2017 auch im Bund rückt damit in greifbare Nähe.
Der Sieg Liebichs bei der Abstimmung in der Fraktion und seine vorherige Niederlage bei der Nominierung im aussenpolitischen Arbeitskreis zeigen aber noch eine andere, für die Partei wenig schmeichelhafte, Tatsache in aller Deutlichkeit. Ganze 25 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR, an deren Ende die Überwindung der deutschen Teilung stand, ist Die Linke immer noch eine zutiefst gespaltene Partei. In der Fraktion und auch in der Partei stehen sich westdeutsche Radikale und ostdeutsche Reformer unversöhnlich gegenüber; unfähig zur Politik miteinander und immer willens Politik gegeneinander zu betreiben, wenn es der eigenen Seite zum Vorteil gereicht. Gysi ist und bleibt damit Bändiger einer Fraktion, die aus zwei Fraktionen besteht.
Die Linke ist damit weiterhin die einzige Partei der Bundesrepublik, die in sich die deutsche Teilung konserviert. An dieser unüberwindbaren Mauer zwischen rückwärtsgewandter Radikalität der West-Linken und reformbereitem Realismus der Ost-Linken endeten bislang alle politischen Träume der Mitgestaltung. Möglicherweise hat jetzt endlich der Reformflügel den Mut und die Kraft gefunden diese Mauer niederzureissen. Dass der Anstoss dazu wieder aus dem Osten Deutschlands kommt, mag als Laune der politischen Historie erscheinen. Es dürfte aber auch der letztmögliche Zeitpunkt für eine erfolgreiche und halbwegs friedliche Neuorientierung der Sozialisten sein. Und mit friedlichen Revolutionen hat man östlich der Elbe deutlich mehr Erfahrung.
(mb)
„Für den kommenden Parteitag, der nicht nur die Weichen für den Europawahlkampf stellen wird, kann man daher erwarten, dass sich die Partei nicht auf das Abstellgleis des Linkspopulismus und der Fundamentalopposition wird aufsetzen lassen“
Aufgrund des neuen Delegiertenschlüssels?
„. Eine Mitregierungsoption in drei ostdeutschen Bundesländern und dann möglicherweise nach 2017 auch im Bund rückt damit in greifbare Nähe.“
In zweien. In Sachsen werden die Wähler wohl kaum mitspielen.