Schon in der Hochzeit der Partei Die Linke in der Bundesrepublik – die gleichzeitig auch die aktivste Zeit unserer kleinen Publikation war – konnten wir durchaus prophetisch hervorsehen, dass es mit diesem in einem Parteikörper zusammengepferchten Flickenteppich westdeutscher Alt- und Neulinker und ostdeutscher SED-Nachfahren zu keinem für linke Politik in Deutschland guten Ende kommen wird.
Bereits zu den Wahlen 2017 hatte Die Linke ihre Vertretungen in westdeutschen Parlamenten größtenteils wieder eingebüsst und auch im Osten und auf Bundesebene knirschte es nicht nur im Parteikörper, sondern auch bei den Wahlerfolgen. Kurzfristige Mitregierungsausflüge in Brandenburg oder Berlin oder gar die Übernahme der Landesregierung in Thüringen waren da eher die Ausnahmen, die die Regel des politischen Abstiegs bestätigten.
Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Partei, die angetreten war die Politik in Deutschland grundlegend zum Bessere für die Menschen zu verändern, in Westdeutschland nur noch in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen parlamentarisch vertreten – in Bremen kurioserweise sogar in einer Regierungskoalition (!). Im Osten des Landes – ihrem jahrzehntelang sicheren Hafen – ist sie in Brandenburg aus dem Parlament geflogen und in Thüringen aus der Mitregierung, in Sachsen konnte sie sich nur mittels dreier Direktmandate in den Landtag retten. Rot-Rot-Grün in Berlin ist schon längst Geschichte und zur letzten Bundestagswahl retteten lediglich drei errungene Direktmandate den Einzug als Fraktion in den Bundestag.
Hatten wir als Potemkin schon länger auch darauf hingewiesen, dass mindestens zwei Herzen in der Brust der Linken schlagen und angeregt ein Ende mit Schrecken statt eines Schreckens ohne Ende zu suchen, haben Teile der Partei im Oktober 2023 tatsächlich die lange notwendige Trennung vollzogen. Unter der Führung von Sahra Wagenknecht und organisiert im „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (kurz BSW) traten führende Mitglieder von Fraktionen und der Partei aus diesen aus und in das BSW ein. Die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke war damit Geschichte und der Bruch der Partei vollzogen.
Das BSW konnte durch die Mitnahme der Mandate der „Überläufer“ und die mediale Präsenz ihrer Führungsfigur aus dem Stand nicht nur zweistellige Erfolge in Wahlen einfahren, sondern regiert seit Dezember 2024 auch in Brandenburg und Thüringen mit. In Thüringen sogar zusammen mit der CDU in einer Koalition mit der SPD als Juniorpartner. Zu den vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar diesen Jahres wird erwartet, dass das BSW in den Bundestag einziehen kann.
Für die Partei Die Linke hingegen wird 2025 wohl das Jahr sein, in welchem sie auf bundespolitischer Ebene endlich in die wohlverdiente Bedeutungslosigkeit entschläft. Umfragen sehen, wenn überhaupt, 3% für die Partei, die noch vor 10 Jahren über R2G auf Bundesebene halluziniert hat. Nach der Auflösung der Fraktion im Bundestag und dem (vermutlich kurzzeitigen) Erstarken des konkurrierenden BSW, erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass die sogenannte „Mission Silberlocke“ es vermag den zerfallenden Parteikörper nochmals in den Bundestag zu hieven.
Auf landespolitischer Ebene sind die Zerfallserscheinungen der Linken ebenso deutlich. In Berlin, wo man noch vor wenigen Jahren mitregierte, sind führende Köpfe der Partei aus Protest gegen die undifferenzierte Hamasfreundlichkeit (oder den latenten Antisemitismus) ausgetreten. Einige werden sicher bei der hauptstädtischen SPD wieder auftauchen, andere werden gänzlich in der Versenkung verschwinden. So werden ganze Landesverbände nur noch von einer Restlinken beherrscht, die irgendwo zwischen aggressivem „Wokismus“, Antisemitismus und Ostalgie bedeutungslos hin und her wabbert.
