Es war mal ein beliebtes Thema innerhalb des Intellektualismus: Die Kritik an der weihnachtlichen Konsumkultur und dem Warenfetisch. Inzwischen ist eine solche Kritik zahlreich rezipiert und zu hohlen Phrasen verunglimpft worden. Warum sich also noch mit dem Zusammenhang von Konsumkultur und Weihnachten beschäftigen? Ganz einfach: Weil diese Verquickung per se besteht.
Das Problem sowie seine Kritik gestalten sich keineswegs so simpel oder einseitig, wie man es gerne hätte. Oft vertreten natürlich öffentliche, kirchliche Akteure die Position, dass Weihnachten als Geburt Jesu das Fest der Liebe und Besinnlichkeit sei (das freilich mit heidnischen Phallussymbolen wie dem Christbaum belebt wird) und der pejorative Konsumismus dieses eindeutig positiv konnotierte Weihnachtsfest entfremde, ja, vergewaltige, da der Blick auf das Wesentliche durch den Warenfetisch verdeckt würde.
Eine solche Position ist eben viel zu kurz gesprungen: Denn erstens kann das illusorische, naive Gerede von Besinnlichkeit eben nicht mit den Konsumbedürfnissen der Menschen mithalten; zweitens, ist Weihnachten per se kein erstrebenswertes Fest, also kaum als positiver zu bewerten als die Konsumkultur selbst, die es forciert; und drittens, bedingen Konsumismus und religiöse Festivitäten sowie Riten einander.
Warum das Christentum im Kampf mit dem Konsumismus nur verlieren kann, ist einfach erklärt: Das Christentum verkehrt freiwillig in einem kapitalistischen Warensystem. Wenn es innerhalb dieser Matrix agiert, braucht es sich nicht wundern, wenn es bei Negierung dieser Matrix – dem öffentlichen und pseudofreien Warenwettbewerb zur Bedürfnisbefriedigung des Konsumenten – verliert. Zwar lehnt das Christentum von Zeit zu Zeit den Kapitalismus ab, favorisiert aber keine anderen sozioökonomischen oder politischen Alternativen – obgleich immerhin das Neue Testament partiell einen Liebeskommunismus forciert.
Warum Weihnachten kein erstrebenswertes Fest ist, ist fast ebenso rasch und einfach erklärt: Gefeiert wird dort die Vermutung, dass eine historisch nicht erwiesene Persönlichkeit in einer Krippe geboren wird, dann auch noch ein Gott ist und mehrere Tage dort in der Wiege liegen bleibt. Kurz gesagt, man bläst eine reine Spekulation überbordend zu einem sakralen Fest auf und begründet damit eine Religion, die historisch auf Lügen und Blut gebaut wurde, und verkauft das dann als Fest der Liebe. Bereits bei diesem Versteifen auf solch ein übermäßiges Zelebrieren von Religion, an dem hier sogar die religiös eher Desinteressierten partizipieren, liegt ein religiöser Fetisch begründet. Sicherlich sind Werte wie Liebe, Großzügigkeit etc. erstrebenswerte ethisch-normative Parameter, jedoch lässt sich die Notwendigkeit dazu besser absolut säkular-humanistisch legitimieren – mit dem Verzicht auf schädliche, scheinheilige und fetischistische Religiositäten.
Der Fakt des sakralen Fetischs führt uns auch zu der prinzipiellen, nichtseparierbaren Konnexion zwischen Konsumismus und Weihnachten: Der Fetischismus ist ja, wie Böhme festgestellt hat, ein religiöser Mechanismus, der in die Ökonomie translationiert wird, doch innerhalb der Ökonomie nur in seiner eigenen Logik operiert, da nach den Prinzipien Immanenz und Transzendenz agiert wird, wodurch das Verhalten der Gläubigen reguliert wird, sodass ein obskurer Verkehr und Austausch mit dem Transzendenten entsteht und zur Erlösung führen soll. Marx hat dies ja in die Warenanalyse implementiert, wodurch der Fetisch im Kapitalismus nach den Prinzipien zahlen und nichtzahlen operiert. Das Religiöse wird natürlich nicht vollständig in das Ökonomische übertragen, aber dadurch bedingen sich beide, im Zuge des religiösen Warenfetischs, zwecks Warenzirkulation. Durch das Verblassen des Religiösen im weihnachtlichen Konsumprozess, werden nun die religiösen Kultobjekte zu etwas anderem verwandelt, zu schlichten Waren, die meist mit Kitsch übertüncht werden. Andererseits konserviert und tradiert die Konsumkultur damit die Riten des Weihnachtsfestes. Marx hat ja auch nicht umsonst die aufgeklärt-moderne Gesellschaft als implizit religiöse Gesellschaft entlarvt und Adorno und Horckheimer haben darauf aufbauend den universellen Verblendungszusammenhang von Konsumismus und Kulturindustrie (zu dem innerhalb des Sozioökonomischen und -kulturellen auch Religion und Weihnachten gehören) offen gelegt. Der religiöse Fetisch forciert also noch eine Performanz respektive Theatralität der übermäßig mit geistlichen Botschaften gefüllten Waren.
