Die aktuellen Umfragen lassen vermuten, dass sich die Berliner Republik ab Herbst 2013 etwas länger wird sortieren müssen, bevor eine Regierungskoalition mit ausreichenden Mehrheiten gebildet werden kann. Angesichts des dann wahrscheinlichen Sechs-Parteien-Parlaments, ohne eine klare Mehrheit für die Fortsetzung von Schwarz-Gelb oder die Ablösung durch Rot-Grün, gewinnen die kleineren Parteien an politischem Gewicht. So verwundert es nicht, dass führende Köpfe der Linken, der Piraten und sogar der FDP sich im Sommerloch zu Wort melden, um über ihre möglichen Präferenzen nach der Bundestagswahl zu sprechen.
Den Anfang machte am 1. August der bei der Landtagswahl erfolgreiche Fraktionschef der FDP im Kieler Landtag Wolfgang Kubicki, der sich im Stern für eine Neuausrichtung seiner Partei stark macht. Nach einer möglichen Wahlniederlage im Januar in Niedersachsen könnte, so Kubicki, die Zeit reif sein, dass der bisherige Bundesvorsitzende Rösler seinen Platz räumt und der Vorsitzende der Liberalen in Nordrhein-Westfalen Lindner die FDP in eine Ampelkoalition unter einem Kanzler Peer Steinbrück führt. Kubicki selber werden hierbei Ambitionen nachgesagt, dass auch er sich zur nächsten Bundestagswahl um ein Mandat bewirbt und dann in Berlin an einer um Grün erweiterten Neuauflage einer sozial-liberalen Regierung mitarbeitet. Für seinen Vorstoss erntete er zwar Kritik aus Kreisen der Berliner und der niedersächsischen FDP, aber er erhielt auch Unterstützung aus der SPD, die mit einer gewandelten FDP die Chance sehen, einen dauerhaften Politikwechsel zu erreichen.
Die aktuell mit bundesweit 7% sicher im Bundestag gewerteten Piraten, könnten sich nach den Worten ihres Politischen Geschäftsführers Johannes Ponader ebenfalls eine Mitregierung zusammen mit SPD und Grünen oder zumindest eine Tolerierung einer Rot-Grünen Koalition vorstellen. Eine reine Oppositionsrolle seiner Partei lehnt Ponader demnach ab, da er davon ausgeht, dass der Wähler den Piraten einen klaren Auftrag zur Mitgestaltung erteilt. Mögliche Gespräche mit SPD und Grünen müssten allerdings von Transparenz, Sachlichkeit und Offenheit geprägt sein und es den Piraten ermöglichen gewisse Kernforderungen, wie etwa die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung oder die Abschaffung der Hartz-IV Sanktionen, durchzusetzen. Sollten dann auch die Mitglieder der Partei dem Ergebnis solcher Gespräche zustimmen, sieht Ponader für die Piraten in einer Koalition mit Rot-Grün die Möglichkeit „konstruktiv politisch mitzuarbeiten“.
Für die letzte der kleinen Parteien melden sich im Hamburger Abendblatt die beiden Vorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexinger, zu Wort. Auch sie könnten sich vorstellen, dass nach der Wahl 2013 eine politische Ausgangslage entsteht, die ihre Partei vor die Entscheidung stellt, ob man in eine Koalition mit SPD und Grünen eintritt, um einen „linken“ Politikwechsel zu ermöglichen. Entsprechende Signale erwarten sie vom linken SPD-Flügel, der einem solchen Dreierbündnis den Vorzug vor einer sonst drohenden Grossen Koalition gibt. Abseits möglicher Haltelinien im Parteiprogramm der Linken müssten Rot-Grün Forderungen nach der Beendigung von Waffenexporten, der Einführung eines Mindestlohnes, der Abschaffung der Hartz-IV Sanktionen und der Schaffung einer armutsfesten Rente zustimmen. Dann sei es möglich, so Kipping, „mit den Architekten der Agenda 2010, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, zusammenzuarbeiten“ um „gemeinsame politische Ziele“ durchzusetzen.
Update
SPD und Grüne haben bereits auf das Werben der Linken reagiert und stehen einer Zusammenarbeit oder gar einer Koalition auf Bundesebene weiterhin ablehnend gegenüber. SPD-Chef Gabriel erklärte dazu noch am Montag in Berlin: „Mit einer Partei, die sich – wie Herr Gysi gesagt hat – in tiefem inneren Hass miteinander verbunden fühlt, kann man nicht ernsthaft Gespräche über Koalitionen führen“ und führt das Angebot von Kipping und Riexinger darauf zurück, dass Die Linke sich „in großen Schwierigkeiten“ befindet und „versucht, sich durch Koalitionsangebote interessant zu machen.“ Die Generalsekräterin der SPD, Andrea Nahles, forderte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, dass die Vorsitzenden „erst einmal die Linkspartei auf einen regierungsfähigen Kurs bringen“ müssen und „grundlegende Differenzen in der Europapolitik“ einer Zusammenarbeit entgegenstehen. Der Chef der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, rät seiner Partei „sich auf solche Bündnisdiskussionen jetzt überhaupt nicht einzulassen“. Vielmehr haben die Niederlagen der Linken in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass es gelingen kann „SPD-Wähler, die zuletzt zu den Linken abgewandert seien, zurückzugewinnen“ und somit nicht zur Stabilisierung der Linken beizutragen. „Diese Strategie empfehle ich auch für den Bundestagswahlkampf.“, so Stegner. Auch der Vorsitzende der Grünen, Chem Özdemir, sieht keine Möglichkeit zu einer Zusammenarbeit mit der Linken. Laut der Rheinischen Post sieht er keine „realistischen Konzepte für einen ausgeglichenen Haushalt und zur Schuldenbremse“ zusammen mit der Linken und fordert eine Kehrtwende in der Europapolitik der Linke, die für ihn von „Isolationismus und Europafeindlichkeit“ geprägt ist. Zudem sei das „Verhältnis zur DDR-Vergangenheit“ nach wie vor ungeklärt.
(mb)