Eine Fregatte der Bundesmarine soll den Abtransport und die Vernichtung chemischer Kampfstoffe aus Syrien – also eine Abrüstungsmaßnahme – absichern. Ein Teil der Bundestagsfraktion sieht darin einen abzulehnenden „militärischen Auslandseinsatz“.
In der Bundestagsdebatte am letzten Freitag (4.4.) brachte Christine Buchholz (LINKE/Marx21) in ihrer üblichen Erregungsdramaturgie ihre Argumente für ein „Nein“ ein. Im Vorfeld dieser Debatte sah dagegen der ehemalige Linken-MdB Paul Schäfer mit dieser eigentümlichen Ablehnung eines „Auslandseinsatzes“ die Glaubwürdigkeit der LINKEN als „Abrüstungspartei“ gefährdet. Man könnte über Schäfers Argument hinaus sogar noch darauf hinweisen, dass die jeweiligen deutschen Regierungen widerrechtlich nicht verhindert hatten, dass ausgerechnet deutsche Firmen zu den Rohstofflieferanten für die Herstellung chemischer Kampfstoffe gehörten und dass daraus eigentlich eine besondere Verpflichtung erwachse, dazu beizutragen, dass diese Kampfstoffe beseitigt werden.
Ich meine deswegen: Hier überschreitet der Kreis um Buchholz/Dagdelen/Gehrcke/etc, der sich selbst als Linke in der LINKEN sieht, die rote Haltelinie der öffentlichen Lächerlichkeit. „Lächerlichkeit“ nicht gemessen an irgendeinem vermeintlichen Mainstream („Anbiederung“ an was weiß ich wem), sondern am Maßstab der Realitätswahrnehmung.
Bezeichnenderweise argumentieren die Befürworter eines klaren „Neins“ zu diesem Auslandseinsatz weniger mit der Sache selbst, als indirekt mit ihrer Projektion, es handele sich bei diesem Einsatz um einen „Türöffner“ für weitere Auslandseinsätze und für eine Politik der Einzelfallentscheidung bei Auslandseinsätzen. Das übrigens, obwohl gerade die Vertreter eines so begründeten „Neins“ aktuell bei der russischen Aneignung der Krim diesen militärischen „Einzelfall“ besonders verständnisvoll bemühen.
Aber letztlich geht es im Fall der Fregatte im Mittelmeer tatsächlich um etwas anderes: Adressat ist nur vermeintlich eine „Öffentlichkeit“, sondern die Partei und deren Bundestagsfraktion selbst. Man will sich im Rahmen der innerparteilichen Terrainauseinandersetzung als konsequente „Linke“ in der Partei inszenieren. Als westdeutscher Altlinker kenne ich diese Mechanismen nur zu gut. Formal war die politische Praxis der verschiedenen Sekten (inkl. der DKP) nach außen gerichtet, faktisch war der tatsächliche Referenzrahmen für diese Praxis in großen Teilen die „andere Linke“. Gegnerische Gruppen und vermeintliche „Abweichler“ im eigenen Laden. Deswegen will auch Jeder unbedingt „Linker“ in der Linken sein.
Diese politische Pathologie führte schon zum Suizid der damaligen APO, doch finden wir sie in Teilen wieder in der LINKEN. Gerade die „Außenpolitik“ ist ganz generell die geeignetste Projektionsfläche für Selbstinszenierungen, weil ‚weiter weg‘ und abseits des nachprüfbaren Erfahrungsraums. In diesem Sinn spielt hier auch die „Fregatte“ und ihre konkrete Aufgabe nur eine theatralische Nebenrolle. Und eine Öffentlichkeit außerhalb der eigenen Gemeinde ebenso.
Nun sind wir keine Sekte mehr, sondern eine nicht unerhebliche Partei mit einer nicht unerheblichen Verantwortung für eine nicht unerhebliche Anzahl von WählerInnen, die sich kaum als Kulisse für fraktionelles Theater verstehen wollen. Offensichtlich kann man – Schopenhauer paraphrasierend – in derselben Umgebung [Partei] und in zwei verschiedenen Welten leben. Nun wird von der Fraktionsspitze (Gysi) vorgeschlagen, sich ‚en bloc‘ zu enthalten. Nur wird man auch nicht ewig mit vereinbarten „Enthaltungen“ die Kluft zwischen den beiden Politikwelten überbrücken können. Sind fraktionsintern begründete Enthaltungen doch nichts weniger als Offenbarungen eigener Handlungsunfähigkeit. Insofern die schlechteste Entscheidungsalternative.
