Schwarz-Grün in Hessen steht

Drei Monate nach der Landtagswahl in Hessen haben CDU und Grüne auf Parteitagen am gestrigen Samstag den ausgehandelten Koalitionsvertrag gebilligt. Damit wird erstmals ein westdeutsches Flächenland von einer Schwarz-Grünen Koalition regiert. Ministerpräsident Volker Bouffier konnte auf dem kleinen Parteitag der hessischen CDU auf einstimmige Unterstützung der Delegierten zählen. Auf der Mitgliederversammlung der Grünen in Frankfurt stimmten 74,2% der weit über 1000 Teilnehmer dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zu. Grünen-Chef Tarek Al-Wazir erklärte in seiner Rede, dass die jetzt gebildete Koalition, die schon als Modell für den Bund nach 2017 gehandelt wird, weder „Zeitenwende noch Liebesheirat“ sei. „Es ist ein Zweckbündnis auf Zeit wegen eines schwierigen Wahlergebnisses.“
(mb)

2 Kommentare

  1. Im Hessischen Landtag ist es in nun schon alter Tradition wieder einmal nicht gelungen, mit den parlamentarischen Mehrheiten der drei Parteien links der Mitte einen Politikwechsel einzuleiten.

    Das „weiter so“ neoliberaler Politik wird also ersatzweise – sich scheinbar hochgradig ergebnisoffen transformatorisch gerierend – fortgesetzt werden mit Gipfelchen, Gesprächskreislein, Evaluatiönchen, Stabsstellen, ziemlich Runden Tischen und allerlei Gesprächskreisen, aber der tatsächliche Politwechsel der sozialökonomischen Transformation wird ein gesellschaftliches Projekt sein müssen, das wohl insbesondere außerhalb der Parteien und Parlamente entwickelt werden müsste.

    Die Perspektiven der Zusammenarbeit zwischen den drei Parteien links der Mitte sehen meines Erachtens nämlich nicht gerade R2G-rosig, nicht solidarisch modern aus, sondern eher nach einer „modernen Entsolidarisierung“, sofern innerhalb des potentiellen Dreier-Bündnisses jemals eine wirkliche politische Nähe bestanden hat und nicht nur eine bloße Schimäre numerisch günstiger Verhältnisse im Hessischen Landesparlament war.

    Das Nichtberührungsgebot der SPD gegenüber der Linken, die Politik der Kompromisslosigkeit der Linkspartei, die Aussicht der Grünen Realos auf eine schwarz-grüne Machtperspektive auf Bundesebene, falls die beschworene Stabilität und Verlässlichkeit über die Dauer der hessischen Wahlperiode Bestand hat, deuten derzeit eher auf eine professionelle, verstetigbare Umklammerung der Grünen durch die CDU hin.

    Die Hessen-CDU versteht es gewitzt, den Koalitionsvertrag nach außen so aussehen zu lassen, als würde Hessen damit grüner werden, das „Werk“ eine klare grüne Handschrift tragen, wo sich doch beide Parteien vertragsgemäß der Wahrung der Schöpfung verpflichtet sehen, die Grünen halt immer ein bisschen gläubiger, wahrer, schöpferischer und verpflichtender.

    Unter dem grünen Tannenbaum liegen Gaben wie der forcierte Ausbau der ökologischen Land- und Forstwirtschaft, will heißen:

    Sofort Schluss mit der tierquälerischen, konzentrierten, technisierten Viehhaltung in Tierfabriken à la „Farm der Tiere“, oder auch ein bisschen später, jedenfalls tendenziell.

    Keine monokulturellen Tannenbäume mehr in Bannwäldern über deren Gipfeln die ewige, fluglärmige Unruh herrscht. Die Tannen werden nachhaltig weichen für Buchen und Eichen. Das dauert halt.

    Ausbau der Erneuerbaren Energien mit der Schallgeschwindigkeit der jumboschen Wirbelschleppen, nämlich der Verdoppelung in den kommenden 5 Jahren auf 25 Prozent, um damit aber immer noch der deutschlandweiten Entwicklung deutlich hinterherzuhinken.

    Längeres gemeinsames Lernen an Gesamtschulen, das von den Grünen verschämt hinter verholener Hand auch als „Gemeinschaftsschule“ bezeichnet wird, obwohl es Galaxien von der echten Gesamtschule entfernt ist.

    Nicht der Pakt mit dem Teufel, sondern der Pakt mit dem Nachmittag soll dem bis 17:30 Uhr betreuten Grundschüler einbläuen, dass im mehrgliedrigen Schulsystem das Gymnasium für den schwarz-grünen Nachwuchs wie gehabt reserviert bleibt und der Unterschicht-Nachwuchs bestenfalls als Dachdecker hochsteigt.

