SPD öffnet sich für Zusammenarbeit auch mit der Linken

Auf ihrem am heutigen Donnerstag begonnenen Bundesparteitag in Leipzig will sich die SPD auf die in 2014 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen anstehenden Landtagswahlen, 11 Kommunalwahlen und die Europawahl vorbereiten. Zudem steht, mitten in den auf Bundesebene noch laufenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU, die Neuwahl des Bundesvorstandes auf der Tagesordnung. Am frühen Abend wurde bereits Parteichef Sigmar Gabriel mit einem Ergebnis von 83,6% im Amt bestätigt. Es wird damit gerechnet, dass auch die restlichen Spitzengenossen im Parteivorstand wiedergewählt werden.

Bereits im Vorfeld sorgte der Leitantrag „Perspektiven. Zukunft. SPD!“ für Aufsehen in der bundesdeutschen Politik. Noch während die SPD in Berlin mit der CDU über die Bildung einer Grossen Koalition verhandelt, soll sich die Partei spätestens bis 2017, so formuliert es der Leitantrag des Parteivorstandes, auch auf Bundesebene für andere mögliche Koalitionen öffnen. Da die SPD „die linke Reformpartei“ sei und „eine Koalition mit der Union zwangsläufig von Kompromissen geprägt ist“, will man für die Zukunft für die Umsetzung eines wirklichen Politikwechsels keine Koalition mit anderen Parteien, mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder rechtsextremen Parteien, mehr ausschliessen.

Ohne dass im Antrag explizit Die Linke als möglicher Koalitionspartner nach 2017 erwähnt wird, dürfte sich diese Öffnung besonders auf die Sozialisten beziehen. Schon nach der Wahl am 22. September wäre zumindest rechnerisch eine Rot-Rot-Grüne Mehrheit im Bundestag möglich gewesen. Führende Vertreter der Linken hatten daher vor und nach der Wahl massiv darum geworben, dass die SPD ihre Wahlversprechen nur durch eine Koalition mit den Sozialisten und den Grünen wird umsetzen können.

Die SPD formuliert allerdings drei Voraussetzungen, die für eine künftige Rot-Rot-Grüne Koalition erfüllt sein müssen:

• Es muss eine stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit vorhanden sein.
• Es muss einen verbindlichen und finanzierbaren Koalitionsvertrag geben, der mit sozialdemokratischen Wertvorstellungen vereinbar ist und eine höchstmögliche Realisierung unserer Leitziele ermöglicht.
• Es muss eine verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen gewährleistet sein.

Gegenwärtig sieht die SPD-Führung diese Forderungen durch Die Linke allerdings noch nicht als erfüllt an. Generalsekretärin Nahles deutete dazu gegenüber der Presse an, dass sich die Linkspartei für eine Partnerschaft mit der SPD reformieren müsse.

Von führenden Vertretern der Linken wurde die angestrebte Öffnung der SPD bereits verhalten begrüsst. Linken-Chefin Katja Kipping sagte dazu dem „Tagesspiegel“, es handele sich um eine „späte, aber notwendige Einsicht der SPD“. In der derzeitigen Situation bleibe es aber dabei, dass die SPD im Bund mit Union Koalitionsgespräche führe. „Die Linke ist Oppositionsführerin“, so Kipping weiter. Auch Fraktionschef Gysi sieht die Entwicklung durchaus positiv. Er hält allerdings die Frage möglicher Kampfeinsätze der Bundeswehr für einen bleibenden Streitpunkt zwischen Linken und SPD. Der SPD-Beschluss werde aber in dieser Frage den Druck auf Die Linke erhöhen.

Stefan Liebich, der sich als führender Vertreter des Reformflügels der Linken um den Posten des Bundessprechers des „Forum demokratischer Sozialismus“ bewirbt und von vielen als möglicher Nachfolger Gysis im Fraktionsvorsitz gesehen wird, sieht in den Bedingungen der SPD „kein K.-o.-Kriterium definiert“. Es sei selbstverständlich, dass sich auch Die Linke in einer möglichen Bundesregierung an bestehende internationale Verträge und Verpflichtungen halten werde. Linken-Chef Riexinger sieht den Preis für eine Zusammenarbeit nach 2017 für die SPD eher noch steigen: „In vier Jahren sind wir stärker, unsere Verhandlungsposition ist besser, der Preis wird höher“.

