Wahlerfolg durch Weglassen und Andeuten? – Ein Kommentar zur Wahl des Bundesschatzmeisters der Partei Die Linke

Auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende erklärte der im zweiten Wahlgang siegreiche Kandidat für das Amt des Bundesschatzmeisters der Partei Die Linke, Thomas Nord, in seiner Bewerbungsrede, dass er als Mitglied der SED noch bis 1989 der festen Überzeugung gewesen sei, dass der Friede bewaffnet sein müsse. Zumindest in seinem Bewerbungsschreiben hat er dazu noch in einem Halbsatz erwähnt, dass er sich 1983 vom MfS, dem „Schwert und Schild der Partei“, als IM anwerben liess. Und im Rahmen dieser IM-Tätigkeit, dies ist dann nicht seiner schriftlichen Bewerbung, sondern dem Abschlussbericht des Bundestages zur Überprüfung seiner Stasi-Mitarbeit zu entnehmen, regelmässig Berichte über sein Umfeld und die ihm anvertrauten Personen an das MfS geliefert hat, bei denen davon ausgegangen werden muss, „dass diese Berichte für die Betroffenen gefährliche und schädigende Wirkung entfalten konnten.“ Diese möglicherweise für den einen oder anderen Delegierten durchaus neuen und eventuell die Wahlentscheidung auf dem Parteitag beeinflussenden Details sucht man in der Bewerbungsrede Nords allerdings vergeblich.

Sicher könnte man davon ausgehen, dass Nord sich seit 1989 im Rahmen seiner zahlreichen Funktionen und Mandate schon hinreichend zu diesem Teil seiner Vergangenheit geäussert hat. Aus gutem Grund gilt aber in der Partei Die Linke, gerade mit Blick auf die belastete Vergangenheit zahlreicher ostdeutscher Funktionäre, schon seit 1993 ein Parteitagsbeschluss, der fordert, dass die politische Biographie, zu der gerade auch die Beziehungen zur Staatssicherheit und die Mitarbeit im Repressionssystem der DDR gehören, von den Kandidaten vor den Gremien offenzulegen sind, die sie wählen oder bestätigen sollen. Zumindest die Ausführungen in der Bewerbungsrede Nords dürften dieser Beschlusslage, die in 2006 nochmals vom Parteivorstand bestätigt wurde, auf den ersten und auch den zweiten Blick nicht genügen. Ob der bereits erwähnte Halbsatz in der schriftlichen Bewerbung diesem Anspruch der Partei genügt, darf zumindest bezweifelt werden.

Auch angesichts der Andeutungen Nords in seiner Bewerbungsrede über dann von ihm nicht weiter ausgeführte Konflikte zwischen den Parteivorsitzenden und seinem Amtsvorgänger Raju Sharma, die dazu dienlich waren eine Stimmung des Misstrauens gegen seinen Mitbewerber um das Amt aufzubauen, ist der Parteivorstand gut beraten in seiner ersten Sitzung die Vorgänge rund um diesen Wahlgang und auch die Person Nord auf die Tagesordnung zu setzen. Ob man sich hier auf den Beschluss aus dem Jahre 1993 stützen sollte, der im Zweifel die Vertrauensfrage und das Ruhen des Amtes bis zu einer Entscheidung des Parteitages fordert, dürfte schwer zu vermitteln sein. Eher sollte der Vorgang Anlass bieten, dass der Parteivorstand über Fairness und Solidarität bei dem parteiinternen Wahlkampf um Ämter diskutiert und die Kandidaten in einem neuen, aktualisierten Offenlegungsbeschluss auf grösstmögliche Transparenz gegenüber der Partei und der Öffentlichkeit im Umgang mit der eigenen Vergangenheit im Realsozialismus verpflichtet.
(mb)

2 Kommentare

  1. Da glaubt der Autor des Artikels scheinbar Beschlüsse, Programme, Satzungen, Ordnungen etc. hätte irgendeine Relevanz für „das praktische Tagesgeschäft“. Warum immer so „dogmatisch“ ? Man muss „flexibel“ auf die Tagespolitik reagieren!

  2. „…Kollege…vertritt offen eine pazifistische Haltung.“ „Die.. tritt aktiv gegen die Wehrbereitschaft der Abiturienten ein.“ Weiterhin Denunziation eines Jugendlichen, der den Aufnäher „SCHWERTER ZU PFLUGSCHAREN“ trug. Die Verpflichtungserklärung „erfolgte „auf Grund meiner politischen Überzeugungen.“ Ein solcher Mensch hat nichts in einer solch wichtigen Position verloren, Reue hin oder her. Vor allem, wenn es sich um eine Partei handelt, die ständig anderen ihre zum Teil sehr viel länger zurückliegenden „Sünden“ vorhält. Für die „Vorhaut der Arbeiterklasse“ galten halt schon immer besondere Regeln, aber ganz sicher nicht ein Mindeststandard an menschlicher Anständigkeit, wie das Umgehen mit Raju Sharma beweist.
    „Und der Haifisch, der hat Zähne“ und hört auf den Namen Katja.

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