Welches Konzept hat DIE LINKE für Zypern?

Am Dienstag vergangener Woche debattierte das zypriotische Parlament in einer teils hitzigen Debatte die ersten, ursprünglichen Vorgaben der Troika zur Rettung des Insel-Bankensystems. Das Ergebnis liest sich so: Kein einziger Parlamentarier votierte für das sogenannte Rettungspaket (einmalige Abgabe auf Kontovermögen ab 20.000 Euro von knapp sechs Prozent und ab 100.000 Euro von knapp zehn Prozent). Abgeordnete der rechtskonservativen Regierungskoalition enthielten sich, die Opposition votierten gegen das Spardiktat. Damit hatte Zypern vorerst dem neuen und völlig unregulierten Rettungsmechanismus, nach dem auch Kleinsparer mit ihren Kontoeinlagen zum Ausgleich von Bankdefiziten herangezogen werden sollen, eine Absage erteilt. Das Aufatmen dürfte auch in Lissabon, Madrid, Rom und Athen deutlich vernehmbar gewesen sein. Denn im Falle einer Zustimmung des zypriotischen Parlaments zu den ersten Kürzungsdiktaten der Troika hätte nicht ausgeschlossen werden können, dass auch Kleinsparer und Bankkunden in weiteren EU-Mitgliedsländern zukünftig für die Bankenrettungen mit ihren Konto“vermögen“ herangezogen würden.

Die Aussagen des deutschen Bundesfinanzministers, Dr. Wolfgang Schäuble (CDU), im Bundestag – dessen Zustimmung Schäuble zur Umsetzung des „Abgabepakets“ benötigt hätte – wonach die Troika über keinen Plan B im Falle eines negativen Votums in Nikosia verfügen würde, offenbarten nicht Hilflosigkeit, sondern die Weigerung nach einer sozialen Alternative zur Rettung von krisengeschüttelten EU-Ländern zu suchen. Zum zweiten ist die Negierung einer alternativen Lösung nichts anderes als eine unverhohlene Drohung in Richtung Zypern. Die Sache war also noch lange nicht vom Tisch.

Am letzten Montag nun kam ein neues, zweites Rettungspaket auf den Tisch des zypriotischen Parlaments, nachdem Russland es abgelehnt hatte, mit weiteren Krediten das EU-Mitgliedsland zu stützen. Demnach sollen Kontoguthaben bis 100.000 € geschützt werden, Kontoeinlagen darüber werden mit 30 bis 40 Prozent einmalig besteuert. Zudem wird die zweitgrößte zypriotische Bank, die Laiki-Bank aufgespalten, in eine sogenannte „good bank“ und eine sogenannte „bad bank“. (Ausländische) Vermögensbesitzer und Anteilseigner werden so zur Kasse gebeten und die Konten mit Vermögen unterhalb der 100.000 Eurogrenze in die Cyprus Bank überführt. Damit soll die größte zypriotische Bank, die Cyprus Bank, rekapitalisiert werden. So soll Zypern rund sieben Milliarden Euro zusammenholen, während von der Troika zehn Milliarden als Stütze gewährt werden. Das alles ist aus linker Sicht nicht Fisch und nicht Fleisch. Zwar wird so der Bankensektor etwas geschrumpft, aber eben nicht ausreichend. Zwar werden die Kleinsparer nun doch geschützt, dennoch ist in den kommenden Monaten mit Rezession und steigender Arbeitslosigkeit zu rechnen und ein Investitionsprogramm ist am Horizont nicht erkennbar. Dieses Vorgehen ist aus meiner Sicht unverantwortlich. Mit der gleichzeitigen Kontrolle des Kapitalverkehrs, vor allem ins Ausland bzw. dessen Begrenzung ist ein erster, wenngleich längst nicht ausreichender Schritt getan. Die Steueroase Zypern mitten in Europa ist damit nicht ausgetrocknet worden und die großen Geldbewegungen vor dem ersten Krisentreffen in Brüssel zwischen Troika und zypriotischer Regierung konnten ebenfalls nicht verhindert werden. Die EU selbst sträubt sich noch immer, das Ihre zu tun und europaweite Finanztransaktionssteuern und eine europaweite Vermögenssteuer einzuführen.

Wie positioniert sich nun DIE LINKE?