    Bei Demos für die Schwarz-Grünen muss die Polizei künftig mit original ägyptischen Hieroglyphen gekennzeichnet werden, die nur der Einsatzleiter kennt, damit Belobigungen für gegenüber Demonstranten besonders nachhaltig agierende Polizeibeamte zeitnah ausgesprochen werden können.

    Am Frankfurter Flughafen wird der Fluglärm gebündelt mal dahin mal dorthin verlegt. So entstehen geniale „grüne“ Lärmpausen ohne die Zahl der Flugbewegungen stoppen oder mindern und damit die Wirtschaftlichkeit der Fraport AG antasten zu müssen, schließlich sind das Land Hessen und die Stadt Frankfurt profitierende Mehrheitseigner.

    Der Kassel-Caldener Flughafen wird betriebsdefizitärmäßig radikal abgespeckt und wenn er dann immer noch nicht global wettbewerbstauglich ist: Gnade ihm Gott. Dann hilft ihm auch das Beten nach einem Privatinvestor nicht mehr.

    Ganz witzig erscheint die Autobahn-Ausbauwut der Grünen, die man ja eher als Gegner des MIV kennt, des mit SUVs motorisierten individuellen Verkehrs mit all seinen lästigen Nebenerscheinungen wie Lärm, Schadstoffen, CO2 und Feinstaub. Die A 49 und die A 44 sind nun aber mal rechtskräftig planfestgestellt und da der liebe Gott wohl die Hand im Spiel hatte, können die Grünen ihm nur noch danken, für die Reduzierung bzw. Verhinderung von Ausweichverkehr, vor allem beim Schwerlastverkehr und bauen was das Zeug hält.

    Weil der Herr im Himmel anscheinend Gewerkschaften nicht überschäumend liebt, kehren die Grünen ihm zuliebe nicht in die Tarifgemeinschaft der Länder zurück und überhaupt haben wir laut den Grünen viel zu viele Beamte der unteren Chargen in Hessen. 350 pro Jahr kann frau/ man mit grünem Gewissen locker abbauen, um nachhaltig den Hessen-Haushalt zu sanieren. Eine Milliarde Euro wollen schließlich gespart sein, bevor die Schulden noch vor 2020 Grünspan ansetzen.

    Immerhin, das Ende der „düsteren Zukunft“ naht, da die sogenannte „Operation sichere Zukunft“ mit der die CDU einst die finanzielle Förderung von Frauenhäusern, der Suchthilfe und von Schuldenberatungsstellen zusammenstrich, nun großzügig von Schwarz-Grün in ein „Sozialbudget“ transferiert wurde, mit der Zusicherung der dauerhaften Finanzierung.

    Der Schul-Krieg wird beendet, weil der Kelch der Ganztagsschule an Schwarz-Grün vorbeiging und gegen die soziale Benachteiligung im Schulsystem wegen der paralysierten Rot-Roten des schwarz-grünen Gottes sei Dank nicht vorgegangen werden muss.

    Das mehrgliedrige, schichtenundurchdringliche Schulsystem wird die nächsten 10 Jahre nicht angetastet, da sich die schwarz-grüne Koalition sicher ist, auch bei der Wahl 2019 einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis mit links zuvorzukommen.

    Lieber Bremer, die konservativ-durchdringende Diktion des Koalitionsvertrags mit seiner überholt erscheinenden christlich-abendländischen Tradition ist nun in Hessen als „Ökologische Wende“ angekommen. Wird sie als solche, als historische, als stehende Koalition von den Hessinnen und Hessen angenommen, sehe ich die Felle der rot-roten Opposition vorerst als davongeschwommen.

    Möglicherweise wächst sich der schwarz–grüne vermeintliche Papiertiger dann doch noch zur „Zeitenwende“ und „Liebesheirat “ aus und aus dem „Zweckbündnis auf Zeit wegen eines schwierigen Wahlergebnisses” wird ein Bündnis auf Dauer. Schaun’ mer mal im neuen Jahr, wie es sich anlässt.

  2. So ist nun auch in Hessen die „Ökologische Wende“ angekommen. Wie heißt es so schön im Koalitionsvertrag:

    „Wir werden prüfen ….“ und „Wir unterstützen den wissenschaftsbasierten Prozess auf Bundesebene zur Verwendung bleifreier Munition. Gleichzeitig wollen wir den Einsatz bleifreier Munition im Staatswald anstreben, wo es ohne Einschränkung der Wirkung möglich ist.“ (Seite 19, 775-777)

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