Respekt und Schiedsgerichte – Linke streitet weiter über innerparteiliche Demokratie

Die Financial Times meint die Linke wieder bei ihrer alljährlichen Lieblingsbeschäftigung ausgemacht zu haben, der Beschäftigung mit sich selbst. Angesichts der intensiver werdenden Debatte über das Verfahren zur Bestimmung eines neuen Parteivorstandes sieht man zwei gegensätzliche Demokratiemodelle bei der Linken. Die „kooperative Führung“ durch Auswahl eines „gewissen Kreis“ und den basisdemokratischen Mitgliederentscheid, wie ihn die Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Schleswig-Holstein fordern. Letzterer krankt, so die FTD, noch an einem Mangel geeigneter Kandidaten und juristischer Unwägbarkeiten, ob ein solches Verfahren satzungsmässig zulässig ist.

Über die Zulässigkeit eines (empfehlenden) Mitgliederentscheides gibt es – wir berichteten – bislang lediglich ein ablehnendes „Gutachten“ des MdB Nešković, nebst einer Replik seiner Kollegin Wawzyniak, die auch gleichzeitig Mitglied des Parteivorstandes ist. Sie legt dar, dass ein solcher Entscheid durchaus vom Satzungsgeber gewollt und vom Parteienrecht gedeckt ist. Auch die beiden Geschäftsführer der Partei sollen sich bereits ähnlich geäussert haben. Endgültige Klarheit wird allerdings erst das beauftrage Gutachten bringen, welches zur Sitzung am 12. Januar vorliegen soll.

Zur Kritik am Mitgliederentscheid und den von Gysi und Lafontaine ins Spiel gebrachten „gewissen Kreisen“ äusserte sich auch Steffen Bockhahn, der Vorsitzende der Linken in Mecklenburg-Vorpommern mit den Worten: „Wir wollen eine Empfehlung für den Parteitag. Was wir nicht wollen, sind Kungelrunden, die etwas ausbaldowern, was dann wieder nicht funktioniert.“. Bei der Forderung nach einer Beteiligung der Mitgliedschaft weiss Bockhahn seinen Landesvorstand komplett hinter sich, da der eingebrachte Antrag ohne Gegenstimme beschlossen worden ist. Unserem Blog gegenüber äusserte Bockhahn, dass er gewillt ist „vor die Bundesschiedskommission zu gehen, wenn versucht wird, den Mitgliederentscheid zu blockieren“. Er sieht alle formalen Kritierien für einen Mitgliederentscheid erfüllt und fügt hinzu: „In jedem Fall werden wir alles unternehmen um zu verhindern, dass wieder in Hinterzimmern eine Spitze ausgewürfelt wird, die einigen passt, egal ob sie geeignet ist.“.

Oskar Lafontaine hingegen bleibt bei seiner Ablehnung eines Mitgliederentscheides und stellt fest: „Das Parteiengesetz schreibt zwingend vor, das Parteivorsitzende von Parteitagen gewählt werden“. Wobei dieser Sachverhalt auch von den Befürwortern eines Mitgliederentscheides genau so gesehen wird, da die Mitgliedschaft lediglich eine Empfehlung an den letztlich wählenden Parteitag geben soll. Lafontaine nimmt die sich selbst auch für einen Mitgliederentscheid aussprechenden bzw kandidierenden derzeitigen Vorsitzenden vor ihrer eigenen Courage in Schutz und stellt fest: „Auch aus Respekt vor ihnen verbietet sich nach meiner Überzeugung während ihrer Amtszeit eine Befragung“. Ob angesichts der lauter werdenden Stimmen aus den mitgliederstarken, realpolitischen Ostverbänden eine solche Positionierung Lafontaines (und auch Gysis) an der Seite des Retroflügels der Partei erfolgversprechend für die nahe Zukunft sein kann, wird sich aller Voraussicht nach schon Mitte Januar zeigen.
(mb)