[Update] Den Osten stärken, um den Westen zu stärken

Die Welt scheint, angesichts der Temperaturen in der Hauptstadt und der ungewohnten Ruhe in der Partei Die Linke, am heutigen Tage tief in ein Sommerloch gefallen zu sein. Veröffentlicht wurden Spekulationen über einen angeblichen Geheimplan der ostdeutschen Spitzen der Partei, mit dem Ziel der Rückeroberung der Macht im Parteikörper. Starten sollte dieses Unternehmen mit dem Decknamen „Fair Vereinigen“, so die Welt, mit einer Offensive im geschichtsträchtigen Admiralspalast in Ost-Berlin.

Tatsächlich wird am 23. September auch eine von den Fraktions- und Landesvorsitzenden der Partei geplante Veranstaltung an diesem Ort stattfinden. Allerdings wird sie den Titel „Den Osten stärken“ tragen und nicht nur von den in der Welt als Verschwörern dargestellten ostdeutschen Spitzen organisiert, sondern auch von den beiden in Göttingen neugewählten Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger unterstützt. Beide sind, so der Thüringer Fraktionsvorsitzende Bodo Ramelow im Gespräch mit Potemkin, schon seit Beginn der Arbeiten an diesem Projekt in den gesamten Prozess mit einbezogen.

Das Projekt „Den Osten stärken“ wurde von den Fraktions- und Landesvorsitzenden der ostdeutschen Landesverbände am Rande einer Fraktionsvorsitzendenkonferenz angeregt und soll dazu dienen, die Erfahrungen der Partei aus ihrer politischen Arbeit und Mitgestaltung seit der Wende im Osten der Republik für die gesamtdeutsche Linke nachhaltig nutzbar zu machen. Nicht mehr der noch vor dem Göttinger Parteitag bestimmende Streit über die Ausrichtung der Partei, sondern konkrete linke Politik für die Menschen soll in den Fokus der Aufmerksamkeit zurück gebracht werden und die Linke damit wieder als gesamtdeutsche Partei mit Ostkompetenz in der Bundespolitik positioniert werden.

Somit soll eben gerade nicht, wie es die Welt versucht herbei zu schreiben, der Osten der Partei auf Kosten der Westverbände gestärkt werden, sondern es geht den Beteiligten darum, die Stärken der Partei im Osten auch für die notwendige Stärkung der Partei im Westen zu nutzen. Angesichts der bisherigen Wahlniederlagen und der bevorstehenden Landtagswahl in Niedersachsen ein durchaus verständliches Anliegen, da der Niedergang der Westverbände sich negativ auf die Wahlchancen zum Bundestag in 2013 auswirkt.

Das angebliche Geheimpapier, aus welchem die Welt in ihrem Artikel zitiert, hat hingegen mit der geplanten Veranstaltung und dem Projekt der Ostverbände nichts zu tun. Es sollte lediglich weit vor dem Göttinger Parteitag und Gysis aufrüttelnder Rede dazu dienen, diese vorzubereiten. Auch der Delegiertenschlüssel für den Parteitag 2014 wird nicht, wie die Welt vermutet, im Rahmen eines Coup zum Nachteil der Westverbände geändert, sondern aufgrund der dann endgültig ausgelaufenen Übergangsregelungen den tatsächlichen Mitgliederstärken in den einzelnen Verbänden angepasst. Diese Regelung und der Zeitpunkt sind aber schon seit der Vereinigung von WASG und PDS im Jahre 2007 bekannt.

Einen geheimen Plan zur Übernahme der Partei durch den Osten gibt es somit also nicht. Auch wenn man sich dies in der Redaktion des Springerverlages wünschen würde. Ein Projekt der Ostverbände zur Stärkung der Partei hingegen schon. Man darf gespannt sein, ob die Westverbände dieses Angebot zur gemeinsamen Gestaltung linker Realpolitik annehmen. Noch fehlt im Vorfeld der geplanten Auftaktveranstaltung etwas inhaltliches Futter. Es ist aber anzunehmen, dass nach den Spekulationen der Welt relativ zeitnah erste Arbeitsergebnisse dieses Projektes kommuniziert werden, da es gerade im Westen der Partei einige Genossen und Strömungen geben dürfte, die in diesem Fall eher der Springerpresse glauben und nicht den ostdeutschen Realpolitikern in ihrer eigenen Partei. Hier wäre mehr Transparenz hilfreich, um nicht selbst noch das Sommerloch zu füttern.

Update
Die ostdeutschen Landesvorsitzenden haben sich am heutigen Freitag mit der Erklärung „Mit den Stärken des Ostens für eine starke gesamtdeutsche LINKE“ zum Thema zu Wort gemeldet. Im Neuen Deutschland finden sich weitere Hintergrundinformationen zu den Planungen in der ostdeutschen Linken. Die Junge Welt hingegen nimmt die Spekulationen der Welt für bare Münze, da dieses Springerblatt über „einen besonderen Draht in bestimmte Zimmer des Karl-Liebknecht-Hauses“ verfüge und man sich wohl durchaus einen Putschplan der „Ostnomenklatura“ und der „Vertrauten von Dietmar Bartsch“ vorstellen möchte.
(mb)

3 Kommentare

  1. Wirklich ein Sommerloch?
    Die zweite Auflage eines Streites wie vor Götingen?
    Wer hat sich das ausgedacht?
    Ist das die Steigerung von Wahnsinn?
    Der gute Gehilfe WELT-ONLINE?

  2. Kleine Anmerkung zum Beitrag: Gestern(16.8) gab es eine intensive Telefonkonferenz zwischen den beiden Vorsitzenden und allen LV und FrakVor aus den Neuen Ländern – dabei wurden die Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden vereinbart und die Zielstellung der Konferenz erläutert. Einen fertigen Aufruftext gibt es noch gar nicht und das sogenannte „Strategie Papier“ ist es nie gewesen!

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