Linke fordert „Agenda für soziale Gerechtigkeit“

Zehn Jahre nach dem Start der rot-grünen Agenda 2010 und zwei Tage nach der Vorstellung des Wahlprogrammes der SPD haben die beiden Vorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexinger, und der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, eine Bilanz gezogen und „Bausteine einer neuen Agenda für soziale Gerechtigkeit“ präsentiert. Der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge stellte mit ihnen zusammen in Berlin die Ergebnisse der von ihm im Auftrag der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Sozialisten erstellten Expertise „Gerhard Schröders Agenda 2010 – 10 Jahre unsoziale Politik“ vor.

Um den Gerechtigkeitsstau aufzulösen, schlägt Die Linke einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde, die sofortige Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes von 382 auf 500 Euro, eine Angleichung der Renten in Ost und West bis 2017 und eine Mindestrente in Höhe der Armutsrisikogrenze von derzeit 1050 Euro vor. Diese Forderungen aus dem noch zu verabschiedenden Wahlprogramm der Linken sollen bis 2020 umgesetzt werden. Ziele bis 2020 sind auch, dass kein Vollzeitbeschäftigter weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient und mehr als 80 Prozent aller Arbeitsverhältnisse unbefristet und mit vollem Kündigungsschutz ausgestattet sind.
(mb)

9 Kommentare

  1. Es geht um eine Mindestsicherung. Alle Nettolöhne unter 1050 Euro werden dann durch den Staat aufgestockt, anders gesagt, die Subventionierung der Unternehmen, die niedrige Löhne zahlen, wird noch weiter ausgebaut. Die Alterntaive dazu sind nicht noch niedrigere Sätze eines Existenzminimums, sondern ein gesetzlicher Mindestlohn, der diese Lohnsubvention zugunsten der Unternehmen weitgehend ausschaltet. Diese Regelung nutzt den Erwerbslosen zunächst nichts, weil sie den Mindestlohn nicht bekommen. Ich verstehe den Begriff „sanktionsfrei“ so, dass Erwerbslose angebotene Arbeitsverhältnisse ablehnen können,ohne dass es zu Kürzungen oder gar Streichung der Mindestsicherung kommt. Es geht um die Finanzierung eines bescheidenen Lebens ohne Erwerbsarbeitszwang und zwar aus Steuermitteln. Fordern kann die Partei das ohne weiteres. Hinter einer solchen Forderung steht aber auch eine bestimmte Vorstellung von der zukünftigen Arbeitsgesellschaft, als einer Gesellschaft, der die Arbeit ausgeht oder ausgehen soll, die aber trotzdem so reich ist, dass sie den Menschen ohne Erwerbsarbeit eine Grundsicherung spendieren kann, so wie den Rentiers ohne Erwerbsarbeit auch respektable Einkommen aus Zinsen zuwachsen. Wenn diese Idee dahinter steht: dann ist das ein populärer (und ziemlich alter) Irrtum – da war ich mit meinem Hinweis auf das bedingungslose Grundeinkommen schon auf der richtigen Spur. Ich lese den Einwand von Krämer eher so, dass er meint, dass diese Bitte bei der Mehrheit der Wähler/innen nicht so gut ankommt. Das sehe ich auch so. Krämer glaubt noch an Wahlchancen, andere dagegen glauben daran, dass die aus ihrer Sicht richtigen Forderungen zum Wahlerfolg führen. Ich halte einen solchen Erfolg in diesem Fall für sehr bescheiden. Weit unter 5%.

  2. Doch. Der Beitrag geht auf das Kombilohnproblem ein. Nur halte ich die Argumentation für schräg, dass eine hohe Grundsicherung das Problem verstärken würde. Wir wissen doch, dass das ausufernde Kombilohnmodell erst mit Hartz IV möglich wurde. Einerseits durch die Zwangsverordnung von miesen Jobs, aber doch vor allem durch die viel zu niedrigen Regelsätze. Wenn jetzt plötzlich argumentiert wird, hohe Sätze fördern das Problem, müsste man von dieser Warte aus für die Senkung des ALG II eintreten. Ich hoffe, dass das niemand in Erwägung zieht. 1050 Euro mögen für viele nicht viel sein, es reicht ja auch nur für ein bescheidenes Leben, aber eben genug, um miese Jobs nicht machen zu müssen. Um ein bedingungsloses Grundeinkommen geht es hier auch nicht.
    Besonders fraglich ist aber die eingeschränkte Argumentation: Da werden diejenigen, die Transferleistungen beziehen müssen lediglich als taktische Masse gesehen, um Missverhältnisse bei deutschen Gehältern zu regulieren. Das ist arm. Gewerkschaften sollten sich besser um ihre Attraktivität bei prekär Beschäftigten kümmern, sie sollten anständige Tarifverträge aushandeln, statt ständig vor der neoliberalen SPD zu kriechen und für den „Standort Deutschland“ eintreten. Miese Gehälter werden nicht besser, wenn Millionen Menschen weiterhin an der Existenzgrenze leben, sondern durch Mindestlöhne, kampfbereite Beschäftigte, bessere Gesetzgebung und vor allem starke Gewerkschaften.