Mit dem BSW ist zumindest für die dort untergekommenen Parteikader und ihre Wähler eine Alternative entstanden, in der es nicht vorrangig um den Sozialismus oder gar woken Populismus geht, sondern die lediglich versucht eine Art national orientierte soziale Marktwirtschaft in und für Deutschland zu erreichen oder in noch bestehenden Bereichen zu konservieren. Ob dies langfristig trägt, bleibt abzuwarten. Der sich verstätigenden Krise des Kapitalismus wird man aber auch mit diesem Versuch eher nicht entgegenwirken können, weil das politische und gesellschaftliche Pendel schon längst (vorhersagbar) in die entgegengesetzte Richtung schwingt und sich eben nicht mehr auf nationale Ebene einhegen lässt.
Rings um Deutschland, das politisch in der letzten Zeit vorrangig über Gendersternchen oder Wärmepumpen diskutiert hat und dessen letzte Regierung an Haushaltsfragen rund um die Kriegsvorbereitung zerbrochen ist, ist der weltumspannende Kapitalismus in eine neue Phase seiner inhärenten Krisenhaftigkeit eingetreten. Während Profite in der Realwirtschaft schrumpfen und Massen verarmen, kumuliert sich immer mehr Reichtum bei den herrschenden 1%. Dieser Reichtum ist in der Realwirtschaft nicht mehr nutzbringend vermehrbar und befeuert somit unzählige Abarten von virtuellen „Märkten“, deren Erstarken gleichzeitig das Erlahmen bedürfnisbefriedigender Produktion verstärkt.
Die kapitalistischen Blöcke USA, EU, Russland und auch China sehen sich zunehmend in einem immer härter werdenden Wettbewerb untereinander um noch die letzten Wertsteigerungen für ihre herrschenden Klassen zu realisieren. An einigen Stellen des Globus wird aus diesem Wettbewerb ein offener Krieg (der die Rüstungswirtschaft fördert!) um die beste Ausgangsposition für die Endphase dieser Runde des Kapitalismus. In den betroffenen Ländern orientieren Politik und Wähler mehr oder weniger offen auf eine rechte, gar faschistische Ausgestaltung ihrer sogenannten „Demokratien“, weil rechte Parteien und Demagogen versprechen, dass sie in der Lage seien zumindest auf nationaler Ebene den ihnen folgenden Volkskörper vor den Schrecken des entfesselten Spätkapitalismus mehr schlecht als recht zu schützen.
Gerade in dieser brisanten weltpolitischen Lage, die nicht von ungefähr an die 20er des letzten Jahrhunderst erinnert, wäre eine starke linke Alternative in Deutschland (und nicht nur dort) wünschenswert und notwendig. Die Frage bleibt aber woher Personal, Willen und Wähler dazu kommen sollen? Aus den abgenagten Resten der Partei Die Linke und ihrem Umfeld sicher nicht. Von daher bleibt lediglich zu hoffen, dass die Wiederkehr von rechtem Nationalismus und imperalistischen Handeln der Machtblöcke einen nicht ganz so harten Aufschlag erfährt wie in den 40ern des letzten Jahrhunderts.
Angesichts des Scheiterns des Staatssozialmus zum Ende des letzten Jahrhunderts, ist das Verschwinden linker Kräfte in den westlichen Demokratien ohnehin nur folgerichtig. Zumal dann, wenn Teile von ihnen auf die historische Zwangsläufigkeit der Verelendungstheorie gesetzt und eine Revolution der verarmten Massen erwartet haben. Wie eine neue linke Vision der zukünftigen Weltgeschichte aussehen kann, mit welchen Versprechen für die im Kapitalismus um ihren Mehrwert betrogenen Menschen sie aufwarten kann, bleibt abzuwarten. Welche Rezepte untauglich sind, sollten alle Linken nun zur Genüge und oft schmerzlich gelernt haben.
(mb)
Zur Einordnung des Autors eine persönliche Anmerkung:
Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in und mit der organisierten Linken in Deutschland habe ich für mich persönlich einen Schlussstrich gezogen und werde das politische Geschehen nunmehr von Aussen betrachten. Mein Lebensmittelpunkt für die mir verbleibenden Jahre ist nun eine Insel am Rande der europäischen und weltpolitischen Aufmerksamkeit, deren regierende (sozialdemokratische?) Partei es perfektioniert hat, dass eine ganze Volkswirtschaft wie ein Floh von den Zuständen dieser spätkapitalistischen Welt lebt und es zumindest den wenigen Menschen im Land ermöglicht ein noch sorgenfreies Leben mit üppigen Staatsausgaben und politischen Wohltaten zu leben.