Zumindest Die Linke scheint nicht dem allgemeinen Trend zu vorweihnachtlicher Besinnlichkeit folgen zu wollen. Seit Wochen schon beschäftigt sich die Partei, die eigentlich als Oppositionsführerin im Bundestag wichtige Aufgaben hätte, mit dem sogenannten „Toilettengate“ und seinen Folgen. Daran hat sich – mal wieder – eine innerparteiliche Debatte über den richtigen oder noch viel richtigeren Umgang mit Israelkritik, der Definition des und der Abgrenzung zum Antisemitismus und den künftigen Weg der Sozialisten entzündet. Die eine Seite sammelt weiter fleissig Unterstützer, die eifrig das „Ihr sprecht nicht für uns!“ skandieren. Die andere Seite ergeht sich wohlgeübt in mehr oder weniger wortreichen Erklärungen, wer aus ihrer Sicht die eigentlich Schuldigen am bedauernswerten Zustand der Partei seien. Mit dem „Friedenswinter“ haben beide Seiten nun ein neues Betätigungsfeld für ihre endlos scheinenden Grabenkämpfe gefunden, um den Streit ja nicht abkühlen zu lassen.

Dieser „Friedenswinter“ möchte zur Jahreswende den Faden ergreifen, den die westdeutsche Friedensbewegung schon vor Jahren hat fallen lassen und der seit einiger Zeit von den durchaus umstrittenen sogenannten „Montagsmahnwachen“ wieder aufgenommen worden ist. Noch im Mai hatte sich zumindest die Führung der Partei von diesen Aktionen distanziert und in einem Vorstandsbeschluss auf den zweifelhaften Charakter der Veranstaltungen hingewiesen. Doch schon damals beteiligten sich Abgeordnete der Sozialisten mehr oder weniger offen an den Mahnwachen.

Auch der „Friedenswinter“ übt nun den Schulterschluss zwischen linken und rechten Friedensfreunden, wenn es denn nur gegen den richtigen gemeinsamen Feind geht. So gehören, neben zahlreichen lokalen Montagsmahnwachen, mit Ken Jebsen und Lars Mährholz zwei besonders prominente und umstrittene Vertreter der Mahnwachenbewegung zu den Unterstützern der Aktion. Es finden sich mit Sahra Wagenknecht, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Jutta Krellmann, Kathrin Vogler, Konstantin Wecker, Reinhard Mey, Norman Paech, Albrecht Müller und Peter Sodann – um nur einige aufzuzählen – zudem linke Bundestagsabgeordnete und mit der Linken freundschaftlich verbundene Prominente unter den Unterzeichnern des Aufrufs.

Eine solche Querfront zwischen rechten und linken Friedensfreunden hat natürlich sofort Kritiker innerhalb und ausserhalb der Partei auf den Plan gerufen. Besonders sauer stösst hierbei auf, dass die schon lange gefassten Abgrenzungsbeschlüsse der Parteiführung von den eigenen Genossen dabei bewusst missachtet werden. Wobei es allerdings wohl kaum zu vermitteln ist, dass man sich einerseits in Abgrenzung üben will und andererseits die Fraktion durch eine Anzeigenschaltung in der Zeitung des „Friedenswinter“ diesen nicht nur politisch, sondern auch finanziell unterstützt. Dass mit Wagenknecht und Bartsch die Wortführer beider Flügel der Sozialisten dafür verantwortlich zeichnen, macht die Verwirrung der Partei komplett.

Am heutigen Samstag, passend zur Sitzung des Parteivorstandes in Berlin und dem morgigen ersten Advent, hat nun die „Sozialistische Linke“, die als einflussreichste westdeutsche Strömung gilt und Sahra Wagenknecht nahe steht, mit einer Erklärung nachgelegt. Unter der Überschrift „“Friedenswinter“ unterstützen, für fortschrittliche Ausrichtung kämpfen!“ ruft man zur Teilnahme an den geplanten Aktionen auf. „Das bedeutet nicht, sich mit allem gemein zu machen, was andere Aufrufende oder Beteiligte an den Aktionen in anderen Zusammenhängen äußern.“, so die SL weiter. Denn es kann „nicht von allen TeilnehmerInnen an Friedensdemonstrationen erwartet werden, dass sie bekennende Linke sind.“

Um ihre Erklärung mit der Debatte über den latenten Antisemitismus in der Mahnwachenbewegung und vor allem in der Linken zu verbinden, betont man nochmals, „dass ein exzessiver Gebrauch des Antisemitismusvorwurfs diesem die Schärfe nimmt.“ Denn, „Wer Menschen, die nur eine oberflächliche Kapitalismuskritik vertreten, mit bewussten HolocaustlegnerInnen und VernichtungsapologetInnen auf eine Stufe stellt, verharmlost letzten Endes die Schrecken der Shoah.“ Für Linke gäbe es keinen Grund für eine pauschale Distanzierung, besonders im Hinblick auf „die Zusammenarbeit mit Menschen der sog. Mahnwachenbewegung, die nicht auf rechte Tendenzen reduziert werden dürfen.“

Damit dürfte es der Sozialistischen Linken gelungen sein, dass Die Linke sich weiterhin in innerparteilichen Flügelkämpfen verausgabt. Schon in der nächsten Woche soll in der Fraktion über die Unterstützung für den „Friedenswinter“ und die Anzeigenschaltung gesprochen werden. Dabei sind doch zur Zeit Fraktions- und Parteiführung und vor allem Fraktionschef Gysi noch mehr oder weniger erfolgreich damit beschäftigt die angesichts des „Toilettengate“ offenen ausgebrochenen Streitereien mühsam zu deckeln. Ob es besonders Gysi gelingt noch einen weiteren Konflikt zwischen den auseinanderstrebenden Flügeln der Partei unter Kontrolle zu halten, darf zumindest bezweifelt werden.
(mb)

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