Personalkarussell dreht sich wieder: Gesine Lötzsch tritt als Parteivorsitzende zurück

Wie am späten Dienstagabend bekannt wurde, tritt die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch aus familiären Gründen von ihrem Amt zurück. Sie will sich in Zukunft ausschliesslich auf ihr Bundestagsmandat konzentrieren. Den langjährigen Vorsitz des Berliner Bezirksverbandes Lichtenberg hat sie bereits seit der Hauptversammlung im März nicht mehr inne, dort trat sie nicht mehr an. Noch im Oktober 2011 hatte sie allerdings erklärt, dass sie sich wieder um das Amt der Parteivorsitzenden auf dem kommenden Parteitag in Göttingen bewerben wolle. Nach ihrem Rücktritt ist anzunehmen, dass die Personaldebatte in der Linken wieder auflebt. Bislang hielt die Übereinkunft, dass vor den entscheidenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen keine Diskussionen über mögliche Kandidaturen geführt werden sollen, um den Wiedereinzug in beide Landesparlamente nicht zu gefährden. Oskar Lafontaine wurde allerdings trotzdem in letzter Zeit als möglicher Parteivorsitzender und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013 ins Gespräch gebracht. Die Position der weiblichen Vorsitzenden ist nach dem Rücktritt von Lötzsch nun vakant und es bleibt abzuwarten, ob mögliche Kandidaturen und Namen tatsächlich erst nach den anstehenden Wahlen in den innerparteilichen Ring geworfen werden.
(mb)

Für weitere Reaktionen aus Partei, Politik und Medien sei auf die Sammlung bei Lafontaines Linke hingeweisen.

Ein Hauch von Grass zu Ostern und der Zug des Aufatmens

Deutschland atmet in diesen Ostertagen endlich auf und feiert die Wiederauferstehung seines grössten Dichters als moralische Instanz derer, die seit 1945 schweigen mussten. Günter Grass hat es mit seinem, sprachlich verunglückten, Gedicht „Was gesagt werden muss“ geschafft, die Volksseele endlich von einer Last zu befreien, die ihr seit dem Ende des Dritten Reiches wie ein Stein auf der Seele gelegen hat. Exakt abgepasst zum christlichen Osterfest, zur Erinnerung nicht nur an die Auferstehung Jesu, sondern auch an seine Kreuzigung durch die römischen Besatzer und die ihnen verbundenen jüdischen Eliten, und den alljährlich stattfindenen Ostermärschen einer zunehmend desorientierten Friedensbewegung in Auflösungserscheinungen, sagt er endlich das, was vermeintlich nötig ist, um Christen, Linke, Rechte und vor allem Deutsche zu einigen: Israel gefährdet den Weltfrieden. Nicht etwa die Politik der rechten israelischen Regierung oder das gegenseitige verbale Aufschaukeln der Akteure im Nahen Osten sind Gegenstand dessen, was Grass jetzt nach Jahrzehnten geradezu dazu zwingt sein Wort an die Deutschen zu richten. Nein, es ist einzig und allein Israel und eine von Grass verspürte Atmosphäre des Schweigens, des Lügens und des Wegschauens angesichts der von ihm proklamierten Tatsache, dass Israel in „Planspielen“ schon längst nicht nur das Ende des Iran und seines „von einem Maulhelden unterjochte(n) und zum organisierten Jubel gelenkte(n)“ Volkes, sondern die Entzündung eines wahren Weltenbrandes beschlossen hat.

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Die Linke entdeckt den Soldaten als Mittel zum Zweck

Inge Höger und Christine Buchholz, zwei der Antragsteller, die sich im Namen der Linken vorgeblich um die Kommunikation der Bundeswehrangehörigen im Kriegseinsatz sorgen, haben in einer persönlichen Erklärung die wirklichen Beweggründe des Antrages dargestellt. Es geht, neben allerlei friedensfolkloristischem Beiwerk, schlichtweg darum, die Soldaten und ihre Angehörigen gegen die Parteien in Stellung zu bringen, die Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln betrachten. Der Soldat interessiert hier nicht als Subjekt mit seinen Sorgen, Ängsten und Nöten, sondern ist lediglich Objekt des oppositionellen Handelns einer Partei, die sich mit ihrem selbstgefühlten Markenkern „Pazifismus“ im Abwind befindet.

