Nachdem der linke Flügel der Linken in Reaktion auf den Fraktionsbeschluss „Entschieden gegen Antisemitismus“ die mediale Hoheit über den Stammtischen und in den Gazetten (von bürgerlich bis radikal) übernommen hat, rudert der Fraktionsvorsitzende nun zurück.
In der Frankfurter Rundschau und im Neuen Deutschland erklärt ein sichtlich von der Wucht der innerparteilichen Reaktion überforderter Gysi nicht nur, wie der getroffene Beschluss zu verstehen sei, sondern es wird ein neuer noch nicht weiter konkretisierter Beschluss in Aussicht gestellt, der in die nächste Sitzung der Fraktion eingebracht werden soll. Angesichts seiner Äusserungen im ND, dass er „grundsätzlich nichts“ gegen eine Beteiligung an der sogenannten Gaza-Flotille habe und die Verknüpfung der im Beschluss abgelehnten Positionen mit dem Titel und der Einleitung des Beschlusses gegen Antisemitismus „keineswegs beabsichtigt“ sei, kann davon ausgegangen werden, dass Gysi die Fraktion zu einem schriftlichen Kniefall vor der Empörung des linken Parteiflügels bewegen möchte.
Wer die hilflosen bis gar nicht sichtbaren Reaktionen der realpolitischen Kräfte in der Linken auf diese internen Anfeindungen verfolgt hat, musste einen solchen Schritt erwarten. Warum Gysi auch jetzt immer noch kein Wort über den Antrag der Linksfraktion zur Anerkennung eines palästinensischen Staates im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung verliert, wird vorerst sein Geheimnis bleiben. Warum der reformorientierte Teil der Partei dies nicht zum Thema macht, ist wohl der eigenen organisatorischen Schwäche geschuldet und folgt, wie Gysis Vor & Zurück in dieser Frage, keinem koordinierten Plan.
(mb)
Als Nachtrag Gysi im taz-Interview http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/wir-muessen-der-kritik-grenzen-setzen/
Nachdem wir schon den Titel „antideutsch“ gern angenommen und als Kompliment verstanden haben, finde ich aber auch die Bezeichnung „wiederlich“ sehr schön und gelungen. Krieg ich das Copyright, Herr Weber?
Die Antisemitismusdebatte und ihre Folgen sind doch nur Ausdruck des Flügelstreites über Wege und Ziel der Partei. Wir werden weiterhin über die Debatte mit ihren unschönen Folgen berichten, aber natürlich auch die Hintergründe benennen. Dies wäre übrigens vielen Diskutanten beider „Seiten“ zu empfehlen, um eine wirkliche Diskussion über die Zukunft der Partei führen zu können.
Vielleicht solltet ihr von der Potemkin einmal ein Stück zurückrudern. Die Antisemitsmus-Debatte nimmt immer seltsamere Blüten an. So hat jüngst Götz Aly im Deutschlandradio behauptet, daß Franz Mehring ein Antisemit gewesen sei. Natürlich ist das vollkommener Blödsinn und läßt sich durch die historische Literatur auch nicht belegen, aber es passt gut zum Zeitgeist, der jetzt den gesamten Sozialismus als antisemitisch verdammen möchte.
Mit Euren Postings schüttet Ihr nur noch Öl ins Feuer. Der Fraktionsbeschluss war dämlich, denn als Reaktion auf die Antisemitismusvorwürfe taugte er nichts und zudem vermengt er Sachen, die nicht zusammengehören. Aber Ihr wollt ja auch offenbar keine vernünftige Debatte haben, sondern auf einen Teil der Partei eindreschen, den Ihr so schön immer als „Linksreaktionär“ betitelt. Cui bono?
Das ist auch gut so!
In Hong Kong ist man(n) weit wech!
Welchen Rat gibt dir die Blume im Wind?
Linda schrieb es schon es ist Ihre Entwicklung die man nur mit Rat begleiten kann. Das beste was man diesem Konflikt raten kann ist halt zunächst die Zweistaaten Lösung um so der eigenen fehlenden Identität die nötige Entwicklung zu lassen. Was daraus entsteht liegt bei Ihnen. Ich für mein Teil bevorzuge jedenfalls die Auflösung von National Staaten und nene sie jetzt schon Kulturelle Lebensgemeinschaften.
Die Blume im Wind ist ja auch nicht ratlos. Aber die blüht wenigstens schön…
Ich bin nicht ratlos.
na das trifft ganz offensichtlich auf den ehemaligen mdb rolf köhne auch zu. zumindest begleitet er ja seit beginn den kreisverband hannover der linken und auch vormals der pds. und es ist mit ausnahme der „ära“ korte ein einziges trauerspiel. ein über jahre gescheiterter versuch als ehrlicher makler aufzutreten!? da hilft auch nicht der verweis auf vermeintliche persönliche defizite von ausgetretenen.
