Zumindest Teile der Führung der Linken werden nicht müde weiterhin das hohe Lied eines möglichen Rot-Rot-Grünen Politikwechsels im Bund zu singen. Auch wenn bislang die zwei anderen Stimmen nicht in das gewünschte Trio eingestiegen sind. Der von Gregor Gysi in seiner Brandrede auf dem Göttinger Parteitag beklagte Hass zwischen den auseinanderstrebenden Teilen der Sozialisten schien gebannt und die Harmonie in der nun drittstärksten Partei auf Bundesebene nicht mehr zu stören. Die vorwiegend ostdeutschen Realpolitiker haben dabei aber, wie schon öfter, Wunsch und Wirklichkeit verwechselt.

Wer die Wochenendausgabe der „Jungen Welt“ aufschlägt wird gewahr, dass die Westlinke offenbar zum letzten Gefecht um die noch halbwegs politisch und finanziell für sie verwertbaren Reste der ehemaligen ostdeutschen Staatspartei und nun gesamtdeutschen Linken geblasen hat. In einem Schwerpunktthema schiesst man aus allen erdenklichen Rohren auf die, angesichts der nicht umsetzbaren Mitregierungsoption, schon angeschlagenen Führungskader der eigenen Partei. Akribisch rechnet man vor, wie stark die Verluste der Ostlinken in Wirklichkeit seien und welch grossen Anteil Gysi und seine ungeliebte Entourage an diesem Niedergang hätten.

Lediglich die Westlinke, besser die WASG, habe dafür gesorgt, dass die PDS heute keine sterbende ostdeutsche Regionalpartei sei, die seit 2002 in der bundespolitischen Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Mit einer herbeifabulierten Verschwörung von ostdeutschen Reformern und bundesdeutscher Medienmacht versuche die Reformlinke die Partei an die SPD zu verraten. Allen voran Gysi, der durch seinen Auftritt in Göttingen die Partei fast in die Selbstauflösung getrieben habe. Nur Lafontaine hätte es damals geschafft, Die Linke noch zu retten.

Dass dabei Gysi, Bartsch, Liebich und all die anderen gefühlten Feinde des westlinken Volkskörpers nichts anderes im Sinn hätten, als die Seele der Partei auf dem Altar der Regierungstauglichkeit zu opfern, ist zumindest der „Jungen Welt“ und ihren Stichwortgebern in der Partei eine unumstössliche Tatsache. Mögliche Rettungsszenarien liegen damit klar auf der Hand. Zuerst die Fraktion und folgend die Partei sind den ostdeutschen Reformern zu entreissen und in die treusorgenden Hände der Westlinken zu übergeben.

Der Vorstoss Wagenknecht an die Spitze der Fraktion zu befördern war mithin nur der Auftakt des vermutlich schon längst durchgeplanten Durchmarsches westdeutscher Kader an die noch halbwegs nahrhaften Tröge der Macht. Die selbsternannten Vertreter des Klassenkampfes in der Linken beenden damit nur das, was ihre kapitalistischen Antipoden seit 1990 mit den Resten der DDR betrieben haben. Die komplette Vereinnahmung und Ausradierung der Aktiva des untergegangenen sozialistischen Experimentes auf deutschem Boden. Dass diese Breitseite genau zwei Tage nach dem Tag der Einheit abgefeuert wird, mag dabei als böser Treppenwitz der Geschichte anzusehen sein.

Da im nächsten Jahr über einen neuen Parteivorstand zu entscheiden sein wird, bietet es sich für die losstürmende Meute an, dass man auch gleich die ostdeutsche Parteivorsitzende mit gezielten Schüssen vor den Bug bedenkt. Ist Kipping doch immer noch eng mit der Strömung „Emanzipatorische Linke“ verbandelt, die „sich der auf die Unterstützung des zionistischen Projekts gerichteten deutschen Staatsräson ganz besonders verpflichtet“ fühle. Und mithin ein Hort der zionistischen Kriegstreiber in der Linken sei. Gar eine „Propagandaabteilung des israelischen Außenministeriums“ wird in manchen Untergliederungen der Kippingschen Strömung vermutet.

Passend, dass man hier schon eine westdeutsche Retterin zu präsentieren in der Lage ist. So wie Wagenknecht die Fraktion vor Gysi und seinen reformistischen Schergen retten soll, könnte die hessische Marx21-Funktionärin Janine Wissler das neue Gesicht einer Linken nach dem Gusto der linken Gralshüter werden. Ein offensichtlich harter Kampf um die Macht in der Partei scheint damit begonnen zu haben. Und momentan dürfte die Westlinke dabei nicht nur das Überraschungsmoment, sondern auch die bessere Munition auf ihrer Seite zu haben.

