Seit dem gestrigen Sonntag geistert ein Aufruf „Gegen die Dämonisierung der Montagsmahnwachen“ durch soziale Netzwerke, der zu einem entspannten Umgang mit diesem von neurechten Verschwörungstheoretikern und ihrer Entourage ins Leben gerufenen allwöchentlichen Budenzauber auffordert. Darin stellen die zwei linken Bundestagsabgeordneten Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke fest, dass sie die Einschätzung nicht teilen, „dass es sich bei den Montagsmahnwachen und ihren Teilnehmern im Kern um eine (neu-)rechte Bewegung handelt.“ Ganz im Gegenteil wird nach der alten Devise, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist, eine Querfront herbeiphantasiert, die sich im Interesse des Volkes gegen die US-amerikanischen Grossbanken und Finanzinvestoren und das gesamte Finanzkapital stellt.
Normalerweise könnte man sich jetzt darüber empören, dass Dehm und Gehrcke hier versuchen die Grenzen zwischen Links und Rechts zu verwischen. Man könnte sich auch darüber aufregen, dass ihr Aufruf nur auf einem kürzeren Text ihres Fraktionskollegen Hunko basiert, der bereits von den Abgeordneten Hänsel und Leidig unterzeichnet wurde. Man könnte es auch, wie es einer der Kommentatoren zu Hunkos Erstwerk formulierte, für „Unfassbar!“ halten, dass hier eine „Aktionseinheit mit Leuten, die sonntags gegen Homo- und Transsexuelle hetzen, montags von Frieden und Chemtrails labern und dienstags vor den Unterkünften von Asylsuchenden stehen, um diese einzuschüchtern“ gesucht wird. Könnte man, muss man aber nicht.
Denn eine Lektion sollte man in der Partei Die Linke mittlerweile gelernt haben. Es ist vollkommen egal, welche Grenzüberschreitungen nach Rechts oder weit Linksaussen stattfinden. Konsequenzen muss man dann nicht fürchten, wenn man Mandatsträger ist oder als Funktionär an einer vermeintlich mächtigen Schaltstelle des Apparates fungiert. Folgenlos blieb es, dass der Duisburger Linke Hermann Dierkes sich auf einer Welle antisemitischer Ausfälle bis in die Top-Ten der weltbesten Judenhasser katapultierte. Keinen Knick in der Karriere musste auch MdB Groth fürchten, als sie gegen die „Judaisierung“ geiferte. Nur leichtes Unwohlsein war zu vernehmen, als etliche Abgeordnete der Linksfraktion eine als Hilfstransport getarnte Waffenlieferung in den Gazastreifen begleitet haben.
Der mehr oder weniger latente Antisemitismus, oder seine wie bei den von Dehm und Gehrcke hochgelobten Mahnwachen, verdaulicher verpackte Variante der Kapitalismuskritik bleibt in der Partei für die Protagonisten ohne Folgen. Es war ohnehin schon zu erwarten, dass gerade Dehm auf den Zug der montäglichen Querfront wird aufspringen wollen. Tritt doch immerhin auch „Die Bandbreite“ bei diesen Aktionen auf. Eine Kombo, die Dehm selber noch für seinen Kulturwahlkampf auf den Strassen und Plätzen Niedersachsens aufspielen lassen wollte. Dass man in diesem braunroten Dunst dann auch keine Berührungsängste gegenüber einem Jürgen Elsässer oder gar einem Ken Jebsen mehr hat, versteht sich fast schon von selbst.
