Nachdem Dietmar Bartsch auf dem Kreisparteitag seines Heimatverbandes Schwerin am letztem Wochenende seine Kandidatur zum Parteivorsitz der Linken bekräftigt hat und dabei „die Notwendigkeit der Zurückgewinnung des Öffentlichen“ betonte, hat er sich am 16.4. auf seiner persönlichen Website nochmals deutlich positioniert. Neben der Betonung der Bedeutung der anstehenden Wahlen in Thüringen (es werden Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte gewählt) für die Stellung der Linken als Volkspartei im Osten Deutschlands äusserte er sich zur Personaldebatte und dem kommenden Bundesparteitag in Göttingen:
Dass wir wieder in Personaldebatten stecken, ist erklärbar doch wenig hilfreich. Dass wichtige Entscheidungen, die der Bundesparteitag treffen muss, weniger als 50 Tage vor dessen Beginn kaum eine Rolle spielen, beunruhigt mich. DIE LINKE ist in zentralen Debatten nach wie vor kaum zu vernehmen, daran konnte auch der vom Vorstand vorgelegte Entwurf eines Leitantrages nichts ändern. Mir scheint, er regt weder an noch auf. In Göttingen steht die Wahl des gesamten Parteivorstandes – und die weiterer Gremien – auf der Tagesordnung, aber Kandidaturen sind nicht bekannt. Mein Eindruck ist, die Vorbereitung des Parteitages läuft ziemlich an der Mitgliedschaft vorbei. Weil ich selbst bereits im November letzten Jahres meine Kandidatur erklärt und in diesem Zusammenhang auch inhaltliche Vorstellungen dargelegt habe, erlaube ich es mir, jetzt auch andere aufzufordern, ihre Bewerbungen für Spitzenämter in der Partei und für die Mitgliedschaft im Parteivorstand öffentlich zu machen. Der Parteivorstand, meine ich, sollte offensiver agieren.
Der Tagesspiegel berichtet hierzu, dass Oskar Lafontaine, sicher auch mit Blick auf die offenen Worte Bartschs, der sich gegen Hinterzimmerabsprachen und Vorarbeiten an der Mitgliedschaft vorbei ausspricht, erklärte, dass man „solche Dinge nicht auf dem offenen Markt austragen“ könne und sich bei ihm „Unmut über die Schwatzhaftigkeit“ der Partei bilden würde. Dem Tagesspiegel nach gilt es mittlerweile als ausgeschlossen, dass Bartsch zusammen mit Wagenknecht für die Doppelspitze der Linken kandidiert. Dieses Modell war bislang eine der denkbaren Lösungsmöglichkeiten. Wagenknecht strebt aber, so der Tagesspiegel weiter, das Amt der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und möglicherweise die Spitzenkandidatur zur Wahl 2013 an. Wie weit dies möglich ist, wird sich zeigen müssen. Wagenknecht, die über die Landesliste NRW in den Bundestag eingezogen ist, lebt mittlerweile im Saarland und wäre dann darauf angewiesen, auf dem ersten Listenplatz möglicherweise vor ihrem Lebensgefährten Lafontaine zu kandidieren. Ob der saarländische Landesverband angesichts der eigenen Querelen eine solche Lösung trägt, bleibt noch offen.
