Der Balken im eigenen Auge

Der Fall Hoeneß bestimmt seit Tagen die Schlagzeilen und belebt die notwendige Debatte über Steuergerechtigkeit im Land. Zu Recht kommt jetzt auch die garantierte Straffreiheit für Selbstanzeigen im Steuerrecht auf den Prüfstand. Besonders laut meldet sich selbstverständlich Die Linke zu Wort. Vertritt sie doch immerhin die Interessen der unterdrückten 90% und ist damit selbsternanntes Sprachrohr des Linkspopulismus. Wagenknecht brachte die kochende Volksseele auf den Punkt in dem sie schlicht feststellte: „Steuerhinterziehung ist Diebstahl!“. Hoeneß und mit ihm wohl jeder Steuerhinterzieher sei „mutmaßlich ein gewöhnlicher Dieb“.

So schlicht, so gut. Die Linke brachte auch einen entsprechenden Antrag zur Abschaffung der Straffreiheit in den Bundestag ein. Und erhoffte sich, dass „alle Abgeordneten und Fraktionen Farbe bekennen, ob ihrer Entrüstung über den Fall Hoeneß auch Taten folgen sollen.“ Wie erwartet, schlossen sich die Vertreter aller anderen Parteien diesem Antrag nicht an. Zumindest aber stellte die SPD in Aussicht, dass nach ihrem Wahlsieg die entsprechende Regelung auslaufen werde.

Gegor Gysi legte nach und erklärte

Es ist niemandem zu vermitteln, dass millionenschwere Steuerbetrüger bei Selbstanzeige straffrei bleiben, während Parkplatzrempler, Schwarzfahrer oder Ladendiebe auch bei Selbstanzeige mit Strafe rechnen müssen. Diese beispiellose rechtliche Privilegierung für Steuerbetrüger ist ein Anachronismus und gehört sofort abgeschafft

Steuerbetrug sei „de facto zum Kavaliersdelikt“ geworden und habe für ein Staatsverständnis bei „Reichen und Vermögenden gesorgt, in dem der Staat als lästiges Übel“ erscheine.

Scheinbar aber nicht nur bei den Reichen und Vermögenden, die den Kapitalismus als System erhalten wollen. Auch die Genossen der eigenen Linksfraktion nehmen nur zu gern diese „Straffreiheit für Diebstahl“ in Anspruch, wenn es um den eigenen Geldbeutel geht. Der Vorsitzende des Steuerrechtsausschusses im Deutschen Anwaltverein, Klaus Olbing, weiss darüber zu berichten, so der Focus, dass strafbefreiende Selbstanzeigen auch unter Politikern verbreitet seien. „Abgeordnete der SPD, der Grünen und sogar der Linken waren schon dankbar, dass es die straflose Nacherklärung hinterzogener Steuern gibt“, so Olbing, der selber schon für Politiker „aus allen im Bundestag vertretenen Parteien Selbstanzeigen vorbereitet“ hat.

Namen nannte er natürlich nicht. Dies wäre jetzt die Aufgabe von Gysi und den anderen empörten Genossen. Statt zu versuchen die Welle der Unmut über Hoeneß & Co. populistisch abzureiten, sollte man die bereits begonnene Transparenzoffensive von Fraktion und Partei ausweiten und die Genossen, die Olbing meint, davon überzeugen, sich zu offenbaren und Wählern und Partei reinen Wein einzuschenken. Es ist nicht das erste Mal, dass man der Linken die Bergpredigt empfehlen mag: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“
(mb)

3 Kommentare

  1. Nach einer Steuerhinterziehung sollte das Einkommen bis auf die Grundsicherung begrenzt werden.
    Diese Geld bzw Vermögensstrafe tut richtig weh. Freiheitsstrafe kostet nur Steuergelder.
    Wenn ein Mensch ca 50 Jahre alt ist und schuldlos seine Arbeit verliert bekommt er nach 2 Jahren die berühmte Grundsicherung, ohne das er eine Straftat begangen hat.

  2. Die Transparenz-Seiten habe ich nach einigen Klicks gefunden und mir J. v. Aken angeschaut, er steht halt ganz vorne im Alphabet:
    Erstmal SEHR löblich/vorbildlich, – aber wie unsere Wissensstruktur halt so ist, gebiert jede Antwort 10 neue Fragen:
    Von rd. 100.000 p. a. persönlicher Diät spendet er auch einige tausend (?) an diverse, 1500 kann er vom zu verst. Einkommen ‚absetzen‘, – was noch als Berufspolitiker? Was wird ihm als geldwerter Vorteil noch zum Brutto dazugeschlagen? (Bahnfahrten?) Wieviel kann er/will er für seinen Berufs- bzw. Machterhalt sonst noch abzweigen, ggfls. auch ohne steuerliche Absetzbarkeit?
    Fehlende Nebeneinnahmen sind bei 100.000 Euro Diäten-Brutto im Jahr zwar nicht ganz plausibel (Sparerträge?), in Anbetracht aber nur einer Legislatur und der vorgängigen Biographie nicht total unwahrscheinlich.

    Was stellt sich der Autor des Artikels denn an Ausweitung der Transparenzoffensive noch so vor?

    M. E. wäre an eine tabellenmäßige Aufbereitung zum Vergleich zu denken – und der Bereitstellung von Side-Infos bzgl. der Fragen.

  3. Der Empörung steht das Argument entgegen, auf Strafe könne verzichtet werden, weil der Schaden incl. Zinsen ausgeglichen und + X als STRAFE bzw. Strafzinsen gezahlt wird, – und welche „Ladendiebe“ oder Schwarzfahrer sich selbst anzeigen sollten, VOR der sichtbaren Kontrollgefahr, bleibt ebenso rätselhaft, wieso selbstanzeigende Parkplatzrempler neben dem Schaden nicht auch ein Bußgeld nach OwiG zahlen sollen, wenn eine Owi in ggfls. auch nur mittelbarem Zusammenhang zur Schadensursache stand, – und jedes Schadenanrichten per se schon eine Owi ist.
    Sachlich wäre mindestens diese Form der Straffreiheit VOR eine subjektiv signifikante Erhöhung der Entdeckungsgefahr zu legen, d. h. i. d. Regel VOR der Publizierung z. B. eines CD-Ankaufs o. ä.
    Will man das nicht, muß man Schwarzfahrern u. Ladendieben etc. auch bei subjektiv erhöhter Entdeckungsgefahr gleichen Strafdispens bei Selbstanzeige und Schadensausgleich + X zugestehen.

    Sehr realitätsnah bzw. bodenverhaftet wirkt solcher ‚Populismus‘ in der Tat nicht gerade, da habt ihr bzw. Wendl schon recht.

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