Linke Niedersachsen rettet sich vor eigenen Abgeordneten

In den letzten zwei Jahren lief es nicht gut für Die Linke in den westdeutschen Bundesländern. Nach den Landtagswahlen der Jahre 2012 und 2013 ist man nur noch in den Landesparlamenten von Hamburg, Bremen, Hessen und dem Saarland mit einer Fraktion vertreten. Auch bei der Bundestagswahl hat man in Westdeutschland über eine Million Wähler und damit zehn Abgeordnetenmandate verloren. Damit geht nicht nur ein Verlust an politischer Gestaltungskraft, sondern auch an finanziellen Mitteln einher. Die Parteiführung in Berlin hat daher zumindest für das laufende Jahr einen strengen Sparkurs verordnet. Mit Auswirkungen vor allem auf die ohnehin klammen Westverbände der Sozialisten.

So konnte der erfolglose Landesverband in Rheinland-Pfalz nur durch eine Art Zwangsverwaltung der Bundeszentrale vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit gerettet werden. Im Saarland wurde gar, ohne Rücksprache mit der Parteiführung im fernen Berlin, ein Kredit aufgenommen, der die Finanzen des Verbandes noch über Jahre belasten wird. Aktuell befindet sich nun mit der Linken in Niedersachsen der, zumindest bis zur Niederlage bei der Landtagswahl vor 12 Monaten, einstige Vorzeigeverband der Sozialisten im Westen in akuten Finanznöten. Im Haushalt für das Jahr 2014 klafft eine Lücke von 31.000 Euro.

Auch in Hannover hat man sich zunächst, ähnlich wie im Saarland, davor gescheut, die Bundespartei um Hilfe in dieser finanziellen Notlage zu bitten. Zu tief sitzt wohl das Misstrauen im niedersächsischen Landesvorstand gegenüber einem Bundesvorstand, in dem man die Kräfteverhältnisse nicht sauber einzuschätzen vermag. Und gegen dessen Wahlkampfstrategie und Empfehlungen man sich gerade noch im Laufe des Bundestagswahlkampfes klar in Opposition begeben hat. Zu sehr hat man im September noch darauf vertraut, dass Diether Dehm als Zugpferd nicht nur die Wahl, sondern gleich den Verband am eigenen Schopf wieder ans Tageslicht zu ziehen vermag. Mit einem Sturz von über 8% im Jahre 2009 auf glatte 5% im September und dem Verlust von zwei Mandaten hat er zumindest das elektorale Versprechen nicht gehalten.

Gehofft hatte man in Hannover dann zumindest darauf, dass Dehm und die verbliebenen drei Bundestagsabgeordneten “ihrem” Landesverband zu Hilfe kommen, wenn dieser in finanziellen Nöten steckt. Es wäre für gut und zum Teil doppelt verdienende Abgeordnete ein Leichtes, so war wohl die Überlegung im Landesvorstand, dem Verband die fehlenden Mittel zur Verfügung zu stellen und damit ein von allen Seiten unerwünschtes, vermutetes Diktat des Bundesvorstandes zu vermeiden. Allerdings hat man dabei möglicherweise nicht mit dem Machtwillen der eigenen Abgeordneten gerechnet. Diese sind nur dann zur Hilfe bereit, wenn es zu ihren eigenen Bedingungen und zu ihrem machtpolitischen Vorteil im Verband ist.

In einem uns vorliegenden Protokoll der Landesvorstandssitzung vom Nikolaustag des letzten Jahres wird darüber berichtet, dass Diether Dehm, der zusammen mit den anderen niedersächsischen Abgeordneten an der Sitzung teilgenommen hat, den Vorschlag der Landesgruppe zur Lösung der Finanzierungslücke vorgestellt haben soll. Danach wären die Abgeordneten zwar bereit, bis Ende Januar die erforderlichen 31.000 Euro zu überweisen. Allerdings würde diese Nothilfe mit allen zukünftigen finanziellen Zuwendungen der Mandatsträger an ihren Landesverband verrechnet. Und zwar bis zum Ende der laufenden Legislatur, also dem Jahr 2017. Für den Landesverband somit ein haushalterisches Nullsummenspiel, das die bestehende Finanznot nur verzögert, nicht beseitigt.