Beide argumentieren damit, dass der Soldat „die Heimkehr noch sehnlicher herbeiwünschen und sich häufiger die Frage nach dem Sinn und Unsinn dieses Krieges stellen“ wird, der „von seinem Sohn (!) jeden Abend am Telefon gefragt wird: „Wann kommst du endlich nach Hause?““. Wie weit man als Linker dieser durchaus menschenverachtenden Logik des Friedens folgen mag, in der die betroffenen Familien gegen das Handeln ihrer Angehörigen im Dienst ausgespielt werden sollen, bleibt offen. Aber scheinbar heiligt der pazifistische Zweck die Mittel, denn „Der freie und ungestörte Internetzugang fördert nicht die Kampfmoral, er dämpft diese.“. Und wenn die Menge der demoralisierten Kriegsversehrten und durch ungehinderte Berichte nach Hause traumatisierten Familien nur gross genug ist, wird jeder Auslandseinsatz in sich zusammenbrechen. Immerhin kann der Rest der Bevölkerung diese kommunikative Abrüstungskampagne mitverfolgen, denn „Alle Zeitungen, und speziell die „junge Welt“ würde von einer Situation profitieren, in der sie ungehindert Kontakt mit einzelnen Soldaten im Kriegseinsatz aufnehmen könnten.“.

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In eigener Sache Teil 2: Pharao und Kellermann ziehen tatsachenwidrige Behauptung zurück

Letzte Woche wurden hier auf potemkin die Genossen Pharao und Kellermann aus der BO Linden-Limmer aufgefordert Behauptungen bezüglich des Genossen Michael Braedt richtig zu stellen. Genannte Genossen hatten behauptet, dass der Potemkin Redakteur Sanchez Brakebusch von Parteimitglied Michael Braedt öffentlich als Verfassungsschutzagent bezeichnet worden war. Dieser Umstand ist nachweislich falsch. Pharao und Kellermann mussten nun zugeben, dass sie die vermeintlichen öffentlichen Behauptung Braedts lediglich aus dem offenen Brief des Genossen Sanchez Brakebusch selbst gefolgert hatten. Sanchez Brakebusch dazu: „Nichts ungewöhnliches bei solch phantasievollen und geistreichen Parteimitgliedern wie Pharao und Kellermann“.

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[2. Update] Friedenspolitik auf linke Art

Aktuell sorgt ein Antrag der Linken im Bundestag in Kreisen innerhalb und ausserhalb der Partei für erstauntes Kopfschütteln. Ausgerechnet die Fraktion der Partei, die für sich in Anspruch nimmt als einzige politische Kraft im Parlament mittels einer konsequenten Abrüstungs- und Friedenspolitik einen Grossteil der bundesdeutschen Bevölkerung gegen die so gerne bezeichneten „Kriegstreiber“ der bürgerlichen Parteien zu vertreten, fordert unter der Überschrift „Für eine kostenfreie und umfassende Betreuungskommunikation im Einsatz“ die Bereitstellung weitreichender, steuerfinanzierter Kommunikationsmöglichkeiten für im Auslandseinsatz befindliche Angehörige der Bundeswehr. Zusätzlich zu unbegrenzten Gratistelefonaten von der Front in die Heimat wird auch die Bereitstellung kostenloser und unbegrenzt privat nutzbarer Internetanschlüsse in ausreichender Zahl gefordert. Begründet wird diese moralische Unterstützung der „kämpfenden Truppe“ mit der erheblichen „Bedeutung für die Bewältigung der mit dem Militäreinsatz für beide Seiten verbundenen Belastungen“. Die Junge Welt zitiert hierzu in einem Artikel vom 21.3.2012 u.a. aus einem offenen Brief des Geschäftsführers der Deutschen Friedensgesellschaft–Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), Monty Schädel. „Der deutliche Hinweis, daß der Krieg das Verbrechen ist und nicht auch noch mit einer Gratis-Kriegsflatrate vergütet werden sollte, wäre passender für eine Antikriegspartei gewesen.“, folgert Schädel hier richtig aus einem Abgleich von programmatischem Wunsch und parlamentarischer Wirklichkeit der Linksfraktion.

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[Rez. 2/12] Der dritte Anlauf von Magdalena Liscow. Oder: Einmal DKP, immer DKP! – Manfred Sohn: Der dritte Anlauf. Alle Macht den Räten. Köln: PapyRossa 2012.

