An diesem Samstag tritt in der Stadthalle Ludwigslust der dritte Landesparteitag der Linken in Mecklenburg-Vorpommern zu seiner dritten Sitzung zusammen. Zur Abstimmung stehen ein Leitantrag des Landesvorstandes unter dem Titel „Soziale Gerechtigkeit und Demokratie zurückgewinnen! In Mecklenburg-Vorpommern. Im Bund. In Europa. NUR MIT UNS!“ vor, der die Linie der Partei für die Kommunal- und Europawahlen in 2014 und die Landtagswahl in 2016 vorgeben soll und ein Antrag der Landtagsfraktion zur Fortschreibung des Leitbilds MV2020+ in Vorbereitung der Kommunalwahl. Für kontroverse Debatten dürften aber zwei andere Anträge sorgen.
Die Linksjugend [’solid] will über einen Antrag beraten und beschliessen lassen, der das Rotationsprinzip für langjährige Abgeordnete fordert. Abgeordnete auf Landes-, Bundes- und Europaebene sollen nur noch für maximal zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden ihr Mandat ausüben dürfen. Damit soll, so die Linksjugend, die Nähe zu den Bürgern und zur Parteibasis gewahrt werden. Direktmandate sollen demnach von dieser Rotation ausgenommen werden, da diese ohnehin „ein Zeugnis der BürgerInnennähe“ darstellen. Gegenüber der Presseagentur dapd sagte der Landesvorsitzende Steffen Bockhahn bereits, dass er wenig Chancen für diesen Antrag sieht. Zumal er den Verlust der Bürgernähe durch ein langjähriges Mandat für nur sehr bedingt belegt hält. Eine solche Regelung sei ohnehin aus wahlrechtlichen Gründen nur über eine freiwillige Selbstverpflichtung der Abgeordneten zu realisieren.
Deutlich mehr Zündstoff liegt in einem Antrag des Landesvorstandes und einem Gegenantrag des betroffenen Kreisvorstandes zur Fusion des Kreisverbandes Stralsund mit dem Kreisverband Vorpommern-Rügen. Im Zuge der Kreisgebietsreform 2011 hatte sich für jeden der sechs neuen Landkreise und für die kreisfreien Städte Rostock und Schwerin jeweils ein Kreisverband der Linken gegründet. Einzig der Kreisverband der ehemals kreisfreien Stadt Stralsund verweigerte seither die satzungskonforme Fusion. Diese satzungsrechtlich notwendige Zusammenlegung will der Landesvorstand nun über einen Beschluss des Landesparteitags zum 16.9.2012 zwangsweise herbeiführen.
Die noch amtierende Kreisvorsitzende des Kreisverbandes Stralsund vermutet allerdings hinter dem Antrag zur Auflösung und Fusion einen direkten Angriff auf ihre Person und Stellung in der Partei und eine Massregelung durch den Landesvorstand. Die Kreisvorsitzende Marianne Linke war 2011 in die Kritik geraten, als sie auf dem Landesparteitag am 13.08.2011 einen Eklat auslöste, weil sie die Schweigeminute für die Maueropfer boykottierte und stattdessen den 140. Geburtstag von Karl Liebknecht für gedenkenswerter hielt.
In der Folge wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen die frühere Sozialministerin und langjährige Landtagsabgeordnete Marianne Linke beantragt. Obwohl dieser Antrag zurückgezogen wurde, scheiterte Linke dann bei der Landtagswahl im vergangenen September als Direktkandidatin im Wahlkreis 25. Der erklärten Kritikerin des aus ihrer Sicht zu reformorientierten Vorstands um den Landesvorsitzenden Steffen Bockhahn und Fraktionschef Helmut Holter blieb als einziges Parteiamt der Posten der Kreisvorsitzenden in Stralsund.
Sollte der Landesparteitag am Samstag der Auflösung des 140 Mitglieder zählenden Kreisverbandes zustimmen, erwägt der Kreisvorstand dagegen eine Klage vor einem ordentlichen Gericht einzureichen. Juristisch vertreten wird der Kreisvorstand in dieser Frage von Peter-Michael Diestel, dem ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister des Inneren im letzten Kabinett der DDR unter Lothar de Maizière.
Update
Nach einer Meldung des NDR hat das Landgericht Schwerin durch eine einstweilige Verfügung entschieden, dass der Parteitag am Samstag nicht über die Zwangfusion des Kreisverbandes Stralsund abstimmen kann. Der Rechtsanwalt von Marianne Linke, Ex-DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel, zeigte sich erleichtert, dass eine solche Zwangsfusion, die es „zuletzt unter Stalin gegeben habe“ im Vorfeld verhindert werden konnte. Landeschef Bockhahn äusserte gegenüber dem NDR in Richtung Linke: „Sie hat keine Interesse an einer Einigung und ist nur auf Sabotage aus“. Der Landesparteitag soll jetzt auf Antrag des Landesvorstandes beschliessen, dass die Frage der Fusion gerichtlich geklärt wird.
(mb)