Empörung und politischer Zorn könnten zur Änderung der sozioökonomischen und politischen Verhältnisse beitragen. Das wusste auch die Empörtenbewegung, die seit diesem Jahrzehnt in Europa und Amerika die herrschenden, hegemonialen Verhältnisse kritisiert und im Besonderen den Kapitalismus. Bislang gab es aber zu dieser noch jungen Bewegung wenig substantielle Literatur, eher tendenziöse Medienartikel. Die spanischen Soziologen Joseph Maria Antentas und Ester Vivas wollen dies ändern und haben das Buch Planeta indignado – Die Welt der Empörten. Ursachen und Perspektiven einer Rebellion vorgelegt; nur leider ist dieses Sachbuch ebenso tendenziös und nur wenig aufschlussreich.
Der Fokus des Buches liegt bei der spanischen Empörtenbewegung, den Indignad@s, wobei das @ zwei Buchstaben, das maskulinen O und das femininen A, symbolisieren soll – und damit beide Geschlechter umfassen will, als emanzipierte Neuerung der spanischen, patriarchalen Sprache. Auch die Bewegung des 15. Mai wird beleuchtet, aber es gibt auch immer wieder Rekurse auf die amerikanische Occupy-Bewegung und das deutsche Pendant Blockupy.
Nach einem brillanten Vorwort des politischen Philosophen Daniel Bensaïd über die globale soziale Rebellion – ob gegen Kapitalismus, Europolitik oder auch gegen arabische Despoten – geht es leider steil bergab mit Planeta indignado. Es folgt nicht einmal eine Einleitung, die Sinn und Ziel des amateurhaft geschriebenen Buches erläutert, sondern Vivas und Antentas steigen direkt in die Materie ein.
Die Intention, so kann der Leser erst aus dem Schlusskapitel erfahren, war, eine Zwischenbilanz der Bewegung vorzulegen und auszuloten, wie die Empörten sich als soziale Bewegung verhalten und ob sie de facto die angekreideten Missstände effektiv bekämpfen können. Doch leider kann man auch gleich aus dem Schluss herausdestillieren, dass diese Zwischenbilanz keine Substanz hat, nein, die Autoren fliehen in Allgemeinplätze á la „Das kann nur die Zukunft zeigen“ – es wird nicht einmal eine vorsichtige Prognose unternommen, ob die Bewegung ein revolutionäres Potential hat.
Der antikapitalistische Pathos
Das Buch ist akzeptabel unterteilt in acht Kapitel mit zahlreichen Unterkapiteln, die das Werk leichter verdaulich machen. Antentas und Vivas sehen dabei eine direkte Verbindung vom arabischen Frühling zur Welt der Empörten, jedoch ohne dies klar zu belegen, es bleibt bei mentalitätssoziologischen Prämissen, die falsch oder richtig sein können. Danach werden allerlei abstrakte Annahmen über die Bewegung geäußert und abgewogen, über die Würde oder den Internationalismus der Empörten. Immerhin wird klar genannt, wogegen die Empörten zum Teil agitieren, nämlich den Raubtierkapitalismus, den Hegemon des Neoliberalismus, die Euro-Schuldenpolitik, die daraus entstehenden Technokratien und die Krise der sogenannten Demokratie. Auch werden Teile der Bewegung besonders hervorgehoben: So gibt es ein extra Kapitel zu Feministinnen und Ökologen unter den Empörten, und es wird beleuchtet, inwiefern beides mit der Kapitalismuskritik zusammenhängt.
Was sich noch akzeptabel anliest, wird aber durch die unqualifizierte Arbeit von Antentas und Vivas vollends unterminiert. Das Buch kommt mit einem wissenschaftlichen Anstrich daher, und rezipiert auch tatsächlich sehr viel Karl Marx, Antonio Gramsci, Bensaïd oder Slavoj Žižek, aber die Abhandlung ist keinesfalls wissenschaftlich. Oft werden rein subjektiv wertende Quellen verwendet, und die Bewegung wird, auch unter kurzer und vager Nennung von möglichen Kritikpunkten, stets mit allerlei überzogenem revolutionärem Pathos über alle Maßen gelobt. So erwähnen die Autoren zwar, dass die Empörten eine heterogene Bewegung sind, aber reduzieren de facto die Gruppe immer auf den linken Antikapitalismus, der in einer globalen Welle und unisono mit dem (eigentlich weitgehend gescheiterten) arabischen Frühling ein besseres System formieren sollte.
Dabei ist keineswegs gesagt, dass die Antikapitalisten unter den Teilnehmern die Majorität ausmachen. Leider ist die Gruppe keine reine linke Formation, sondern besteht aus linksradikalen Kapitalismuskritikern, die eine radikaldemokratische Erneuerung forcieren, klassischen Sozialliberalen, die im Neoliberalismus eine Perversion sehen, aber nicht den Kapitalismus per se dämonisieren oder auch Konservativen, die durch die Krise und den Raubtierkapitalismus um ihr Vermögen und ihr sicheres System fürchten. So üben zwar die Empörten gemeinsam Kritik, aber sind möglicherweise unfähig, darauf etwas Konstruktives aufzubauen. Doch das wird unter dem antikapitalistischen Pathos bei Planeta indignado verdeckt.
Joseph Maria Antentas/ Esther Vivas: Planeta indignado – Die Welt der Empörten. Ursachen und Perspektiven der Rebellion, übersetzt von Ulla Varchmin/ Angela Klein, Neuer ISP Verlag, Köln/ Karlsruhe 2014. Taschenbuch, 186 Seiten, 19,80 Euro. Weitere Informationen gibt es unter: http://www.neuerispverlag.de/verweis.php?nr=146
Philip J. Dingeldey