Der Berufspolitiker Sohn leidet: „dass ich in den letzten Jahren durch Parlaments- und Parteiarbeit absorbiert bin, dass es gemessen an der Zahl der Bücher, die ich noch zu lesen schaffe, an systematischer Selbst-Verblödung grenzt.“ (S 27) Es ist zu schade, dass sein Zukunftsmodell der allseitigen Räte noch nicht Wirklichkeit geworden ist: „jederzeit abwählbar“ (135). Hoffentlich ist er nicht in den Landtag gelangt, weil wie in der DDR ihn die führende Partei dorthin delegiert hat, sondern weil er – wissend, was er tut? – sich von seiner Partei DIE LINKE zum Spitzenkandidaten hat aufstellen lassen. Nun ist ja , sollte die Partei ihn nicht wieder einer Selbst-Verblödung unterziehen wollen, bald seine unproduktive Zeit im Landtag vorüber.1 Doch Politiker können oft nicht warten, so dass er sich auch ohne Lesepotentialität ein Buch zur Erbauung vorgenommen hat. Tenor: Mit Jürgen Kuczynski, der mehr Bücher geschrieben hat als Sohn je zahlenmäßig gleich welchen Inhalts wird lesen können, datiert er den Beginn des Kapitalismus auf das 13. Jahrhundert, also grob geschätzt brauchte sein Lieblingsfeind mehr als ein halbes Jahrtausend, bis ihn Marx und Engels wenigstens theoretisch niederstreckten. „Dies ist ungefähr der Zeitraum der Kämpfe, die wir und unsere Ururenkel auszufechten haben – und zwar egal, ob im Zentrum dieser Kämpfe aus unserer Sicht die geschlechter- oder die Klassenfrage steht.“ (S 157) Wir haben eine Art Mischtext vor uns: Politisch-Historische Erzählungen, vielleicht in der Absicht ein kollektives Gedächtnis zu beeinflussen, aber er geniert und ziert sich durch linkisch Selbstironie (Vereinnahmung des Feminismus? S 143) und garniert seine persönlichen Meinungen und Glaubenssätze durch ausufernde Zitationen aus wissenschaftlichen Diskursen und kanonischen Autoritäten. „Lenin als einer der genialsten russischen Politiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Walter Ulbricht als einer der hellsichtigsten Marxisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben das [=Stärkung kleiner Einheiten; Dezentralisierung; lis] für ihre jeweiligen Verantwortungsbereiche ökonomisch berücksichtigt.“ (S 81) Warum ist das Ganze denn so erfolgreich gescheitert? Ach – und Lenin wird bloß als Politiker, nicht wie Ulbricht als Marxist bezeichnet: eine typische eurozentrische Arroganz?

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Macht – Ein Essay

Über menschliche Abgründe, Ziele und Hoffnungen
Einige Gedanken von Linda Block

„Der Mensch ist dessen nicht mächtig, worüber er verfügt.“
Helmut Thielicke (1908-86), dt. ev. Theologe

1.Einführung
„Keine Macht für Niemand“ forderte schon 1972 Rio Reiser mit seiner Punkband „Ton Steine Scherben“. Doch was ist Macht eigentlich? Wer besitzt Macht? Kann man sie kaufen oder nur erhalten? Kann überhaupt jeder zu Macht gelangen oder nur einige wenige? Warum sollte sie nach Reiser niemand innehaben? Und ist innehaben überhaupt der richtige Ausdruck dafür?

Nur eins ist sicher: Macht existiert. Und zwar überall und das schon seit Jahrtausenden. Nicht umsonst beschäftigen sich viele literarische Werke mit den verschiedenen Formen der Macht – und andersherum wird Literatur auch zur Ausübung eben jener genutzt. Macht ist etwas, mit dem man sich ungern beschäftigt. Sie ist etwas schlechtes, dreckiges, ja gar verrufenes. Am liebsten würde man sie völlig ausblenden. Doch das ist nicht möglich.

Wenn man nun, wie ich es hier tun werde, davon ausgeht, dass Macht immer und überall existiert, dann stellt man sich doch ganz automatisch die Frage: Warum ist es für uns dann so etwas schlechtes? Spontan fällt mir nichts anderes ein, was so nah mit uns zu tun hat, was wir auch nur ansatzweise mit solch schlechten Attributen betiteln. Aber warum ändern wir dann nichts daran? Es gibt zwei Wege etwas am Ansehen der Macht zu ändern. Entweder die Sichtweise oder die Art der Ausübung.

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Lehren aus den Berufsverboten für die Gegenwart1

Georg Fülberth, wie ich Zeitgenosse und – partiell – Betroffener der Berufsverbote, hat einen Beitrag im Januarheft von KONKRET in dem Stil geschrieben, den wir von ihm kennen, und der – zumindest mich – stets amüsiert, nach dem Motto Viel Feind, viel Ehr‘ oder: wie der Drache Berufsverbot zuerst gefesselt, dann besiegt worden ist. Zuerst möchte ich einige Ausschnitte aus Fülberths Artikel zitieren [Geglücktes Wagnis. 40 Jahre Radikalenerlaß = KONKRET 1/2011, S. 39], dann mittels einer kurzen Bibliographie über die Literatur zu den Berufsverboten informieren, unvermeidlich mit kleinen, subjektiven Hervorhebungen, und drittens möchte ich eine kurze Meinungsdifferenz zu Fülberth formulieren.

