Von Kriegspropaganda, Kriegstreibern und Parteivorsitzenden

Wer, wie aktuell von Gregor Gysi gefordert, dachte, dass die Debatte um das Prozedere der anstehenden Vorstandswahl und die Kandidatenfindung nun nach der Absage der Mitgliederbefragung in ruhigeres Fahrwasser eingelaufen ist, hat sich wohl geirrt. Das Presseecho von TAZ bis FAZ auf die durch den Beschluss des Parteivorstandes offenkundig gewordenen internen Demokratiedefizite der Linken ist sicher nicht hilfreich dabei, die Umfragewerte von derzeit 7% (emnid vom 15.1.12) wieder auf ein stabiles Niveau zu heben. Auch das Ergebnis der Fraktionsklausur in Form einer Übersicht der bis 2013 zu bearbeitenden Themen kann in diesem Sinne nicht begeistern, da hier die immer gleichen Parolen und Forderungen der letzten Jahre aufgewärmt werden. Zumal man den Schlusssatz „Die Fraktion DIE LINKE steht für mehr direkte Demokratie – auch in ihrer alltäglichen Arbeit.“ angesichts des Weniger an direkter Demokratie in der Partei selber nur als redaktionell unbeabsichtigte Selbstironie verstehen kann.

Unter dem Eindruck dieser doch nicht endenden Debatte über Personen, Weg und Ziel der Partei, kommt es nicht gelegen, dass ein eigentliches Randthema linker Politik den Weg in den Fokus der Medien und der Öffentlichkeit findet. Wie bereits berichtet haben einige MdB der westdeutschen Landesverbände einen umstrittenen Aufruf unterzeichnet, der durchaus als Solidaritätsadresse mit den gegen die Demokratiebewegungen in ihren Ländern kämpfenden Regimes Syriens und des Iran (miss)verstanden werden kann. Statt nach parteiinterner Kritik von unterschiedlichen Seiten zurück zu rudern und die eigene Position zu überdenken, legen die Unterzeichner weiter nach. So sieht sich Diether Dehm von einer Vereinigung von Kriegstreibern verfolgt, die er als „gewalttätige Macht der Schreibtischkrieger in CDU, Spiegel, Springer-Presse und ähnlichen Propagandaquellen“ beschreibt und den Kritikern – wohl auch aus den eigenen Reihen – ins Stammbuch schreibt, dass „Wer die Warnerinnen und Kämpfer gegen den Krieg einzuschüchtern und zu verleugnen trachtet“ den Krieg erst ermöglicht. Die MdB Dagdelen sekundiert in der Jungen Welt und hält berechtigte Kritik an dem von ihr unterzeichneten Aufruf für „Denunziationen“, die „schlicht Lügen und Teil der Kriegspropaganda“ seien. Bemerkenswert hier ist dann aber ihre Aussage, dass wirtschaftliche Sanktionen gegen autoritäre Regime nutzlos sind und lediglich die Bevölkerung treffen bzw diese enger mit dem Regime zusammenarbeiten lassen. Erstaunlich, da man so auch die Sanktionen gegen Südafrika und südamerikanische Militärregierungen in der Vergangenheit oder aber die auch von den politischen Freunden Dagdelens geforderten Sanktionen gegen die Türkei und Israel aus seinem nichtmilitärischen Massnahmenkatalog der Aussenpolitik streichen kann.

Einen Schritt weiter geht in der gleichen Ausgabe der Jungen Welt dann Werner Pirker mit seinem Schwarzen Kanal, in dem er nicht nur gegen die „kriegsgeilen Blockwarte vom BAK Shalom“ wettert, sondern gleich auch noch den ungeliebten, aber wohl auch gefürchteten, Kandidaten für den Parteivorsitz Dietmar Bartsch nach bester von-Schnitzler-Art aufs Korn nimmt. Bartsch sei, „neben Bodo Ramelow und Petra Pau einer der Schutzpatrone der Freunde des amerikanischen Krieges“ und da er ein „würdiger Kandidat der FAZ und der Shalom-Antideutschen für das Amt des Linksparteivorsitzenden“ sei, wohl aus der Sicht der Jungen Welt und ihrer linksreaktionären Einflüsterer in der Linken somit unwählbar. Wem diese verdrehte Verortung des ungeliebten Kandidaten politisch (noch) nicht opportun erscheint, dem liefert man eine weitere „politische Einschätzung“ der Vergangenheit des Dietmar Bartsch, mit Bezug auf die eigene Publikation, die laut eigener Aussage als „unabhängiges Medium“ unter einem „versteckten Anzeigenboykott der Linkspartei“ zu leiden hat. Gegen die von Pirker im BAK Shalom identifizierten „Blockwarte“ liegt nun auch zumindest der Entwurf eines Antrags an die Schiedskommission der Linken vor, der die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im BAK Shalom und der Linken feststellen lassen will, um so per Entscheid des obersten Parteigerichts alle Mitglieder des BAK Shalom aus der Partei ausschliessen zu können.

Mittlerweile hat die Debatte über den kritisierten Aufruf, die (mögliche) Solidarität von Teilen der Linken mit Syrien und dem Iran und der Umgang innerhalb der Linken mit dieser Kritik den Weg in die „bürgerliche“ Presse und somit in die breite Öffentlichkeit gefunden. In einem Leitartikel der vom 13.1.12 stellt Christian Bommarius die Unterzeichnung des Aufrufs durch Dehm, Dagdelen und andere MdB in eine Reihe mit Aktionen und Äusserungen der MdB Höger und Groth, die auch schon innerhalb und ausserhalb der Partei zu heftigen Diskussionen über das Demokratieverständnis der Linken und ihre Haltung zu Menschenrechten geführt haben. Diskussionen, die nach der Aufarbeitung des Unrechts der SED und die oft schmerzhafte Wandlung der Partei in Die Linke durch Bartsch, Pau und andere Genossen des sogenannten „Reformblocks“, eigentlich nicht mehr geführt werden müssten. Bommarius schliesst hier folgerichtig von den linksreaktionären Teilen der Partei den Kreis zu den Personaldebatten und Wahlchancen der Linken und endet im Bezug auf Dehm, Dagdelen und ihre Unterstützer mit der – vermutlich richtigen – Feststellung: „Fliegt dieses Personal nicht endlich vom Platz, muss die Partei zum nächsten Spiel gar nicht mehr antreten.“
(mb)

4 Kommentare

  1. Jau, echt total „linksreaktionär“.

    Wie kann man allen Ernstes Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens gegen die Kriegstreiber aus USA und EU, die doch in den letzten zehn Jahren immer wieder ihren vehementen Einsatz für die Lebensrechte von Menschen in aller Welt demonstriert haben fordern???

    Mal von den über 1 Million Kriegsopfern im Irak, mehreren Hunderttausenden Kriegsopfern in Afghanistan, bisher weit über 50.000 Kriegsopfern in Libyen usw. abgesehen?!

    Die progressive „kritische Linke“ übernimmt dankbar jede noch so dümmliche Propaganda der Protagonisten und Erfüllungsgehilfen dieses billionenschweren Geschäftsmodells namens Krieg und Imperialismus.

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