Noch vor wenigen Tagen wurde die ostdeutsche Katja Kipping, die dem reformorientierten Flügel der Partei zugerechnet wird, von der Welt zur „letzten Hoffnung der Linken“ hochgeschrieben. Die „Dresdner Hoffungsträgerin“, die sich bislang mit ihrer Idee des BGE in Partei und Programm nicht durchsetzen konnte, soll die als verknöcherte Lobby-Partei erscheinende Linke vor Wagenknecht und Lafontaine retten. Noch ist allerdings gar nicht ausgemacht, dass Kipping nach ihrer kurzen Babypause überhaupt wieder für den Parteivorstand kandidiert. Angesichts des vermuteten Wahlsiegs des Sozialisten Hollande in Frankreich und des durchaus achtbaren Ergebnis, das dem dortigen Linksfront-Kandidaten Mélenchon (er liegt mit 14% in den Umfragen auf gleicher Höhe mit der Kandidatin der rechtsextremen Front National) vorhergesagt wird, hat sie sich nun allerdings mit einer Äusserung zu Wort gemeldet, die vielleicht im innerparteilichen Überbietungswettbewerb der radikalen Maximalforderungen zieht, deren Strahlkraft in die Wählerschaft einer um die Fünf-Prozent Hürde kämpfenden Linken fraglich ist. Während Lafontaine noch die Idee der verstärken Besteuerung hoher Einkommen des Sozialdemokraten Hollande auf Deutschland übertragen möchte, orientiert sich Kipping an dem radikaleren Mélenchon und fordert die Einführung eines Höchsteinkommens. Alle Einkünfte über der Grenze von 27.000 Euro im Monat sollen mit 100% besteuert werden. Die Linke müsse den Mut haben, neue Wege zu gehen, sagte Kipping gegenüber der Welt und formuliert: „Grundeinkommen und Höchsteinkommen gehören zusammen.“ Dass sie sich damit weit ausserhalb der Beschlusslage der Partei und des Parteivorstandes, dem sie noch angehört, befindet, scheint unter dem Eindruck der hitzig nicht geführten Personaldiskussion und den drohenden Wahlschlappen nicht mehr wichtig. Ähnlich wie bei der um ihre politische Bedeutung kämpfenden FDP werden nun in der Linken die Stimmen schriller und die Forderungen schillernder. Dass sich nun auch ausgewiesene Reformpolitiker der Linken daran beteiligen, zeigt nur, dass die Überlebenskrise der Partei in ihren östlichen Hochburgen angekommen ist. Mit den im Osten wegbrechenden Wählern und einer überalterten Partei lassen sich weder 3%-Ergebnisse in den westlichen Bundesländern auffangen, noch die Truppen um Lafontaine und Wagenknecht von der Übernahme der Partei abhalten. Ungeachtet dessen, schweigt der wahlweise als Retter oder Totengräber der Linken angesehene Lafontaine noch immer über seine Kandidatur zum Parteivorsitz. Der Spiegel weiss allerdings aus Parteikreisen zu berichten, dass Lafontaine bereits Bedingungen für die Übernahme des Vorsitzes gestellt hat. Zu diesen gehört, dass der bislang einzig offen angetretene Kandidat Bartsch nur in die zweite Reihe des Parteivorstandes einziehen darf. Bartsch hingegen wollte bei einer Kandidatur Lafontaines zumindest den wichtigen Posten des Bundesgeschäftsführers übernehmen. Ob Lafontaine diese Position aber für seinen saarländischen Parteigenossen Bierbaum vorgesehen hat, der nach Spiegelinformationen eine wichtige Rolle im neuen Vorstand behalten solle, ist noch offen. Klar dürfte dagegen mittlerweile die zukünftige Rolle von Sarah Wagenknecht sein, die Gregor Gysi nach der Wahl 2013 als Fraktionsvorsitzenden im Bundestag ablösen will.
(mb)
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