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[Rez 1/12] Der überlebende Liberalismus (CROUCH) von Magdalena Liscow. Oder: Totgesagte leben länger ! – COLIN CROUCH: Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus [Postdemokratie II]. Berlin: Suhrkamp 2011.

Schlüsselthese des Buches ist: Der Neoliberalismus ist eine perverse Form des (Wirtschafts)-Liberalismus, in Form und Wirkung das genaue Gegenteil des klassischen liberalen Marktmodells, gewissermaßen sein Zerrspiegel, allerdings historisch aus ihm hervorgegangen. Bekanntlich können Stadien des Kapitalismus in ihrer Formstruktur und inhaltlich durch ihre Regulationsweisen als je verschiedene, staatspolitische Akkumulationsregime unterschieden werden. Nach Horkheimer/Pollock also: Konkurrenzkapitalismus, Monopolkapitalismus, Staatskapitalismus. Aus diesen Bausteinen setzte sich der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierende Fordismus zusammen. Sein politischer Ausdruck war die parlamentarische Demokratie. Der ihm folgende Neoliberalismus ab Thatcher/Reagan/Schröder, dessen politischer Ausdruck nach Crouch die Postdemokratie (engl.2003)1 ist, ist nach der Finanzkrise 2008 in eine Krise geraten, um deren Deutung es in diesem Buch geht. Wie es ebenfalls während des Fordismus viele Welten des Kapitalismus gleichzeitig gab, – allein der Unterschied Skandinavien-USA! – hat sich diese Differenzstruktur nicht wesentlich verändert, es sei denn, China wäre keine weitere Variante des Neoliberalismus, sondern die andere Seite des Empires (was ich nicht beurteilen kann).

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Kurz notiert: Gysi fordert Transparenz innerhalb der Partei

Wie die Potsdamer Neuesten Nachrichten und die Junge Welt berichten, fordert der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, die Offenlegung der Zusammensetzung der Führungsgremien der Kommunistischen Plattform (KPF) seiner Partei. Am Mittwoch bezeichnete Gysi vor Journalisten die bisherige Nichtöffentlichkeit im Bezug auf die personelle Zusammensetzung ihres Bundessprecherrates und ihres Bundeskoordinierungsrates als „unmöglich“. Der KPF-Aktivist Thomas Hecker entgegnete, dass die KPF personenbezogene Daten weder auf Bundes- noch auf Landesebene weitergeben würde. Die KPF ist als bundesweiter Zusammenschluss innerhalb der Partei organisiert und hat nach eigenen Angaben 1250 Mitglieder. Damit stehen ihr nach den Satzung zum Bundesparteitag 8 Delegiertenmandate zur Verfügung. Prominentestes Mitglied der KPF war, bis zum Ruhenlassen dieser Mitgliedschaft aufgrund ihrer Wahl in den Parteivorstand, Sahra Wagenknecht. Die Mittel der KPF belaufen sich laut Finanzplanung auf 9.000 € aus den Einnahmen der Bundespartei, über die Verwendung entscheidet der Bundeskoordinierungsrat.
(mb)

Reaktionen zu unserer Berichterstattung über das „Bayern-Dossier“

Auf unsere angekündigte Nachfrage hat der bayerische Landessprecher der Linken Xaver Merk Folgendes erklärt:

Solche Spektulationen wie sie die SL äußert kann ich nicht bestätigen. Weitere Spekulationen um ein anonymes Papier sind müßig und werden von mir nicht angestellt, denn sie führen zu keinem sicheren Ergebnis. Zumal ich von diesem Pamphlet nur die geschwärzten Fragmente kenne die öffenlich im Umlauf sind. Alles weitere obliegt den Beschlüßen des Landesvorstandes Bayern.

Vom Geschäftsführer der Sozialistischen Linken erreichte uns folgende Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren der Potemkin-Redaktion,

Ihrer Behauptung „Nicht zuletzt die Sozialistische Linke (SL) hat darüber spekuliert, dass das Papier ggf. schon seit Herbst im Landesverband bekannt gewesen sei.“ ist unzutreffend. Die SL spekuliert keinesfalls darüber, dass das seltsame „Bayern-Dossier“ seit Herbst 2011 bekannt gewesen sei. Wir haben lediglich die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen und gleichzeitig offen in Frage gestellt, dass dieses Papier tatsächlich seit Monaten in der Partei kusieren würde:

„Wir haben jedoch erhebliche Zweifel an der behaupteten Urheberschaft im Umfeld von Klaus Ernst: Erstens ist es wenig wahrscheinlich, dass jemand mit derart perfiden Absichten darüber ausführlich schriftlich in einem Dossier berichten würde, dass angeblich seit Herbst 2011 in der Partei kursiert aber seltsamerweise erst jetzt auf der Zielgeraden des Juni-Parteitages und im Vorfeld der Saarland-Wahl in der Partei und in den Medien aufschlägt.“