Warum wird nun gerade an Weihnachten dieser kapitalistisch-sakrale Fetisch so heftig ausgelebt, vor allem im Vergleich zum Rest des Jahres oder anderen religiösen Festen, Ereignissen und Veranstaltungen? Erstens, sind Weihnachten und Ostern die wichtigsten christlichen Feste; zweitens, entstand vor allem an Weihnachten eine Kultur des weitgehend reziproken Schenkens, als Zeichen von Liebe und Freude, aber auch dem egoistischen Bedürfnis der himmlischen Erlösung durch gute Taten, wie Großzügigkeit; und drittens, gelang es einigen ökonomischen Akteuren, das Weihnachtsfest zu säkularisieren und ergo die Konsumkultur im Dezember allen Religionen und sogar den Atheisten und Areligiösen zu ermöglichen.
Der letzte Punkt verdient mehr Aufmerksamkeit. Das allseits bekannte Beispiel ist die Ablösung des Christkinds als religiöses Symbol des Schenkens, durch den Weihnachtsmann, der am Nordpol lebe und durch den Kamin in die Wohnungen eindringe. Der Weihnachtsmann machte es möglich, Kulturgrenzen leicht zu überspringen und damit einer wesentlich größeren Kulturindustrie Weihnachten als Kaufanreiz zur Verfügung zu stellen. Brillant hat dies bekanntlich Coca Cola genutzt, indem es in den 1930er Jahren, zur Zeit der Wirtschaftskrise, Santa Claus als Reklame für ihre Cola nutzte. Einmal gelang damit eine Kultur der Amerikanisierung in nichtamerikanischen Regionen und zum anderen wurde Coca Cola somit zum Kultobjekt, da es behaupten konnte, der mythische Experte für Geschenke, Waren und Qualität würde ihr Produkt in seiner Freizeit gegenüber anderen Limonaden präferieren.
Außer dass durch die Gestalt des Weihnachtsmannes und seiner Instrumentalisierung die Konsumkultur teilentchristianisiert angekurbelt wurde – sodass primär und fast ausschließlich im Weihnachtsstress zählt, was man kaufen möchte und welchen materialistischen Wunsch man an welchen Mitmenschen als Geschenkvorschlag vorlegt -, ist die Darstellung des Weihnachtsmannes exemplarisch für die Unterfütterung des weihnachtlichen Warenfetischs per Kitsch.
Kitsch sorgt, angelehnt an Adorno, ja gerade dafür, dass das Ästhetische zu etwas Hässlichem wird und die Kulturindustrie zementiert damit pseudokünstlerisch soziale Verhältnisse. Denn Kitsch verrät gerade jeden ästhetischen Wahrheitsanspruch, es neutralisiert alles Künstlerische, durch seine biedere Tünche und dient der apolitischen Ablenkung von politischen, sozialen und kulturellen Missständen. Gerade darum begann die Instrumentalisierung des Weihnachtsmannes durch den kapitalistischen Großkonzern Coca Cola in Zeiten der Wirtschaftskrise und dem Aufschwung des Totalitarismus, da der kitschige Weihnachtsmann perfekt von solchen Problemen ablenkte und semireligiös für die nötige Erlösung von all diesen Missständen bot, zumindest für die Weihnachtszeit. Der Weihnachtsmann ist dabei natürlich die ideale Verquickung von kapitalistischer Konsumkultur, Kitsch und Weihnachten; denn er ist nicht nur selbst ein eifriger Konsument und Genießer, sondern leitet am Nordpol auch noch eine Fabrik, bestehend aus Rentieren und Weihnachtselfen, gilt also dem Märchen nach selbst als kapitalistischer Akteur. Der Kitsch zeigt sich hierbei auch nicht nur optisch, sondern auch darin, als dass in einem solchem Märchen man freilich nie von Gewerkschaften der Weihnachtselfen, deren Ausbeutung und Entfremdung der Arbeit hört oder sich auch die Rentiere als Nutztiere nie beschweren und nie unter der Last des vollen und schweren Schlittens, bei einer Fahrt rund um die ganze Welt, zusammenbrechen. Außer beim Weihnachtsmann gibt es natürlich auch noch unzählige weihnachtliche Kitschartikel, die es auf jedem Weihnachtsmarkt zu kaufen gibt, von Teelichtern und Glühweintassen über Weihnachtsbaumdekoration bis hin zur kompletten Inneinrichtung der Wohnung. Die kitschige, weihnachtliche Konsumkultur dient also auch der Verschleierung und Ignorierung von Problemen in der diesseitigen Realität. Auch dies teilt die Konsumkultur mit der religiösen Ablenkung, durch hohle, pfäffische Predigten, Gebete und Lobpreisungen an einen – höchstwahrscheinlich imaginären – Gott.