DIE LINKE im Bundestag hat von Anfang an klar gemacht, dass sie die Auflagen der Troika ablehnt, nicht erst im Falle Zyperns. Ebenso unstrittig war die Ablehnung der (ersten) geplanten Zwangsabgabe für Kontoinhaber ab einem „Vermögen“ von 20.000 Euro. DIE LINKE setzt dagegen in Deutschland auf eine Vermögenssteuer und europaweit auf eine sogenannte Vermögensabgabe, die zur Krisenbewältigung und zur Reduzierung der Verschuldung genutzt werden soll. Ganz generell gilt, dass besonders die Bankeigentümer und Großanleger bzw. (ausländischen) Gläubiger zur Krisenbewältigung finanziell herangezogen und die Banken verstaatlicht und somit gesundgeschrumpft werden sollen. Das isländische Modell wird also präferiert. In Teilen wurde dieses mit den Nachverhandlungen in Brüssel und dem zweiten „Rettungspaket“ diese Woche umgesetzt.

In Bezug auf Zypern ist die Sache aber eben dann doch nicht ganz so einfach. Denn laut Europäischer Zentralbank finanzieren sich die zypriotische Banken mehr durch Einlagen als durch Bankgläubiger. Zum zweiten ist bislang nicht öffentlich, wie viele Nicht-Zyprioten Konten bei zypriotischen Banken haben. Zu vermuten ist – auch angesichts der Bevölkerungsstatistik (838.897 Einwohner, davon 179.547 Ausländer) –, dass auch viele Griechen Konten in Zypern besitzen könnten, ganz zu schweigen von britischen Staatsbürgern, die ihren Lebensabend auf der Mittelmeerinsel verbringen. (Dies ist auf der Insel kaum zu übersehen) Zypern gehörte bis 1960 zum kolonialen Erbe Großbritanniens und noch heute verfügt das britische Militär über zwei Basen auf der Insel. Zypern ist bekannt und beliebt bei den Briten (es regnet hier einfach weniger). Und nicht wenige dürften auch deshalb über Konten in Zypern verfügen. Unter diesen sind vielleicht nicht nur Oligarchen und Vermögensmillionäre. Zusätzlich sind auf der Insel rund 3.000 britische Militärangehörige stationiert, welche zu der Zeit als die Banken auf der Insel geschlossen waren, eigens mit Bargeld via Luftfracht aus London versorgt werden mussten. Dabei soll es sich allein um eine Million Euro gehandelt haben. Es stellt sich also nachwievor die Frage, was mit diesen Konten ausländischer Einleger im Kontext der Forderung der LINKEN nach einer isländischen Lösung passieren würde? Aber dies ist vielleicht sogar zu vernachlässigen, ein Nebenaspekt also.

Viel interessanter ist die Tatsache, dass auch in den Reihen der Linkspartei mit vielen unterschiedlichen Zahlen jongliert wird. Zentrale Frage: Ab welcher Höhe können Kontenguthaben in Zypern durch Pfändung oder Abgaben zur Verringerung der Verschuldung herangezogen werden? Einmal heißt es (bei Sahra Wagenknecht) ab der Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro, ein anderes Mal ist die Rede von Einlagen ab 500.000 Euro.[1] Eines ist sicher: Mit einem Kontostand von über 100.000 Euro gehört man nicht zu einem vom Abstieg bedrohten Mittelstand und erst recht nicht zu den Armen. Dennoch ist diese Grenze zunächst wahllos gegriffen, sie orientiert sich ausschließlich an der Einlagensicherungsgrenze. Was ist aber zum Beispiel mit Genossenschaften und deren Kontoeinlagen, evtl. über 100.000 Euro? Oder Mittelständlern, die sich ein Kredit für den Erwerb einer Immobilie oder eines Geschäftes kurz vor der Bankenpleite besorgt hatten? Wie verhält es sich mit Mittelständlern, die ihre Geschäfte mit Barem abwickeln, wie es zum Beispiel Inhaber von Tankstellen tun? Zu nennen wären auch Familien, die ihre Kinder auf die Universität (ins Ausland, aber nicht nur) geschickt haben und hierfür ein Bildungskonto angelegt haben? Weitere Beispiele ließen sich finden. Die Frage ist also nicht, ab welchem Kontostand eingezogen wird, sondern von wem.

Um es zu wiederholen: mal forderte DIE LINKE im Falle Zyperns die Pfändung aller Kontoeinlagen ab 500.000 Euro, um den zypriotischen Bankensektor zu rekapitalisieren[2], ein anderes Mal (am selben Tag) forderte sie eine 20 Prozentabgabe auf Bankeinlagen über 500.000 Euro und die Pfändung von Bankeinlagen ab einer Million Euro.[3] Axel Troost (MdB) wiederum erklärte das Programm der LINKEN in einem Interview mit der Tageszeitung „neues deutschland“ wie folgt: Bis 100.000 Euro bleiben die Konten unangetastet. Ab 500.000 Euro sollen Konten dann eingefroren, jedoch nicht gepfändet werden können, und mit 20 bis 25 Prozent besteuert werden.[4]

DIE LINKE scheint augenscheinlich noch nicht zu einem einheitlichen Konzept gefunden zu haben. Welche Untergrenze gilt denn nun? Reden wir über Abgaben oder Pfändungen oder über beides? Unklar ist zudem, ob die in die Runde geworfenen Abgaben von 20 oder mehr Prozent ab 500.000 Euro bzw. 100.000 Euro oder die Pfändung von Bankeinlagen nun Teil der geforderten europäischen Vermögensabgabe sind, oder nicht.

