Mordanzeige als Ultima Ratio im innerparteilichen Friedenskampf

Nichts treibt die marginalisierte Westlinke mehr um als – in wechselnder Gewichtung – der erbarmungslose Kampf für den Frieden und die Macht in der Partei. Noch vor wenigen Tagen übte man den Schulterschluss mit der syrischen Regierung, die scheinbar in einem Abwehrkampf gegen den US-Imperialismus und den Zionismus steht, der schnell mal zum gefühlten Weltenbrand hochphantasiert wird. Flugs stellte man zusätzlich einen Forderungskatalog mitsamt Unterschriftensammlung auf, der leider nicht die Forderung danach enthielt, dass das der örtliche Diktator doch bitte das seit zwei Jahren andauernde Abschlachten der eigenen Bevölkerung einstellen sollte. Der erwünschte, zumindest innerparteiliche, Effekt beider Aktionen dürfte für die Initiatoren eingetroffen sein. Die Reihen der westdeutschen Friedenslinken und ihrer wenigen ostdeutschen Anhängsel sind geschlossen und man kann wunderbar – mitten im Wahlkampf – die Spaltung von Fraktion und Partei vorführen. Dies hat augenscheinlich aber noch nicht gereicht.

Deshalb wird nun nachgesetzt. Ohne ersichtlichen äusseren Grund greift ein Teil der Fraktion auf die Hilfe der bundesdeutschen Klassenjustiz zurück, um die Kriegstreiber in ihre Schranken zu weisen. Angeführt vom hessischen Bundestagsabgeordneten und Friedenspolitiker Wolfgang Gehrcke und seiner baden-württembergischen Kollegin Heike Hänsel, haben diese beiden und weitere 12 Abgeordnete der Linksfraktion eine Strafanzeige gegen die amtierende Bundesregierung erstattet. Kanzlerin Angela Merkel, ihr Verteidigungsminister Thomas de Maizière, weitere Mitglieder der Regierung und unbekannte Bundeswehroffiziere sollen sich des Mordes und weiterer Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben.

Grund sei, so wird in der 40 seitigen Anzeigeschrift ausgeführt, dass die Bundesregierung es dulde, dass von deutschem Boden aus US-amerikanische Drohneneinsätze in Pakistan, Afghanistan, Jemen, Somalia und anderen afrikanischen Ländern gesteuert oder unterstützt werden. Die von den Bundestagsabgeordneten mit der Ausarbeitung der Anzeigeschrift beauftragte und zumindest mittelbar aus dem Steuersäckel bezahlte Anwaltskanzlei liefert den Strafverfolgungsbehörden auch gleich das gewünschte Ermittlungsergebnis mit:

Es bestehen in ausreichendem Umfang Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Bundesministers der Verteidigung und der anderen Mitglieder der Bundesregierung. Ein Anfangsverdacht des Mordes, des Kriegsverbrechens gegen Personen, des Kriegsverbrechens des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit und der Nichtanzeige von Verbrechen ist zu bejahen.

Der Generalbundesanwalt, der übrigens von genau den gleichen Linken gerne für seine Tätigkeit und noch lieber für seine Untätigkeit kritisiert wird, sei nun aufgefordert, die Ermittlungen aufzunehmen.

Der politische Sinn dieser Aktion, zumindest für die Bevölkerung im Lande, dürfte nur mit dem Mikroskop zu finden sein. Der politische Effekt einer solcher Anzeige, die vermutlich wirkungslos bleiben wird, dürfte sich aber gerade in Wahlkampfzeiten durchaus einstellen. Die anzeigenden Fraktionsmitglieder zeigen hier schon einmal, in welche Richtung sich Die Linke und ihre zukünftige Fraktion zu orientieren haben. Nicht der von Gysi, Bartsch und anderen reformbereiten Funktionären vertretene Kurs einer möglichen Rot-Rot-Grünen Machtoption ist das Ziel dieser „Genossen“, sondern gerade die Verhinderung einer Annäherung der Kräfte, die Mitte-Links in diesem Land zu einer Mehrheit verhelfen könnten.

Dass sie damit zumindest für diese Wahl eine Regierung Merkel, ob mit der FDP oder mit einem Juniorpartner SPD, noch fester in den Sattel heben, scheint egal. Was zählt ist einzig ein Etappensieg um die Ausrichtung der Fraktion, mithin auch um die Besetzung der Fraktionsspitze und des im nächsten Jahr zu wählenden Parteivorstandes. Gysi kann sich angesichts solcher Freunde noch so abrackern, aber statt näher zu kommen, entfernt ein solches Treiben Die Linke von jedweder Mitgestaltungsmöglichkeit. Die Westlinke scheint den Kampf jedenfalls weiterführen zu wollen: Gegen den Imperialismus der USA und ihrer Vasallen und vor allem gegen den ungeliebten Reformismus in der eigenen Partei.
(mb)

P.S. Die Damen und Herren des linken Strafverfolgungskommissariats haben übrigens in ihrer Anzeige vergessen, dass in der Vergangenheit auch SPD und Grüne in unterschiedlichen Konstellationen der Bundesregierung für das Treiben der US-amerikanischen Waffenbrüder mit zur Verantwortung gezogen gehören. Wenn schon den Wahlkampf sabotieren, dann aber auch richtig.

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