  3. Wer eine allgemeine Grundsicherung oder ein bedingungsloses Grundeinkommen ablehnt, wie z.B. Ralf Krämer, ist deshalb kein Anhänger von Hartz IV. Es gibt noch andere Alternativen zum Arbeitslosengeld II als ein allgemeines oder bedingungsloses Grundeinkommen. Ich weiß, dass unter den Anhängern dieser Partei für viele die Welt einfach ist, es gibt nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß oder Hartz IV versus Grundeinkommen. Das müssen wir hinnehmen. Auf das inhaltliche Argument von Krämer wird auch in dem Beitrag von EmaLi nicht eingegegangen. Wenn jeder Mensch ein Grundeinkommen von rund 1000 Euro erhält, wird es für die Unternehmerseite in den Bereichen des Arbeitsmarktes, auf denen die Arbeitskräfte eine schwache Verhandlungsposition haben, noch einfacher als bisher, niedrige Löhne durchzusetzen, weil die ihre Arbeitskraft anbietenden Menschen bereits über eine Grundsicherung verfügen, auf dessen Basis dann vielciht ein Lohn von 500 bis 1000 Euro für Vollzeitarbeit existenzsichernd sein kann. Dieser gedachte Zusammenhang ist es, der auch bestimmte einzelne Unternehmer zu Fans eines Grundeinkommens macht. Wir wissen, dass ein Grundeinkommen als „negative Einkommensteuer“ seit 1960 zum Forderungskatalog der monetaristischen Wirtschaftsdoktrin (Milton Friedman) gehört. Diese Übereinstimmung verstehe ich nicht als Gegenargument, sondern nur als kleinen Hinweis zum Nachdenken. Die Welt ist nicht so einfach, wie wir sie uns gerne machen. Reduktion von Komplexität ist notwendig, aber nicht so radikal.

  4. wie das kind heisst ist doch egal. die sanktionen müssen weg, der satz deutlich erhöht und das leistungsangebot muss überarbeitet werden. sonst kommt nachher noch jemand auf den trichter und führt arbeitslosen- und sozialhilfe wieder ein unter beibehaltung des hartz-iv instrumentariums.

  5. Für Hartz IV zu sein, widerspricht jeder linken Programmatik – abgesehen davon, dass die Agenda 2010 ohnehin als menschenunwürdig zu bezeichnen ist.

  6. kurzer einwurf. die wasg wurde als antwort auf die agenda 2010 gegründet. die linke ist dann 2007 durch die verschmelzung der wasg mit der pds/linkspartei entstanden.

  7. Hartz IV ist und bleibt ein politisches Verbrechen weil die Auswirkungen verheerend sind. Egal, wie lange man gearbeitet und eingezahlt hat, hier wurden Menschen wissentlich beschädigt. Selbst das Schonvermögen konnte diesen Sachverhalt nur sehr wenig ändern.
    Für sehr wenige war Hartz IV ein Segen, für die meisten sehr fatal.
    Die Regierung Schröder / Fischer war mit Abstand die schlechteste Regierung seit dem zweiten Weltkrieg,
    Wer mit diesen Politik-Baditen eine Bündnis gestalten möchte gefährdet endgültig das linke Projekt, das leider
    schon auf der Kippe steht. Nur durch die Agenda 2010 ist die Linke gegründet worden. Wegen einer weiteren Namensänderung ist die Linke nicht entstanden. Soviel zu den s.g. Reformern.
    Die nächste Generation sollte wirkliche linke Politik organisieren.

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