Inzwischen haben sich die Medien teils dieser weihnachtlichen Konsumkultur gebeugt, indem sie diese nicht mehr erwähnen, sondern andere weihnachtliche Themen herausarbeiten, indem sie entweder kirchlichen Würdenträgern eine Bühne geben, zum Weltfrieden aufrufen, den Mangel an Nächstenliebe in der Politik und dem Privaten kritisieren oder über Weihnachten als Familienfest berichten. Fast nur Medien wie der Playboy konzipieren ihre Weihnachtsausgaben aufrichtig im Sinne der Konsumkultur, indem Weihnachten erotisch und hedonistisch ausgelegt wird und dabei leider auf den Sexismus reduziert wird.
Was kann man also tun? Der Zusammenhang zwischen Konsumkultur und Weihnachten ist prinzipiell durch den sakralen Warenfetisch, der von echten Problemen ablenkt und an Weihnachten besonders präsent ist. Durch diese starke Präsenz gelingt es niemandem, dem Konsum oder Weihnachten wirklich zu entgehen, auch wenn wir festgestellt haben, dass beides kaum empfehlenswert ist. In der letzten Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung hat Hilmar Klute schon ganz richtig bemerkt, dass Weihnachten zwar als Fest der biederen Spießer gelte, man ihm und seiner Atmosphäre (des Konsums möchte ich hinzufügen) nicht entgleiten könne. Was können kritische Denker oder Intellektuelle schon tun? Der Zusammenhang von Konsumkultur und Weihnachten kann zwar immer neu interpretiert und kritisiert werden, aber reale Auswirkungen auf die kitschige und banale Weihnachtskultur hat dies kaum. Viele Möglichkeiten bleiben nicht – und manche sind fast absurd: Entweder man wird also radikal und bekämpft diese Weihnachtskultur und agiert als säkular-humanistischer Bürger, statt als Konsument (schon fast revolutionär), mit geringer Aussicht auf Erfolg; oder man taucht jetzt noch bis sechsten Januar unter und isoliert sich, so gut es geht, was sicherlich erfolglos ist; oder man versucht, wie zahlreiche Medien, ein bisschen was Richtiges im Falschen zu produzieren und auf die säkularen und nicht konsumkulturellen Ideen hinter Weihnachten zu verweisen (Nächstenliebe etc.), freilich ohne diese von Weihnachten lösen zu können; oder man erfreut sich wenigstens am Glühwein.
Verwendete Literatur:
Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie (= Gesammelte Schriften, Bd. 7), Frankfurt a. M. 1990.
Böhme, Hartmut: Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Hamburg 32012.
Hasse, Edgar S.: Weihnachten in der Presse (= Studien zur Christlichen Publizistik, Bd. 19), Erlangen 2010.
Haug, Wolfgang F.: Die kulturelle Unterscheidung. Elemente einer Philosophie des Kulturellen (= Berliner Beiträge zur kritischen Theorie, Bd. 12), Hamburg 2011.
Hauschild, Thomas: Weihnachtsmann. Die wahre Geschichte, Frankfurt a. M. 2012.
Klute, Hilmar: Wann denn sonst? Weihnachten, das war doch mal ein Fest für Spießer. Doch eines Tages merkt man, dass der Widerstand gegen das Fest der Liebe zwecklos ist, in: Süddeutsche Zeitung – Wochenende vom 21./22. Dezember 2013, S. 1.
Žižek, Slavoj: The Puppet and the Dwarf. The Perverse Core of Christianity, Cambridge 2003.