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Müller

In eigener Sache: Dichtung und Wahrheit

Nach der Veröffentlichung des Papiers „Analyse der Gegenkräfte im Landesverband Bayern“ durch unser Blog schiessen im Parteikörper die Vermutungen ins Kraut, woher aus welchen Motiven eine solche Handlungsanweisung stammen könnte. Schenkt man den Aussagen Betroffener Glauben, dann könnte es sich zumindest um die genaue Beschreibung von Vorgängen nicht nur im bayerischen Landesverband, sondern in weiten Teilen der Westverbände der Linken handeln. So muss zumindest davon ausgegangen werden, dass die in dem Papier beschriebenen Handlungsanweisungen auch in der Realität des Parteilebens ihre Entsprechung finden und somit eine Diskussion über den Umgang unter Genossen einsetzen sollte, und nicht eine Spekulations- und Verdächtigungsmaschine in Gang gesetzt werden darf, die nur zu weiteren Verletzungen und Zerwürfnissen innerhalb der Partei und einer noch desolateren Aussendarstellung führen wird.

Nun hat sich, mit explizitem Bezug auf unser Blog, auch die Sozialistische Linke in die Diskussion eingeschaltet. Unter der Überschrift „Bayern Dossier: Dichtung und Wahrheit“ wird über das – so wörtlich – „mit Insiderinformationen gespickte Dossier“ und die möglichen Gründe seiner Erstellung und öffentlichen Verbreitung spekuliert. Die SL formuliert „erhebliche Zweifel an der behaupteten Urheberschaft im Umfeld von Klaus Ernst“ und begründet dies unter anderem damit, dass das Papier „angeblich seit Herbst 2011 in der Partei kursiert“. Sollte dies zutreffen, wie wir auch schon aus anderen Gesprächen erfahren haben, ist doch eher die Frage zu stellen, warum nicht schon dann eine Debatte über das Papier geführt wurde und man nicht zu diesem Zeitpunkt bereits Massnahmen ergriffen hat um einerseits die Urheberschaft zu klären und andererseits die im Papier namentlich aufgeführten Genossen zu schützen. Wie es allerdings sein kann, „dass Klaus Ernst das Dossier selbst unmittelbar nach den Medienberichten nicht kannte“ obwohl es seit Monaten in seinem eigenen Landesverband kursiert und direkt seine Genossen in der Bundestagsfraktion betrifft wird in der Erklärung der SL gerade nicht erklärt.

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[Update] Der diskrete Charme des Kadersozialismus?

Die Potemkin Redaktion stand am heutigen Abend vor einer schweren Entscheidung. Soll sie das Dossier veröffentlichen, welches an diesem Wochenende in der Partei – nicht nur in Bayern – für erhebliche Unruhe gesorgt hat. Problematisch ist dies, weil in diesem Papier Handlungsanleitungen dokumentiert werden, um Parteimitglieder politisch und menschlich zu vernichten. Problematisch aber auch, weil der Ursprung dieses Papiers noch leidlich ungeklärt ist. Schon bilden sich die ersten Legenden, an denen sich via facebook auch namhafte Bundestagsabgeordnete des betroffenen Landesverbandes beteiligen. Es beginnt eine Debatte, die denen mit Ausgrenzung droht, die das Dossier an die bürgerliche Presse geleitet haben. Ganz so als würde sich die Wirkung des Papiers selbst erfüllen, ganz gleich wer es nun in die Welt gesetzt hat.

Der reichlich naiven Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass dieses Papier keinen Ursprung aus einem der diversen Machtkonglomerate der Partei innehat, also Teil einer von Außen gesteuerte Kampagne gegen die Linke ist, muss entgegengehalten werden, dass sowohl Sprache als auch der Detailreichtum der gesponnenen Intrigenfäden zumindest den Verdacht aufkommen lassen, dass sich nur wirkliche „Parteifreunde“ in dieser Form bearbeiten.

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Die Linke in Bayern: Säuberung der Partei?

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, kursiert schon seit geraumer Zeit im Landesverband Bayern der Linken ein Papier mit dem Titel „Analyse der Gegenkräfte im Landesverband Bayern“, in dem detailiert ausgeführt wird, wie der Verband von kritischen Kräften gesäubert werden soll. So soll die MdB Möller „als Lügnerin und Intrigantin gebrandmarkt werden“, über MdB Süßmair „müssen mehr Informationen über sein Privatleben herangeschafft werden“, bei anderen Aktivisten der vermuteten innerparteilichen Gegner solle man sich Krankheiten zu nutze machen, sie isolieren, öffentlich lächerlich machen, ihr Privatleben skandalisieren oder ihre „ausländische Herkunft immer wieder in Erinnerung rufen“. 20 Mitglieder der Partei werden in diesem Papier namentlich und mit ihren „verwundbarsten Stellen“ aufgeführt, an denen man nach Ansicht der Verfasser ansetzen muss, um sie zu schwächen und zu isolieren. Der nicht auf Mehrheitskurs befindliche Jugendverband solid soll durch Arbeitsüberlastung der Sprecherin ausgeschaltet werden.

