Der ehemalige Bundesvorsitzende der WASG und der Linken, Klaus Ernst, hat sich in der „Berliner Zeitung“ mit einer deutlichen Kritik an der Dominanz ostdeutscher Funktionäre in der Partei und der Fraktion zu Wort gemeldet. Zehn Jahre nach der Gründung der WASG und fünf Jahre nach ihrer Fusion mit der Linkspartei zur gesamtdeutschen Linken sei, so Ernst, von der WASG personell nicht mehr viel übrig. Er sei in der Fraktionsführung mittlerweile der einzige Westdeutsche aus der ursprünglichen WASG.
In der Fraktion sieht Ernst zu viele unproduktive Flügelkämpfe. „Da streiten teilweise dieselben Leute wie vor 15 oder 20 Jahren um dieselben Fragen.“ Der Kern der WASG habe aber nie zu einem dieser miteinander streitenden Blöcke gehört und sei „zwischen ihnen unter die Räder gekommen.“ Er erinnert daran, dass erst mit der WASG auch der Zugang in den Westen kam, den die PDS seit 1990 nicht schaffte. Daher sei es 2007 auch kein Anschluss der WASG gewesen, sondern eine Fusion auf Augenhöhe, um „eine neue Partei mit Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit ohne Dominanz der einen oder anderen Himmelsrichtungen oder Strömungen zu organisieren.“
Davon sei, so ist Ernst überzeugt, allerdings nicht mehr viel übrig. „Ein Teil der Ost-Funktionäre wollte sehr schnell wieder die Macht in der Partei“ und die WASG war „wohl zu nachgiebig und auch zu naiv“, um dies zu erkennen und zu verhindern. Besonders Oskar Lafontaine, der am Erfolg der Linken massgeblich beteiligt war, habe dies zu spüren bekommen. „Was er von manchen aus der Partei erleben musste, war einfach unanständig.“
Ernst scheint bei seiner Kritik, vermutlich durchaus gewollt, zu verdrängen, dass er und auch Lafontaine und Gysi die treibenden Kräfte beim Zusammenschluss von WASG und Linkspartei waren. Über das damals sehr umstrittene Instrument der Doppelmitgliedschaften in beiden Parteien gelang es Ernst 2007 zusammen mit den westdeutschen Linkspartei-Mitgliedern, mit denen er jetzt so hart ins Gericht geht, die notwendigen Mehrheiten an der Basis und auf Parteitagen zu organisieren, die die Verschmelzung der WASG auf die Linkspartei erst möglich machten.
Schon damals wurde in der WASG durchaus vernehmbar und ernsthaft davor gewarnt, dass die Linkspartei mit ihren mitglieder- und finanzstarken Ostverbänden und ihren radikalen und kampferprobten Westgenossen vermutlich die weitaus grössten Teile der ursprünglichen Wahlalternative aus der Partei drängen wird. Und nur dort die Mitglieder integriert, die für die erfolgreiche Westausdehnung und den elektoralen Erfolg notwendig sind. Dass nun nach fünf Jahren Die Linke in Westdeutschland grösstenteils wieder auf dem alten Niveau der Linkspartei respektive der PDS angekommen ist, dürfte damit auch in der Verantwortung von Klaus Ernst liegen.
Ohnehin springt er mit seiner Kritik an einer gefühlten ostdeutschen Dominanz zu kurz. Wären die Landesverbände östlich der Elbe nicht so mitglieder- und finanzstark und bei Wahlen erfolgreich, hätte so mancher westdeutscher Landesverband, egal ob mit viel oder wenig Resten der ehemaligen WASG, schon längst den politischen Betrieb einstellen müssen. So ist es gerade der bayerische Heimatverband von Ernst, der bei letzten Landtagswahl mit 2,1% nicht mal mehr einen Achtungserfolg schaffte und der auch organisatorisch am Boden liegt. So löste sich erst kurz vor der Kommunalwahl vom letzten Sonntag der Kreisverband Würzburg faktisch auf. Gegen das seit Jahren vergiftete Klima und die politische Arbeitsunfähgkeit in seinem eigenen Verband hilft Ernsts sinnfreie Kritik an einer gefühlten Ostdominanz nicht. Und auch als Ablenkung vom bedauernswerten Zustand manche anderer westdeutscher Verbände dürfte sie weitgehend untauglich sein.
(mb)
….unabhängig von der eigenen Sichtweise von Ernst über die Ursachen der rückläufigen Parteienentwicklung in den westlichen Bundesländern und den zeitweiligen Status der WASG sollte ( und muss) man in einer Partei nach Kompetenz und sozialrelevanter Eignung entsprechende Ämter besetzen Da spielt es eine untergeordnete Rolle aus welcher Region die Stellen besetzt werden. Lediglich bei vergleichbar gleichgelagerten Eigenschaften der Bewerber sollte, aus naheligenden Gründen, eine „Flächenpräsens“ angestrebt werden