Nicht von ungefähr wird seit dem gestrigen Tag auch von bürgerlicher Seite auf Gysi und die „alte Garde“ der Ostlinken gefeuert. Die Personalie Kampa dürfte interessierten Genossen als willkommene Gelegenheit erscheinen, einerseits die parteiinternen Widersacher dauer- und ernsthaft zu beschädigen und andererseits eine wichtige Schaltstelle der Fraktion für die Übernahme freizuräumen. Die weitreichenden Folgen bis tief in den wirtschaftlichen und finanziellen Unterbau der Partei und ihrer Unternehmungen dürfte den westdeutschen Kadern durchaus gelegen kommen. Will man doch endlich die komplette Übernahme der Linken zu diesem noch günstigen Zeitpunkt abschliessen.

Das unermüdlich von Gysi und Anderen geforderte Rot-Rot-Grün dürfte für diese Linke im offenen „Bürgerkrieg“ auf längere Sicht ein unerreichbarer Wunschtraum bleiben. SPD und Grüne können es sich schlichtweg nicht mehr leisten mit einer Partei in ernsthafte Verhandlungen einzutreten, in der der Hass zwischen den Blöcken – entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze – derart tief verwurzelt ist. Sollte der Angriff der Westlinken siegreich sein, wird es aber spätestens 2017 ein böses Erwachen geben. Man mag zwar die Schlacht um die Partei für sich entschieden haben, den Krieg hat man so oder so verloren. Statt einer sterbenden ostdeutschen Regionalpartei geführt von Reformlinken, wird man eine ebenso sterbende gesamtdeutsche Splitterpartei zu seiner Beute gemacht haben.
(mb)

3 Kommentare

  1. Kann es sein, dass der Artikelschreiber ein wenig unter Verfolgungswahn leidet?
    Bitte wer von uns Westlinken möchte die Ost-PDL zerstören?
    Wer von uns will nur „an die noch halbwegs nahrhaften Tröge der Macht“?
    Frau Wagenknecht bietet SPD und Grünen doch auch Sondierungsgespräche an.
    SPD und Grüne verhandeln nicht mit uns, weil sie Angst vor den viel zu Mächtigen haben und wir sollten diesen Weg nicht auch einschlagen.
    Man darf sich doch nicht aus einem m.E. teilweise unlogischen Junge Welt Artikel Munition basteln und damit dann erneut einen Grabenkrieg vom Zaun zu brechen, dass ist doch schon wieder eine total niedrige Ebene.
    Wir haben 2009 aus Protest gegen die Agendapolitik der SPD 12 % bekommen, mittlerweile haben wir 2013 und Frau Merkel hat sich die letzten Jahre mit dem von der SPD betriebenen Sozialabbau weitestgehend zufriedengegeben.
    Wir hatten also ganz andere Rahmenbedingungen, dafür sind 8,6% sehr gut und die haben wir m.E. vor allem einem moderateren Umgangston zu verdanken.
    In Westdeutschland will nämlich nach wie vor kaum jemand den Kapitalismus abschaffen, hätten wir die Rhetorik der KPF benutzt, so wären wir m.E. sehr wahrscheinlich im hohen Bogen aus dem Bundestag geflogen.
    Sahra Wagenknecht hat sich doch hervorragend entwickelt, sie ist eine der begabtesten Menschen die wir haben und absolut bereit dazu moderat aufzutreten, ich verstehe überhaupt nicht wieso die sogenannten Reformer ihr das nicht zugute halten können.
    Ich als bekennende Reformerin bin auf jeden Fall regelmäßig hochzufrieden mit ihrem Äußerungen und wenn man mal nicht einer Meinung ist, dann kann man das doch sagen, ohne ihr das Vertrauen zu entziehen.
    Die Grünen haben 2% verloren, weil sie Pädophilie am Schuh kleben hatten, dafür ist ihr Ergebnis noch richtig gut..
    Wäre der Herr Trittin manchen Herren mehr in den Hintern gekrochen, hätten sie ihn wahrscheinlich damit verschont.
    Wenn die Grünen jetzt den Weg der FDP gehen wollen, sollten sie sich schon mal ein Grab bestellen.

  2. Die Gefahr, dass Anhänger Lenins eine „wir haben uns alle lieb“ Partei anstrebten bzw. anstreben, bestand nie. Weder heute, morgen oder irgendwann damals.
    Obwohl also das Verhalten nicht neu, erstaunt es doch immer wieder. Diese Heilserwartung, die nie auch nur in Ansätzen erfüllt wurde, bestenfalls unter einem starken Elektronenmikroskop zu entdecken war. Diese durch nichts zu erschütternde Heilsgewissheit, die immer bereit ist, für die Reinheit einer totalitären und menschenverachtenden Ideologie alles zu opfern, wofür man angetreten zu sein glaubt.
    Da der „Müllhaufen der Geschichte“ für eine von „rotlackierten Faschisten“ instrumentalisierte PDL schon leise, aber wahrnehmlich vor sich hin stinkt, bleibt die Frage WAS TUN?

  3. Wenn der Laden tatsächlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet dürfte das nicht unverdient sein. Besser so als immer wieder mit faulen Kompromissen und Zugeständnissen an Ewiggestrige und rotlackierte Faschisten das Bild einer „Wir haben uns alle lieb “ Partei zu vermitteln.

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