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Von Kriegspropaganda, Kriegstreibern und Parteivorsitzenden

Wer, wie aktuell von Gregor Gysi gefordert, dachte, dass die Debatte um das Prozedere der anstehenden Vorstandswahl und die Kandidatenfindung nun nach der Absage der Mitgliederbefragung in ruhigeres Fahrwasser eingelaufen ist, hat sich wohl geirrt. Das Presseecho von TAZ bis FAZ auf die durch den Beschluss des Parteivorstandes offenkundig gewordenen internen Demokratiedefizite der Linken ist sicher nicht hilfreich dabei, die Umfragewerte von derzeit 7% (emnid vom 15.1.12) wieder auf ein stabiles Niveau zu heben. Auch das Ergebnis der Fraktionsklausur in Form einer Übersicht der bis 2013 zu bearbeitenden Themen kann in diesem Sinne nicht begeistern, da hier die immer gleichen Parolen und Forderungen der letzten Jahre aufgewärmt werden. Zumal man den Schlusssatz „Die Fraktion DIE LINKE steht für mehr direkte Demokratie – auch in ihrer alltäglichen Arbeit.“ angesichts des Weniger an direkter Demokratie in der Partei selber nur als redaktionell unbeabsichtigte Selbstironie verstehen kann.

Unter dem Eindruck dieser doch nicht endenden Debatte über Personen, Weg und Ziel der Partei, kommt es nicht gelegen, dass ein eigentliches Randthema linker Politik den Weg in den Fokus der Medien und der Öffentlichkeit findet. Wie bereits berichtet haben einige MdB der westdeutschen Landesverbände einen umstrittenen Aufruf unterzeichnet, der durchaus als Solidaritätsadresse mit den gegen die Demokratiebewegungen in ihren Ländern kämpfenden Regimes Syriens und des Iran (miss)verstanden werden kann. Statt nach parteiinterner Kritik von unterschiedlichen Seiten zurück zu rudern und die eigene Position zu überdenken, legen die Unterzeichner weiter nach. So sieht sich Diether Dehm von einer Vereinigung von Kriegstreibern verfolgt, die er als „gewalttätige Macht der Schreibtischkrieger in CDU, Spiegel, Springer-Presse und ähnlichen Propagandaquellen“ beschreibt und den Kritikern – wohl auch aus den eigenen Reihen – ins Stammbuch schreibt, dass „Wer die Warnerinnen und Kämpfer gegen den Krieg einzuschüchtern und zu verleugnen trachtet“ den Krieg erst ermöglicht. Die MdB Dagdelen sekundiert in der Jungen Welt und hält berechtigte Kritik an dem von ihr unterzeichneten Aufruf für „Denunziationen“, die „schlicht Lügen und Teil der Kriegspropaganda“ seien. Bemerkenswert hier ist dann aber ihre Aussage, dass wirtschaftliche Sanktionen gegen autoritäre Regime nutzlos sind und lediglich die Bevölkerung treffen bzw diese enger mit dem Regime zusammenarbeiten lassen. Erstaunlich, da man so auch die Sanktionen gegen Südafrika und südamerikanische Militärregierungen in der Vergangenheit oder aber die auch von den politischen Freunden Dagdelens geforderten Sanktionen gegen die Türkei und Israel aus seinem nichtmilitärischen Massnahmenkatalog der Aussenpolitik streichen kann.

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Parteivorstand lehnt Mitgliederentscheid ab

Der geschäftsführende Parteivorstand ist heute in Berlin zusammengetroffen, um über die vorliegenden Anträge zur Durchführung einer Mitgliederbefragung über die nächsten zu wählenden Parteivorsitzenden zu entscheiden. Grundlage der Entscheidung war neben den Begründungen der Anträge aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Thüringen, einigen Kreisverbänden der Partei (und unterstützenden Beschlüssen zB der Landesverbände Sachsen-Anhalt und Sachsen) vor allem das vom Vorstand in Auftrag gegebene Gutachten des Parteirechtlers Morlok. Morlok sieht in seinem Gutachten, wie auch der MdB Neskovic, eine Unvereinbarkeit zwischen einer Mitgliederentscheidung bzw -befragung und dem durch das Parteiengesetz dem Parteitag vorbehaltenen Recht der Wahl des Parteivorstandes. Hierzu lag eine Gegenposition aus dem Parteivorstand der MdB Wawzyniak vor, die auch federführend an der Ausarbeitung der aktuellen Satzung der Linken beteiligt war.