Auch die linke Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau, hat sich zur Frage der Kandidatenfindung und dem derzeitigen Stand der Linken zu Wort gemeldet. Sie erwartet, „dass diejenigen, die kandidieren wollen, ihre Karten offenlegen und ihre Kraft zugleich auf die Wahlkämpfe konzentrieren.“ Nach ihrem „Demokratieverständnis ist es ausgeschlossen, dass sich die Partei innerhalb von 14 Tagen eine Meinung bilden und dann souverän einen Vorstand wählen kann.“ Wieder darauf abzustellen, dass alle parteiinternen Strömungen und Meinungen fein austariert in dem zukünftigen Vorstand vertreten sein müssen, ist nach Pau die Garantie, dass ein solcher Vorstand sich dauerhaft gegenseitig blockiert und gerade nicht in der Lage ist, als „funktionierendes Team“ in die nächste Bundestagswahl zu führen. Mit Blick auf die möglichen Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die sogenannte „Westausdehnung“ der Partei sagte sie:
Es ging nie um eine Ausdehnung, sondern darum, kulturell sehr unterschiedlich geprägte Teile zu einer modernen und pluralen und deshalb gefragten Linken zusammenzuführen. Genau da haben wir Defizite. Es hilft nichts, wenn eine Seite versucht, die andere auszustechen. Man muss die Konflikte inhaltlich miteinander austragen. Das ist eine Frage der politischen Kultur. Deswegen brauchen wir jetzt einen Vorstand, der das kulturelle Miteinander organisiert und nicht nur darauf aufpasst, ob irgendeine Parteiströmung von der reinen Lehre abweicht.
Ob dies als Versuch eines Neustartes der Partei als gesamtdeutsche Linke zu werten ist oder aber das (ostdeutsche) realpolitisch orientierte Lager schon daran arbeitet, die Linke zumindest in den Neuen Ländern als Volkspartei (laut Umfrage vom 13.4. liegt sie bei 3% im Westen und nur noch 19% im Osten) zu erhalten, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Der aus den östlichen Verbänden gestartete „Coup“ der Linksfraktion mit der Bewerbung um Ostdeutschlands grösstes Immobilienunternehmen und die deutliche Betonung der Wichtigkeit der kommunalpolitischen Verankerung in Thüringens Gemeinden durch Bartsch könnte ein erster Hinweis auf letztere Option sein.
(mb)
Update
In einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen äussert sich Dietmar Bartsch „über die Krise seiner Linkspartei“ und fordert einen Neuanfang.
Nach dem Parteitag der Linken in Bremen steht zumindest schon ein weiterer Bewerber für den Parteivorstand fest:
Dieter Nickel (seines Zeichens
Vorsitzender der Gewerkschaft NGG in BremenGeschäftsführer der NGG Region Bremen-Weser-Elbe) bewarb sich darum, vom Landesverband Bremen für die Kandidatur zum Bundesparteivorstand ins Rennen geschickt zu werden. In seiner Vorstellung machte er deutlich, dass er sich als auch Sprachrohr des Bremer Landesverbandes sieht, der ihm wegen der konstruktiven Zusammenarbeit auch zwischen den Flügeln sehr am Herzen liegt. Er wurde mit großer Mehrheit gewählt und mit besten Wünschen zum Parteitag in Göttingen geschickt.
Seit dem 18.4. steht bei der Zeit nun auch ein Interview mit Sarah Wagenknecht online. Darin spricht sie über die anstehenden Wahlen, die Situation der Linken im Westen und erläutert ihren Standpunkt zu einer neuen Führungsspitze. Sie rät, so die Zeit, zu einem klaren Abgrenzungskurs gegenüber den anderen Parteien und kann sich auch eine Führung ohne Reformer vorstellen.
werden wir im text korrigieren. wir hatten diese angaben aus der eigenen berichterstattung der bremer linken übernommen.
(mb)
Zur richtigen Information gehört: Dieter Nickel ist nicht Vorsitzender der NGG Bremen -eine solche Funktion gibt es nicht-sondern Geschäftsführer der NGG Region Bremen -Weser-Elbe .
Rainer Münz
stimmt, allerdings hat die linke sich auf das landsmannschaftliche prinzip verständigt. kandidaten sollen ihren wohnsitz im land der liste haben.
Kleiner SAchhinweis: für die Kandidatur auf einer Landeslsite zum Bundestag ist der Wohnort irrlevant, sofern er nur irgendwo in Deutschland ist. Wenn Wegenknecht im Saarland wohn kann sie also z.B. auhc auf der Landesliste Bayern antreten. Allgemein gilt in Deutschland das Gebot (für Landes- und Bundesebene) dass man nur irgendwo im gesamten Wahlgebiet wohnen muss, aber nicht in einem spezifischen Teilwahlgebiet.