Es ist noch nicht mal zwei Monate her, seit die als Hoffnungsträgerin eines neuen Aufbruchs verklärte Katja Kipping zusammen mit dem noch unbekannteren Bernd Riexinger das Steuer des schlingernden Dampfers namens Die Linke übernommen hat. In diesen wenigen Wochen hat zumindest Kipping es geschafft, in der Öffentlichkeit als würdige Nachfolgerin der zuletzt glücklosen Gesine Lötzsch wahrgenommen zu werden. Beide „erste Genossinnen“ sind augenscheinlich wahre Meisterinnen ihres Faches, wenn es darum geht, in schwierigen Zeiten für die Partei ganz persönliche Höchstleistungen auf völlig nebensächlichen Schauplätzen zu erzielen.
Lötzsch wird der Partei und der Öffentlichkeit vermutlich dadurch dauerhaft in Erinnerung bleiben, dass sie es war, die eine sinnlose Kommunismusdebatte vom Zaun brechen liess und es damit vor allem dem politischen Gegnern und den Medien möglich machte, die Partei Die Linke als Hort der Ewiggestrigen durch Presse, Funk und Fernsehen zu treiben. Kipping versucht, verfolgt man ihr Wirken seit Göttingen, ihrer Vorgängerin im Kampf um die Hoheit über den politischen Katzentisch möglichst schnell zu folgen und wirft ein belangloses Thema nach dem Nächsten in den politischen Ring.
War es zuerst ihre rein private Forderung nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, die selbst in der Linken mangels breitem Interesse nicht einmal ansatzweise mit dem notwendigen politischen Ernst diskutiert wird, folgte danach eine kurze und weitgehend fruchtlose Debatte um die gesetzliche Begrenzung von Löhnen und Gehältern auf maximal das 3,3-fache ihres eigenen Einkommens, also 40.000 Euro monatlich. Permanente Hintergrundmusik zu diesen „politischen Eintagsfliegen“ sind ihre beständigen partei- und presseöffentlichen Beteuerungen, dass Die Linke seit Göttingen in völliger bunter Harmonie und Eintracht schwelgt und sie mit ihrem Co-Vorsitzenden Riexinger die tollsten Grill- und Kochabende ihrer langen berufspolitischen Laufbahn erlebt.
Wer darauf hofft und wartet, dass Kipping sich den tatsächlichen Aufgaben der Linken stellt und Wegmarken einschlägt, um den elektoralen Abwärtstrend der Partei zu beenden, den drohenden Rauswurf aus dem Landtag in Hannover zu vermeiden oder wenigstens den stetigen Mitgliederschwund umzukehren, muss sich entweder noch gedulden oder einsehen, dass es diese Vorsitzende auch wieder nicht sein wird, die neben „starken, älteren Männern“ wie Gysi und Lafontaine oder vielleicht auch Riexinger, ihre Frau stehen kann und in Partei und Politik dauerhafte Akzente setzt.
Vielleicht ist all dies dann auch die Erklärung für ihren jüngsten „politischen“ Vorstoss. Gegenüber der „Welt am Sonntag“ hat sie nun erklärt, dass Berufspolitiker mindestens am Sonntag nicht arbeiten sollten. Einen Tag in der Woche möchte Kipping, die das Amt der Vorsitzenden freiwillig und zusätzlich zu ihrem gutbezahlten Bundestagsmandat übernommen hat, sich der Familie und all den anderen schönen Dingen des Lebens widmen können. Welche zumeist ehrenamtlich engagierten und in anderen Berufen eher mies bezahlten Genossen dann ihre Arbeit auf Parteitagen, Veranstaltungen, Demos oder in Talkshows übernehmen sollen, hat sie noch nicht verraten. Ob sie sich bei den Auftritten im Rahmen ihrer jetzt begonnen Sommertour daran halten wird, wird man sehen. Und wer weiss, mit einer weiterhin so bescheidenen Performance könnte Kipping einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Fünfprozenthürde in greifbare Nähe rückt und damit die Arbeitsbelastung der linken Berufspolitiker im Berliner Reichstag, und auch ihre eigene, nach der Bundestagswahl 2013 signifikant sinkt.
Update:
Auf dem Blog „Linkebeteiligung“ des Forum Demokratischer Sozialismus (fds) der Linken steht zum Thema ein von Luise Neuhaus-Wartenberg und Frank Puskarev bereits im Juni eingebrachter Text zur Vereinbarkeit von Beruf, politischem Engagement und Familie zur Diskussion.
(mb)