Das Gremium, dem 12 Mitglieder angehören, hat sich mehrheitlich mit 6 Stimmen, zu denen mit Klaus Ernst der eigentliche Ideengeber einer Mitgliederentscheidung gehört, bei 4 Gegenstimmen und einer Enthaltung durch die amtierende Vorsitzende Gesine Lötzsch, die einen Mitgliederentscheid unterstützt hat, dafür ausgesprochen, den Standpunkt des Morlok Gutachtens zu übernehmen und die Durchführung eines Mitgliederentscheid als unzulässig abzulehnen. Damit konnten sich die Positionen durchsetzen, die wie Lafontaine, Gysi, Maurer und eine Mehrheit der Funktions- und Mandatsträger der westlichen Landesverbände die Entscheidung ausschliesslich durch den (neu zu wählenden) Delegiertenkörper des kommenden Parteitages in Göttingen herbeigeführt sehen wollen. Vermutlich schon in nächster Zeit wird Gysi somit das Ergebnis der Personalfindung „gewisser Kreise“ vorstellen können oder müssen und dann wird sich zeigen, ob das Tableau einer „kooperativen Führung“ die Möglichkeit bietet bis zum Parteitag das von Maurer beklagte „Gequatsche“ zu beenden, den von Lafontaine gegenüber dem derzeitigen Vorstand geforderten Respekt zu gewährleisten und die Talfahrt der Umfragewerte zumindest zu bremsen.

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Morlok Gutachen im Original

Angesichts der Debatte über Inhalt und Bewertung des Morlok Gutachtens zur Rechtmässigkeit eines Mitgliederentscheids, haben wir uns dazu entschlossen, das uns vorliegende Gutachten zu veröffentlichen. Wir hoffen damit, die Debatte für alle Mitglieder transparenter zu gestalten.
(mb)

Solidarität mit den Despoten

Wieder einmal ist es die Junge Welt, die einen Blick in die Geisteswelt führender Politiker der westdeutschen Linken ermöglicht. Unter dem Titel „Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens“ wird ein Appell veröffentlicht, der – neben anderen – auch von den MdB Dagdalen, Dehm, Hänsel, Jelpke und Bulling-Schroeter unterzeichnet worden ist. In diesem Appell wird die Bundesregierung aufgefordert sich nicht an „Kriegsvorbereitungen“ und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien und den Iran zu beteiligen und es werden „Terroraktionen von eingeschleusten Spezialeinheiten“ der USA, der NATO und Israels in diesen Ländern postuliert, die dazu dienen sollen, diese in einen Ausnahmezustand zu versetzen, um sie bewusst in eine „tiefe Krise“ zu stürzen. Iran und Syrien, immerhin Länder, die man auch mit bestem Willen nicht demokratisch nennen kann, werden zu Staaten verklärt, „die eine eigenständige Politik verfolgen“ und sich nicht dem „Diktat“ unterordnen. Der Appell endet mit der Feststellung, dass „das iranische und syrische Volk das Recht haben, über die Gestaltung ihrer politischen und gesellschaftlichen Ordnung allein und souverän zu entscheiden“. Wer sich vor Augen hält, dass in Syrien gerade die eigene Regierung mit Soldaten und Kriegswaffen gegen die protestierende Bevölkerung vorgeht und im Iran die letzten Proteste blutig niedergeschlagen worden sind, kann angesichts des in diesem Appell zum Ausdruck kommenden Zynismus nur noch am (aussen)politischen Sachverstand der Linken verzweifeln. Ist es jetzt tatsächlich links, wenn man zwei Regimen die Stange hält, die ihr eigenes Volk unterdrücken, mit Mord und Folter regieren und wie im Falle des Iran besonders die simpelsten Menschrechte verweigern? Wer hier – wie die unterzeichnenden MdB der Partei Die Linke – nach der schon immer untauglichen Losung „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ agiert und die Leiden der in Syrien und dem Iran unterdrückten Menschen bewusst in Kauf nimmt, um gegen die verhassten USA, die NATO und Israel politisch Stellung zu beziehen, zeigt sehr offen, was von ihm im Bezug auf die Achtung von Demokratie und Menschenrechten zu erwarten ist, sollte er einmal politische Verantwortung im eigenen Land übernehmen. Eventuell können diese „Genossen“ sich trefflich mit Jürgen Elsässer darüber austauschen, ob nicht auch die in Syrien aufbegehrende Bevölkerung als „Strichjungen des Finanzkapitals in einen Darkroom befördert“ werden sollte. Nicht verwunderlich, dass diese Vertreter der Linken es geschafft haben, die Partei in Westdeutschland auf nur noch 3% Wählerzustimmung abzuwirtschaften. Sollten solche Ansichten „links“ sein, müssen die demokratischen Sozialisten in der Partei Die Linke klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass dies nicht ihrer Definition von „links“ entspricht und eine klare Trennlinie zu Personen und politischen Ansichten ziehen, die nicht mehr trennscharf von der Welt eines Querfront-Vordenkers wie Elsässer zu unterscheiden sind.
(mb)