Axel Troost weist in seinem Interview zu Recht daraufhin, dass es im Falle Zyperns zu einer dringend notwendigen Umstrukturierung kommen muss und das Land sich nicht weiter auf den Immobilien- und Bankensektor konzentrieren darf. Falsch ist aber nun auf die Tourismuswirtschaft zu schielen. Denn auch dieser Sektor ist längst ausgereizt. Zudem würden neue Hotelburgen an den Stränden der Insel nicht gerade zu einem linken Programm des sozial-ökologischen Umbaus passen. Auch DIE LINKE muss sich also in der aktuellen Debatte der Frage stellen, wie denn dann die Zukunft einer überlebensfähigen Wirtschaft in Zypern aussehen könnte. Die Beantwortung dieser Frage ist schwer und in einem solch kleinen Inselstaat nicht einfach zu finden. Drängend ist sie dennoch, denn die zu erwartende Rezession und die steigende Arbeitslosigkeit werden beträchtlich die Steuereinnahmen des Landes und damit das verfügbare Geld mindern.

  • Viel sinnvoller erscheint so aus meiner Sicht, zunächst den eigentlichen Tabubruch, der am Beginn der Krise begangen wurde, zu problematisieren. Die Troika hatte mit ihrem ersten, wenngleich gescheiterten Vorstoß, die Einlagen von fast allen Bankkunden ganz generell zur Bankenrettung anzuzapfen, einen solchen begangen. Daher muss es zunächst darum gehen, den dahinter stehenden Mechanismus, der ja keinen allgemeingültigen Reglements oder Gesetzen unterliegt, anzugreifen, auszubremsen und zu verhindern, dass dieser europaweit Raum greift. Ein Vertrauen darauf, dass in Bezug auf weitere „Krisenländer“ die Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro als solche durch die Troika geschützt wird, kann es nicht geben.
  • Zum zweiten muss sich DIE LINKE darum bemühen zu einer einheitlichen Sprache in Bezug auf die Heranziehung von Geldvermögen und Anteilseignern im Falle Zyperns zu finden.
  • Zum dritten ist es notwendig, sich (zukünftig) auf die konkreten Problemlagen eines jeden Krisenlandes zu konzentrieren. Zypern ist aus vielerlei Gründen, vor allem aber im Hinblick auf die Bindung an Griechenland und Großbritanniens (wirtschaftlich, politisch, kulturell) und ob der hohen Zahl von Einwanderungen eben nicht mit Island zu vergleichen.
  • Viertens sollte es der LINKEN darum gehen, die Forderung nach einer europäischen Vermögensabgabe als Alternativmodell zu untersetzen und zu konkretisieren.

[1] Vgl. http://linksfraktion.de/pressemitteilungen/schaeubles-euro-politik-versinkt-mittelmeer/
[2] Vgl. http://www.die-linke.de/nc/dielinke/nachrichten/detail/zurueck/aktuell/artikel/unsere-demokratie-gegen-ihr-spardiktat/
[3] Vgl. http://linksfraktion.de/pressemitteilungen/schaeubles-euro-politik-versinkt-mittelmeer/
[4] Vgl. http://www.neues-deutschland.de/artikel/817091.rettungsplan-fuer-zypern.html?sstr=axel|troost

Aktualisierte Fassung vom 27. März 2013


Mit freundlicher Genehmigung von Dominic Heilig, Mitglied im Parteivorstand der Partei Die Linke
Zuerst erschienen am 28. März auf http://dominic.linkeblogs.de/pv2012/

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2 Kommentare

  1. Die Zeit der einfachen Rezepte ist vorbei! (im Grunde gab es die nie)

    Immer mehr dämmert es dem denkenden Linken, und da gibt es viele, dass mit den ökonomischen Rezepten des historischen Sozialismus nicht weit her ist.
    Die dummen Kerls mit ihren schlichten Problemlösungen werden nicht mehr Ernst genommen.
    Sogar Hartz -V- ler sind inzwischen auch glücklich über ihre regelmäßigen Bezüge, die ihre Leidensgenossen/innen in Südeuropa nicht haben.
    Auch wären Rentenansprüche für ein langes Erwerbsleben fraglich, sollte dieses böse Wirtschaftsystem zusammenbrechen.Da würden unsere Gewerkschaftler aber Rabattz machen!
    Die einzige Möglichkeit ein originäres linkes Konzept für dieses verfahrene Europa anzubieten sind Eurobonds, gemeinsame Sozialstandarts, demokratische Wirtschaftsordnung sowie eine regulierte (ordentlich besteuerte) Finanzwirtschaft.