Bedingung für diesen bilanztechnischen Taschenspielertrick war aber, so das Protokoll weiter, dass zum nächstmöglichen Zeitpunkt alle finanziellen Verpflichtungen des Landesverbandes beendet und auf den Prüfstand gestellt werden. Dies hätte zur Folge gehabt, dass nicht nur der Mietvertrag der Landesgeschäftsstelle zur Disposition gestanden hätte, sondern auch alle Arbeitsverträge der Hauptamtlichen gekündigt worden wären. Um danach, vermutlich zu geringerer Entlohnung und in teilweiser neuer personeller Besetzung, einen den Wünschen der Abgeordneten entsprechenden neuen Mitarbeiterstab aufzubauen. Bedenkt man dabei, dass solch eine Bedingung für eine Nothilfe von einer MdB Krellmann, die sich ihrer arbeitnehmerfreundlichen Haltung rühmt und neben ihrer Diät ein durchaus beachtliches Zubrot als Gewerkschaftssekretärin einstreicht, mitgetragen wird, lässt sich ungefähr nachvollziehen, was im Protokoll höflich mit “lebhafte, kontroverse Diskussion” umschrieben ist.

Angesichts eines solchen Vorschlags, der die Machtverhältnisse im Verband nachhaltig verändert hätte, setzt der Landesvorstand nun auf eine andere Lösung seiner Finanzprobleme. Mittels einer Spendenaktion, bei der gezielt einzelne Genossen angesprochen werden, will man die Lücke im Haushalt 2014 schliessen. Dem Vernehmen nach soll auch schon ein Grossteil der fehlenden Summe eingeworben worden sein. Für den Rest hat man, nachdem die Berliner Zentrale auf die Finanznot aufmerksam wurde, eine Zusage des Bundesschatzmeisters, dass die Bundespartei die fehlenden Mittel vorstreckt. Ohne diese Hilfe an Bedingungen zu knüpfen oder Zinszahlungen, die zu weiteren Belastungen führen würden, zu verlangen. Für die kommenden Jahre geht man mittlerweile von einer zumindest ausgeglichenen Haushaltslage aus.

Das Verhältnis zwischen dem Verband und seinen Bundestagsabgeordneten dürfte aber vorerst zumindest als angeschlagen gelten. So ist es sicher kein Zufall, dass der Landesausschuss auf Betreiben des Landesvorsitzenden Sohn dem Wunsch Dehms nach Unterstützung seines Programmentwurfes auf dem kommenden Parteitag eine deutliche Abfuhr erteilte. Um seine Loyalität gegenüber dem Bundesvorstand zu beweisen, informierte Sohn die Parteivorsitzenden noch während der Sitzung von dieser Entscheidung. Damit erhofft man sich in Hannover eine gute Ausgangsbasis, um die Landesvorsitzende und Europaabgeordnete Lösing auf einem sicheren Listenplatz für die im Mai anstehende Europawahl unterzubringen. Wäre sie doch die einzige verbleibende Abgeordnete des Verbandes, die auch in Zukunft durch Wahlkreisbüros und ihre finanziellen Mittel einen Rest von Präsenz in der Fläche gewährleisten kann.

Spätestens bei der nächsten Wahl des Landesvorstandes werden die Karten dann aber neu gemischt. Denn auch weiterhin haben die von Diether Dehm angeführten Bundestagsabgeordneten durch ihre über Niedersachsen verteilten Büros und die damit für ihnen gewogene Genossen verbundenen Arbeitsstellen im Land und in ihren Büros in Berlin eine schier unüberwindbare Machtbasis im Verband. Ob sie sich, nach ihrer Niederlage im Landesvorstand, nochmals auf einen halbwegs tragfähigen Kompromiss mit den Kräften um Sohn und Lösing einlassen werden, ist daher mehr als fraglich. Vermutlich wird der Verband zwar vorerst finanziell zur Ruhe kommen, machtpolitisch aber vor weiterhin unruhigen Zeiten stehen.
(mb)

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