Jörg Prelle
Der Autor kritisiert, mit Recht, die als innerparteilich angelegte Art der Auseinandersetzung von einigen MdBs. Leider bleibt er aber selbst in der Logik dieses innerparteilichen Strömungshickhacks. Womit ein weiterer Beweis dafür geliefert wäre, dass diese Partei mit emanzipatorischem und unabhängigem Denken wenig am Hut hat.
Wem, wenn nicht Strömungsstreitern und Jobsuchern soll das hilfreich sein?
Bodo Ramelow ist da schon etwas weiter: http://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/1134.illusion-regieren-illusion-protest.html
Ich bin verwundert, das überhaupt 58 Linke MdB anwesend waren (und nur 6 gefehlt haben). Anwesend u.a. die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra W.. – Gab’s keine Talk-Show ?
35 nein, 18 Enthaltungen, fünf Ja-Stimmen.
Ich hätte doch mit mehr Ja-Stimmen gerechnet und bin über das Abstimmungsverhalten Halina Wawzyniak und anderer recht verwundert.
Die Linksfraktion bekommt noch nicht einmal hin, sich intern auf eine „Enthaltung“ bei divergierenden Meinungen zu einigen. Hier offenbart sich jedem, das mit einem „Politikwechsel“ in nächster Zeit (im Rahmen einer Koalition) nicht zu rechnen ist. Das zeigt für mich die Politikunfähigkeit dieser beiden Politsekten in einer Partei.
..es ist schon eigenartig immer wieder feststellen zu müssen wie einige Linke sich ihre Welt „basteln“ und „siegessicher“ agieren, unfähig wirkliche politische Sachverhalte (neu) zu bewerten…
Nachtrag:
Die Bundestagsfraktion hat sich nun dafür entschieden, die Entscheidung über den Einsatz der Fregatte freizugeben. Das ist eine gute und weise Entscheidung. „Gut“, weil das Gegenteil bedeutet hätte, dass man sich einem parteiintern motivierten, inszenierten und instrumentellen „Pazifismus“ am völlig falschen Objekt gebeugt hätte. „Weise“, weil man so nach außen vermittelt, dass die linke Bundestagsfraktion in der Lage ist, sich eine differenzierte Diskussion über diesen Auslandseinsatz mit einem konkreten Realitätsbezug zu leisten. Dass es dabei unterschiedliche Einschätzungen geben muss und diese sich auch in unterschiedlichem Abstimmungsverhalten äußert, kann nur dem öffentlichen Bild der Partei dienen – von den überschaubaren Freunden der ‚Jungen Welt“ gerne abgesehen.
Die parteipsychologischen Umstände sind allerdings so, dass es nötig ist, den Mut derjenigen, die für diesen konkreten Einsatz stimmen, hervorzuheben und ihn unterstützen sollte. Sozialisten mit Rückgrat machen ihrerseits Mut.
Vielleicht liegt es aber auch daran das die möchtegern „linken Linken“ noch im letzten Jahr die Solidarität mit der syrischen Regierung gesucht haben… oder einfach daran, das sie einfach nicht mehr dazu in der Lage sind auf Inhalte zu achten. Sonder der Beißreflex immer dann loss bricht, wenn eine Idee von einem politischen Mitbewerber kommt der als Gegener wahr genommen wird… Frei nach dem Moto es ist nicht wichtig was Jemand sagt, es ist nur wichtig wer es sagt, sagt es der falsche muss es auch falsch sein…
leider ist es doch so, das DIE LINKE keine politische Partei ist die partei für etwas ergreift… sondern nur eine Zweckgemeinschaft von Sekten ist, denen es um partikulare Interessen der Eigenfinanzierung geht und da ist jedes Mittel um auf sich Aufmerksam zu machen gerne gesehen, egal wie unsinnig oder irrational auch immer…
Von der Abstimmung als Knüppel im innerparteilichen Kampf mal abgesehen, was für eine inhaltliche Aussage wird eigentlich mit einem „Nein“ getroffen?
1. Die Abrüstung der syrischen Chemiewaffen ist falsch
Was ich selbst beim reaktionären Linken-Flügel mal nicht vermuten möchte.
2. Der Einsatz ist richtig soll aber ohne deutsche ‚Beteiligung stattfinden
Einer der vielen selbsternannten Außenpolitiker der Linken hat sinngemäß gesagt, die deutsche Fregatte sei überflüssig, das sollten doch die Amerikaner machen
Mit anderen Worten Militär darf eingesetzt werden, aber bitte kein deutsches Militär. Eine ziemlich unsolidarische Ausssage, genau genommen.