Beruhigend, wenn auch unerfreulich für die Partei, ist dabei, dass diese von westdeutschen Genossen gepflegte Rechts/Links-Schwäche keinerlei belebenden Auswirkungen auf den Erfolg bei Wahlen hat. Über die mittlerweile magische Grenze von um die 8% wird diese Linke auf Bundesebene nicht mehr kommen. In den meisten westlichen Bundesländern darf sie sich gar schon unterhalb der parlamentarischen Wahrnehmungsschwelle im politischen Niemandsland ausruhen. Lediglich die immer schneller aussterbenden Ostverbände garantieren noch die ein oder andere Erfolgsmeldung, bis hin zur Regierungsbeteiligung. Allerdings dürfte die restliche Lebensdauer dieses kleinen Hilfsmotors des elektoralen Erfolges nur noch in Jahren, nicht mehr in Jahrzehnten zu bemessen sein.
Angesichts dieser Ausgangslage ist es dann tatsächlich egal, ob man sich über Dehm, Hunko und ihre Kampfgenossen empört und ob man die mangelnden Selbstreinigungskräfte der Partei Die Linke beklagt. Oder eben auch nicht. Auf längere Sicht sind die Eskapaden in die Querfront und der latente Antisemitismus schlichtweg nur eine unappetitliche Randnotiz bei der Selbstdemontage dieser als selbsternannten Hoffnungsträger gestarteten Partei. Und selbst das stört erfreulicherweise weit über 90% der Menschen in diesem Land herzlich wenig, denn sie haben nie irgendeine Hoffnung in Die Linke gesetzt. Besser ist das.
(mb)
… und mit der Luftwaffe & Frau van der Leyen als Gesprächspartnerin während der langen Flüge ein bischen in der Welt (Mali, Afghanistan, Zentralafrika) herumreisen, um dann später im Bundestag gegen „Auslandseinsätze der Bundeswehr“ zu protestieren …..
bremer: .. in den genannten „Gruppierungen“ hätten sie doch nicht die ( notwendige) Öffentlichkeit um sich „kund zu tun“ und ja, irgendwie kann man mit Mandate (dummerweise) recht gut leben…. publizieren was das Herz begehrt und dafür gibt es meist auch gutes Geld….- in diesem „parasitären, faulenden Kapitalismus“
1. Warum muss DIE LINKE (verbal) bei jedem Konflikt auf dieser Welt intervenieren ? Bei zwei Konfliktparteien liegt die Rate der Fehleinschätzung immerhin bei 50%.
2. Selbst wenn sie denn „aus weiser Einschätzung den richtigen Konfliktpartner“ erwischt hat, ist weiterhin fraglich, ob sie dabei überhaupt irgend etwas Positives erreichen kann. Ich vermut, der Anteil am Gelingen liegt bei 0%.
3. Ich habe den Eindruck, Die Linke ist immer mehr dabei, sich selbst aus dem politischen Geschehen hier in Deutschland hinauszukatapultieren.
4. Ich hatte mich bereits in der Vergangenheit gefragt, was einige „Genossen & Genossinnen dazu bewogen hatte in DIE LINKE einzutreten. Es gab doch bereits zu dem Zeitpunkt MLPD, DKP, PSG, RSB u.s.w.
Oder waren es eben doch nur die Mandate ?
Manuel,
die Erklärung von Dehm und Gehrcke war früher oder später zu erwarten. Sie ist – sozusagen – von ihren politischen Reflexen her logisch. Nun sind die beiden aber nicht DIE LINKE. Möglicherweise wird im Gegenteil diese Erklärung sogar für etwas ‚Nachdenklichkeit‘ im Lager derjenigen sorgen, die sich als Linke in der LINKEN gefallen. Deswegen ist mir deine Reaktion darauf verständlich – wenn auch vom Ende her zu resignativ. Ein bisschen Kampf für eine radikale LINKE in der Tradition der Aufklärung sollte ja schon noch sein. Und bis zu dessen Ergebnis könnte Potemkin ja mehr sein, als die Funktion einer Klagemauer abzudecken. Aber wie gesagt, die emotionale Grundierung deines Beitrags verstehe ich ausdrücklich – gerade weil mir DIE LINKE gewissermaßen eine Herzensangelegenheit ist.