Zwischentief oder Überlebenskampf? Die Linke vor den Wahlen

Nichts wirkt so anziehend wie der Erfolg, diese Binsenweisheit traf auf den Höhenflug der Linken seit 2007 zu und beschreibt aktuell sehr gut den Aufwind, der die Piraten von Wahlerfolg zu Wahlerfolg trägt. Es gibt aber auch die Kehrseite: Der Misserfolg zieht die an, die schon immer vom baldigen Schiffbruch einer politischen Idee überzeugt waren. Dies durfte die FDP erleben, die in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach abgeschrieben worden ist. Seit einiger Zeit ist auch die Linke von diesem Phänomen betroffen. Endlos erscheinende Personal- und Richtungsdebatten, eine trotz Programm noch nicht klar erkennbare Programmatik, Flügelstreitigkeiten, Antisemitismus- und Kommunismusdebatten, der noch ungelöste Konflikt zwischen den reformorientierten, mitglieder- und finanzstarken, aber überalterten Verbänden im Osten und den radikaleren, mitgliederschwachen Verbänden im Westen, ein jährlicher Mitgliederschwund, der sich in Tausenden misst und die drohenden Wahlschlappen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben die Linke nur knappe 5 Jahre nach ihrer Gründung in einen Abwärtstrend getrieben, dem sie angesichts ihrer fortdauernden Selbstbeschäftigung und des Machtvakuums an der Spitze kaum etwas entgegen zu setzen hat.

Positive Nachrichten dringen, wenn überhaupt, nur noch sehr begrenzt in der öffentlichen Wahrnehmung durch. Es scheint egal ob in Thüringen Kandidaten der Linken erfolgreich um Bürgermeister- und Landratsposten kämpfen, die Sozialisten zusammen mit der SPD in Brandenburg eine durchaus links angehauchte Realpolitik betreiben oder man sich darum bemüht über die Wiederbelebung des Genossenschaftsgedankens 11.500 Wohnungen vor der Übernahme durch Finanzinvestoren zu retten. Als Ergebnis all dieser Mühen wird die Linke trotzdem vom Wähler mit immer neuen Tiefstwerten links liegen gelassen. Erst vor wenigen Monaten wurde sie aus der 10 Jahre währenden Mitregierung in Berlin abgewählt und kämpft dort bald mit jetzt nur noch 10% Wählerzuspruch um den Erhalt des eigenen Anspruchs der ostdeutschen Volkspartei. Sollte die Linke bei den Wahlen im Mai den Wiedereinzug in die Landtage von Kiel und Düsseldorf verpassen, droht ihr zumindest im Westen der Republik der Rückfall auf Werte, mit denen auch vor 2007 schon die PDS in den alten Ländern beständig gescheitert ist.

Dass RTL zwar CDU, SPD, Grüne, FDP und Piraten im Vorfeld der NRW-Wahlen vorstellt, die Linke aber nicht, mag man als Linker lautstark verurteilen. Aus der Sicht der Medien nehmen diese nur den Trend auf, in dem sich die Linke befindet. Sie ist – sollten sich die Umfragen bewahrheiten – zwischen Elbe und Rhein vorerst auf dem Weg zurück in die politische Bedeutungslosigkeit. Die Verantwortlichen bei RTL können es sich angesichts der Wählergunst leisten, die Linke in ihren letzten Wochen als im Parlament vertretene Partei zu ignorieren. Denn sie wissen nur zu genau, dass sich nach einer Niederlage in NRW der Abwärtssog für die angeschlagene Linke nur noch verstärken wird.

Denkbar schlechte Vorzeichen für die nächsten Wahlen in Niedersachsen und auf Bundesebene, bei denen sich die Linke sehr strecken muss, um einstmals erreichte Ergebnisse zu halten bzw überhaupt den Wiedereinzug zu schaffen. Noch dürfte zumindest die Vertretung im Bundestag gesichert sein. Die aktuellen Umfragen sehen die Linke zwischen 6 und 7%, zwar weit entfernt von den 11,9% in 2009, aber immerhin noch nicht chancenlos. Wie sich dies entwickelt, wenn ein Landtag nach dem anderen verloren geht, wird sich zeigen müssen. Auch wie sich die Erfolge der Piraten (jetzt 13% auf Bundesebene) in Zukunft auswirken ist noch offen.

Die Presse zumindest hat die Linke schon jetzt als fest gesetzten Abstiegskandidaten ausgemacht. Aus CDU- und SPD-Kreisen wird kolportiert, dass man dort über eine Neuwahl des Bundestages nach der NRW-Wahl nachdenkt, um sich elegant der FDP und auch der Linken für zumindest 4 Jahre zu entledigen. Die Welt legt heute noch einmal nach und sieht bei einem Scheitern der Landtagswahlen auch die Westausdehnung der Partei als gescheitert an. Das beharrliche Schweigen des Oskar Lafontaine, der sich erst nach der Wahl in NRW zu seiner möglichen Kandidatur um den Parteivorsitz erklären will, wird zumindest von der Welt als ein Grund dafür ausgemacht, dass die Partei im Westen um ihr politisches Überleben kämpft. Nur ihm sei noch zu zutrauen, „dass er neben Gregor Gysi der einzige ist, der noch einen Großteil der Partei und ihrer Anhänger mobilisieren kann. Eine zukunftsweisende Entscheidung wäre die Rückkehr des 68-jährigen Saarländers für die Linke nicht.“ Es sei aber auch, so die Welt, ein Szenario denkbar, dass es nach einer Wahlniederlage in NRW zu einer Spaltung der Linken kommt, damit diese zumindest im Osten „als starke Regionalpartei [..] wieder eine pragmatische Politik mit möglichst viel Regierungsverantwortung in den einzelnen Bundesländern betreiben“ könne. Dieses Szenario würde zumindest in Ost-Landesverbänden diskutiert.

Natürlich weiss auch die Welt, dass eine Spaltung zwar denkbar, aber im höchsten Masse unwahrscheinlich ist. Angesichts der Situation, in der sich die Linke befindet, fallen solche Spekulationen allerdings auf fruchtbaren Boden und verstärken eine Abwärtsbewegung, die aufzuhalten die Partei aus eigener Kraft kaum noch in der Lage ist. Ein Kommentar der Neuen Presse Coburg sieht auch aus diesen Gründen das Projekt einer möglichen rot-roten Mehrheit gescheitert und stimmt in den Abgesang auf die Linke als gesamtdeutsches Projekt mit ein. Alles warte auf Oskar Lafontaine und seine Entscheidung, was er in Zukunft in und mit der Linken zu tun gedenkt. Und damit, so schliesst zumindest der Kommentar, „bleibt es wohl, wie es ist: Die Linke beschäftigt sich vor allem mit sich selbst. Was nicht weiter schlimm ist: Weil sie ohnehin nicht gebraucht wird.“ Ob diese Einschätzung der Wirklichkeit entspricht oder Wunschtraum derer ist, die vom Misserfolg der Linken schon immer überzeugt waren, bleibt abzuwarten. Die nächsten Wochen bis zu den Landtagswahlen, vor allem aber die Tage nach der Wahl in NRW und vor dem entscheidenden Parteitag in Göttingen werden zeigen, ob der Abgesang auf die Linke zu früh einsetzt. Auch im Fall der Linken könnte sich das als Wahrheit herausstellen, was die FDP in der Vergangenheit schon des Öfteren bewiesen hat, „Totgesagte leben länger“.
(mb)