    Das wird natürlich von ganz vielen Strömungen und Flügeln solange ausdiskutiert, bis Europa unter dem Nordpol versunken ist!

  2. Nun ja, die aktuellen „Krisenmanager“ scheinen auch nur einen vagen Überblick über die Zahlen zu haben; alle zwei Tage machen neue Prozentzahlen und Schwellen die Runde, inzwischen gibt es wohl kaum eine Zahl, die nicht schon kursiert wäre. Insofern ist es unbegründet, von der PDL als Oppositionspartei einen detaillierten, numerisch ausgarbeiteten Krisenplan für Zypern zu erwarten. Umso mehr als hier die Forderung vor allem dahin gehen sollte, die staatliche Souveränität Zyperns und das Primat der politischen Entscheidung DORT zu respektieren, nicht aber eine Art besserer Schäuble sein zu wollen und ein sozialverträglicheres DIKTAT zu entwerfen.

    Zum zweiten: Natürlich ist die zunächst geplante Kontenabgabe für Guthaben unter 100.000 € abzulehnen, und zwar weil damit die Büchse der Pandora eines direkten staatlichen Zugriffs auf Konten einfacher Leute ein Stück weiter geöffnet wird; Dagmar Henn hat dazu auf scharf-links einen lesenswerten Artikel geschrieben. Dennoch sollten einem die Relationen nicht durcheinandergeraten. Stichwort Bestands- und Flußgrößen. Immer noch haben die massiven von der Troika in Griechenland und Portugal verfügten Einschnitte in Renten, Sozialleistungen und Einkommen öffentlicher Beschäftigter (also in soziale Rechtsansprüche auf Flows) – ebenso wie etwa die offenbar katastrophale Unterfinanzierung des griechischen Gesundheitswesens – weit schlimmere Folgen für die Bevölkerungen der betroffenen Länder, als eine Kontenabgabe in der Höhe der Zinseinkünfte zweier Jahre wie auf Zypern zunächst geplant.

    Es ist bezeichnend, wie hierzulande in den Medien die bisherigen verheerenden Folgen der Troika-Politik in jenen Ländern irgendwie als Kollateralschäden der „Eurorettung“ durchgehen, während der dann abgeblasene Angriff auf den Kleinsparer bei zyprischen Banken eine Art mediale Schockwelle auslöst. Man kann darüber nachdenken, warum das so ist… Wer, wenn nicht die Linke, sollte auf diese verzerrte Wahrnehmung hinweisen?

    In dem Zusammenhang sei angemerkt, daß neben der Abschmelzung des Bankensektors für Zypern auch die ganzen anderen Instrumente aus dem Troika-Arsenal zur Anwendung kommen, von sozialen Einschnitten bis zur Privatisierung öffentlichen Eigentums. Die in der Zypern-Frage wohl gut unterrichtete britische Agentur Reuters schrieb in einem Artikel vor ein paar Tagen, die lange Verschleppung der Zypern-Krise sei wesentlich darauf zurückzuführen, daß Anastasiadis‘ kommunistischer Amtsvorgänger nicht zur Erfüllung der troikanischen Privatisierungsforderungen bereit gewesen sei.

    http://www.reuters.com/article/2013/03/25/eurozone-cyprus-muddle-idUSL5N0CG13920130325

    Also offenbar hat man von „europäischer“ und IWF-Seite die Sache gezielt rausgezögert, den zyprischen Wählern dann so die Karotte hingehalten: Wählt den linken Präsidenten ab, dann kriegt ihr von uns Zugeständnisse. Das Ergebnis sieht man.

    Zuletzt zu den Aussichten Zyperns nach Abwicklung des Bankensektors. Je länger die Kapitalverkehrskontrollen anhalten, desto mehr wird Zypern ein faktisch von der Eurozone separierter Währungsraum, und desto wahrscheinlicher ein Austritt aus der Eurozone samt scharfer Abwertung. Für die zyprische Wirtschaft wäre es wahrscheinlich das Beste (schrieb zuletzt auch Paul Krugman in seinem Blog).

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