„ich tippe da eher aus eigener erfahrung auf zunehmende ratlosigkeit“. Leider wird es genau so sein. ALLE, die einst mal wegen vorgeblicher persönlicher Qualitäten ein Mandat bekommen haben, sind „zunehmend ratlos“.
mann/frau schaue einmal genau hin. die politikerin pau bzw. der politiker liebich zeichnen sich aus durch eine politik, die ganz offensichtlich mehrheitsfähig in der gesellschaft ist. beiden ist es gelungen bei den letzten bundestagswahlen ein direktmandat zu eringen. beide sind in ihren arbeitsbereichen ausgewiesene fachleute, die parteiübergreifend anerkennung finden. das mag ja kritisch gesehen werden, ist aber dennoch richtig und gut. beide könnten auch in meiner partei sein, sie sind es aber nicht. sie werden ihre gründe haben, auch wenn ich es gern anders hätte 🙂 . sollten sie und bartsch einmal tatsächlich gehen oder aber rausgeekelt werden, dann hat sich die linke endgültig politisch verabschiedet. wohin es dann geht, macht der jüngste essay von diether dehm vor mitgliedern der linksjuegend/solid niedersachsen deutlich. zurück zu dkp wahlergebnissen.
potemkin kritisiert die reformerInnen des fds hart und wirft ihnen konzeptionslosigkeit vor. ich tippe da eher aus eigener erfahrung auf zunehmende ratlosigkeit, denn letztendlich gibt es in diesem konflikt keine einvernehmliche lösung, es gibt nur formelkompromisse wie das dehm-nord-liebich-gehrke papier. sie sind das papier nicht wert, da sie nur zukleistern und vertagen. diese erkenntnis ist gereift und auch gysi hält den laden kaum noch zusammen. das was potemkin vom fds fordert ist die kampfansage an die „linksreaktionäre“! das allerdings führt zwangsläufig zum big bang. dass mann/frau sich das zweimal überlegt, scheint verständlich zu sein. nur wenn diese ansage nicht kommt, dann haben in der perspektive die dehms, högers, buchholz und wie sie alle heißen das sagen. keine schöne perspektive. das wiederum ist nicht (mehr) mein problem.
Entschuldigung, natürlich Rolf!
Im Meer (wiederlicher) antideutscher Kakophonie und „antiimperialistischer“ Schlichtheit eine wohltuend differenzierter Beitrag. Danke Ralf!!!
Ich frage mich ja immernoch, warum sich Menschen überhaupt in diesen Konflikt einmischen.
Helfen kann man da eh in keiner Art und Weise. Entweder die reissen sich zusammen oder sie lassen es bleiben. Aber machen müssen die es selbst.
Ich finde Menschen, die sich da auf eine Seite schlagen einfach nur … „schräg“.
Und ich weiss nicht, warum die Linke gerade mit diesem Thema punkten will, wo es doch ein so obskures, fragwürdiges ist. Das habe ich noch nie verstanden.
Und diese Debatte nun ist einfach ein Schluss der daraus folgt.
Wenn unser Gregor da nun aber auch noch anfängt ambilvalent, konfus und nicht-eindeutig zu werden… Gott, dann kann ja keiner mehr ahnen wo das hinführt.
…
Das Problem in der Partei Die Linke ist hier, dass man sich gegenseitig einseitige Parteinahme vorwirft.
Der Nahostkonflikt ist zu komplex für einfache Lösungen.
Kritik an der Politik Israels ist nicht per se antisemitisch. Genausowenig hat bedingungslose Solidarität mit den palästinensischen „Freiheiskämpfern“ wie der Hamas etwas mit linker Friedenspolitik zu tun.
Das wird niemand in Abrede stellen, aber immer wieder gern den „Anderen “ unterstellt.
Der Misstrauenskonflikt in der Linken ist auch ganz schön komplex….Da hätte man genug zu tun!
Der Beschluss der Fraktion mit den drei Feststellungungen – kein Boykott, keine Ein-Staaten-Dabatte, keine Beteiligung an der diesjährigen Gaza-Flotille – unter der subsumierenden Überschrift „gegen Antisemitismus“ lässt die Interpretation zu, dass ein „pro“ zu diesen Punkten Antisemitismus ist. Das ist durchaus problematisch. Wenn man eine Person des Antisemitismus bezichtigt, dann stellt man sie an den modernen Pranger. Man bestraft sie also – und dies auf mittelalterliche Weise. Das berührt die Frage der Rechtsstaatlichkeit, des Beweises und des Prinzips „in dubio pro reo“. Wenn das o.a. potentielle Missverständnis des ansonsten richtigen Beschlusses nun korrigiert werden soll, dann kann ich darin keinen „Kniefall“, vor wem auch immer, erkennen.
Noch weniger zu erkennen vermag ich in Bezug auf diese Problematik einen „linken Flügel“ oder „realpolitische Kräfte“. Wer soll das sein? Um es zugespitzt zu formulieren: Wo ist das „linke“ Moment bei Höger, Groth und Co – und welche Realitätsvorstellungen haben z.B. Liebich und Pau?