Lediglich auf dem ganz linken und vornehmlich westdeutschen Flügel der Linken wird eine Annäherung an die SPD weiterhin äusserst kritisch gesehen. So formuliert die „Antikapitalistische Linke“ in ihrem aktuellen Grundlagenpapier: „Für Die Linke gibt es im Bundestag keine Partei, mit der sie in Koalitionen ihre Ziele durchsetzen könnte.“ Hingegen könne man sich vorstellen eine SPD-geführte Minderheitsregierung zu tolerieren und dort gezielt zu unterstützen, wo es den Zielen der Linken entspricht. in eine ähnliche Richtung äusserte sich auch Sahra Wagenknecht gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Regierungsbündnisse seien aus ihrer Sicht nur möglich, „wenn die SPD sich auch inhaltlich darauf besinnt, was von Bebel bis Brandt die Ziele sozialdemokratischer Politik waren“.

Deutlicher werden die westdeutschen Bundestagsabgeordneten Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke in einer Erklärung vom Mittwoch. „Von der SPD hier lernen, hieße Siechen lernen.“, betonen beide Politiker und kritisieren, dass die SPD von der Linken das „Abschleifen“ der linken Europa- und der Außen-Politik noch vor einer Zusammenarbeit verlange. Dabei übersehe die SPD-Spitze ihren eigenen Korrekturbedarf. „Der SPD-gestützte Einmarsch in Afghanistan“ und „das bedingungslose Mitstimmen für den obermiesen Lissabon-Vertrag, alle Bankenrettungspakete, ESM und Fiskalpakt“ habe wenig Verantwortung erkennen lassen. „Kurz vorm 100. Jahrestag der SPD-Zustimmung zu den Kriegskrediten sollte auch die SPD beherztes Umlernen signalisieren.“

Auch in der SPD sind die Reaktionen auf eine mögliche Beteiligung der Linken an einer Bundesregierung nach den nächsten Wahlen differenziert. So lehnt der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die geplante Öffnung zur Linkspartei ab. „Das steht jetzt nicht an“, wird er in der „Welt“ zitiert. Entscheidend werde sein, so Steinbrück, wie sich die Linkspartei in den nächsten Jahren entwickle. Dies solle man abwarten und jetzt „nicht selbst Pirouetten drehen.“ Ralf Stegner, der Fraktionsvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, der als Vertreter des linken Flügels der Sozialdemokraten gilt, begrüsst die geplante Öffnung in Richtung der Linken. Allerdings sieht auch er noch massiven Veränderungsbedarf bei den Sozialisten. Vor allem zieht er die Trennlinie bei möglichen Koalitionen zwischen Ost und West: „Im Westen wollen wir eigentlich ja die Linkspartei auch aus den Parlamenten vertreiben, da sind wir selbst Gerechtigkeitspartei. Aber im Osten wird uns das so schnell, glaube ich, nicht gelingen.“

Sollten die Delegierten dem Wunsch ihres Vorstandes folgen und den Leitantrag wie vorgelegt beschliessen, könnten schon im nächsten Sommer den Worten auch Taten folgen. In Sachsen und Thüringen wäre es für die SPD möglich die Union, die in Sachsen seit 1990 und in Thüringen seit 2009 mit der SPD zusammen in einer Grossen Koalition regiert, in einer Koalition mit der Linken abzulösen. Die Landesverbände der Sozialisten werben schon länger für einen solchen Regierungswechsel. In beiden Fällen müsste die SPD allerdings in der Rolle des Juniorpartners die Führung durch einen linken Ministerpräsidenten akzeptieren. Daran scheiterte schon 2009 in Thüringen eine von der Linken angestrebte Koalition mit der SPD. Linken-Chef Bernd Riexinger machte gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ den Führungsanspruch seiner Partei bereits deutlich. „Wo wir stärker sind, stellen wir in einem Bündnis den Ministerpräsidenten“, so Riexinger. Die SPD müsse diese demokratische Spielregel anerkennen, „wenn sie im Bund überhaupt noch einen Kanzlerkandidaten aufstellen will“.
(mb)

Ein Kommentar

  1. …..endlich hat die Linke eine Perspektive und einen besseren Zugang für „interessierte Bürger“, indem sie nicht mehr grundsätzlich gemieden wird , ihr „Schmuddelimmage“ ablegen kann…und sich mit ihrem politischen Profil beweisen kann

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