Stimmen für Nešković und für die Tonne

Die Unterstützung prominenter Linkenpolitiker für den parteilosen Direktkandidaten Wolfgang Nešković, der versucht seinen Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße gegen die Kandidatin der Linken, Birgit Wöllert, zu verteidigen, stösst schon seit geraumer Zeit auf mehr oder weniger laute Kritik. Am heutigen Mittwoch war der ehemalige Bundesvorsitzende Klaus Ernst in Cottbus, um unter dem Motto „100 Prozent sozial“ für seinen ehemaligen Fraktionskollegen Nešković zu werben. Ernst, wie auch Wagenknecht, die am 2. September zur Unterstützung Neškovićs angereist war, werden allerdings nicht müde zu betonen, dass sie ja trotzdem auch Werbung für ihre eigene Partei betreiben. Und vor allem, dass Wähler von Nešković zumindest ihre Zweitstimme der Linken geben würden.

Anscheinend gibt sich die Parteiführung, nach Aussen zumindest, mit dieser plumpen Erklärung zufrieden und lässt die Westgenossen weiter ungerührt Wahlkampf gegen die eigene Partei betreiben. Dabei müsste mittlerweile auch im Parteivorstand im Berliner Karl-Liebknecht-Haus zumindest der eine oder andere Funktionär im bundesdeutschen Wahlgesetz gelesen haben. Und sich vielleicht auch einmal die Ergebnisse des umkämpften Wahlkreises von 2009 angeschaut haben.

So kamen 2009 knapp 37.000 Zweitstimmen aus dem Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße und machten Die Linke vor Ort mit 29,3% zur stärksten Partei. Diese Stimmen waren fast 10% des Landesergebnisses und trugen entscheidend dazu bei, dass Die Linke auch auf Landesebene mit 28,51% stärkste Kraft wurde. Nešković, der sich damals noch von der Linken finanzieren liess und für sie antrat, erzielte ein Ergebnis von 30% der Erststimmen und wurde direkt gewählt.

Sollte dieser, zugegeben recht unwahrscheinliche, Fall aufgrund der so zuvorkommenden Hilfe aus dem Westen des Parteikörper dieses Jahr wieder eintreten, könnte das bundesdeutsche Wahlrecht den märkischen Genossen – und damit der gesamten Linken – eine unliebsame Überraschung bereiten. Denn der § 6 Absatz 1 Satz 2 des Bundeswahlgesetzes lautet:

“Nicht berücksichtigt werden dabei die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 20 Absatz 3 oder von einer Partei vorgeschlagen ist, die nach Absatz 3 bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt wird oder für die in dem betreffenden Land keine Landesliste zugelassen ist.”

Oder um es in einfachen Worten auszudrücken: Gewinnt Nešković seinen Wahlkreis wieder mit einem ähnlichen Ergebnis wie 2009, werden die Zweitstimmen dieser Wahlzettel nicht gewertet.

Da anzunehmen ist, dass Wähler von Nešković sich an die Ratschläge seiner westlinken Freunde halten und mit der Zweitstimme Die Linke wählen würden, würde die Partei auf einen Schlag ein Zehntel ihres Ergebnisses in Brandenburg verlieren. Mit direktem Einfluss auf die Anzahl der gewählten Listenkandidaten und damit auch auf die Zusammensetzung der zukünftigen Linksfraktion.

Ein Effekt der, da er „nur“ ostdeutsche Reformlinke trifft, von Wagenknecht und Ernst sicher nicht bedauert werden würde. Wenn diese „Genossen“ dann aber immer noch davon sprechen können, dass ihr Engagement für Nešković der Partei nicht schade und die Berliner Parteiführung dies mehr oder weniger kritiklos nachplappert, stellt man sich schon ernsthaft die Frage, welches Fehlverhalten denn dann das Etikett „Parteischädigend“ verdient, wenn nicht dieses.
(mb)

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