Kurz notiert: Lafontaine rät zu Enthaltsamkeit

Zum Jahreswechsel hat Oskar Lafontaine der Sächsischen Zeitung (zum wiederholten Male) seine Sicht auf die derzeitige Krise in der Eurozone und der Welt in die Feder diktiert und auf seine eigenen jahrzehntelangen, erfolglosen Mahnungen und die Lösungen, die aus seiner Sicht nur die Linke bieten kann, hingewiesen. Natürlich hat er sich auch zu seiner künftigen Rolle in der Bundespolitik geäussert und angekündigt, sich weiterhin verstärkt einzubringen. Zur Debatte um eine mögliche Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz hat Lafontaine, als entschiedener Gegner dieses Verfahrens, klare Worte gefunden:

Er muss sich der Unterstützung des Parteitages für seine Politik sicher sein. Aus diesen Gründen habe ich dazu geraten, dass alle, die sich bewerben, das auf dem Bundesparteitag tun sollten.

Deutlicher kann man die Rückfalloption der Gegner für eine möglicherweise nach der Entscheidung am 12. Januar stattfindende Mitgliederbefragung nicht mehr formulieren. Man vertraut auf die immer noch vorhanden geglaubte Mehrheit des Retroblocks im Delegiertenkörper. Ob diese Rechnung aufgeht, wird der nach den Mitgliederzahlen zum Jahresende für den Parteitag zu erstellende neue Delegiertenschlüssel zeigen, der eine geringere Zahl fester Plätze für die Westverbände vorsieht. Ob diese noch so geschlossen sind, ist auch fraglich, da sich mit Schleswig-Holstein auch ein westlicher Landesverband für die Mitgliederbefragung einsetzt. Immerhin ist dies der Heimatverband des amtierenden Schatzmeisters Sharma, der nicht gerade als Lafontaine Freund gelten kann, und einer Landesvorsitzenden Menger-Hamilton, die dem Reformerlager zuzurechnen ist und der auf dem letzten Landesparteitag auch vom Retroflügel kein Co-Vorsitzender mangels geeigneter Kandidaten zur Seite gestellt werden konnte.
(mb)

Silvester, die LINKE und warum die Eichhörnchen anders werden oder Der Fortschritt im Déjà-vu

Am Jahresende gibt es Rückblicke und Danksagungen allenthalben. Man blickt auf die Wohltaten der Freunde zurück und auf die Schandtaten der Feinde, dankt den einen offen und den anderen versteckt dafür. Jedes Jahr wiederholt sich dieses Ritual. Auch werden jedes Jahr Vorsätze, Hoffnungen und Vorhersagen auf das kommende Jahr formuliert. Katastrophen befürchtet, Triumphe herbeigesehnt, Abläufe vorhergesagt. Manchmal wird recht originell auf die Voraussagen der Vergangenheit und ihr Zutreffen oder Ausbleiben verwiesen. Und hin und wieder passieren Dinge einfach nochmal. Manchmal auch mit einem Jahr Pause dazwischen.

Nun tagen wieder kleinste Kreise ohne jegliche Legitimation und suchen neues Spitzenpersonal. Wieder finden viele dies nicht fair. Wieder wird auf notstandsartige Umstände zur Rechtfertigung verwiesen und wieder wird es in den Anfangswochen des Jahres zu einem großen öffentlichen Ritual kommen. Die üblichen Verdächtigen positionieren sich entlang von Gefolgschaftslinien, an denen sie gewohnt sind zu stehen und zumindest einen vorderen Platz sicher haben.

Doch diesmal kam etwas Unerwartetes – eine nicht beabsichtige Wendung, ein Twist. Ein Parteivorsitzender hatte sich bei den Kreisvorsitzenden einschmeicheln wollen, ihnen entsprechend den Bauch gepinselt und dabei allerlei nette Dinge gesagt, die gut klangen, aber nicht weiter ernst gemeint oder durchdacht waren. Er plapperte halt einfach. Und da fuhr ihm auch eine Äußerung über Direktwahlen der Parteispitze aus dem Mund. Das hat damals so ziemlich niemanden interessiert – die einen nicht, da sie es ihm eh nicht glaubten und die anderen nicht, weil sie ihn nicht ernst nahmen. Doch einige Monate später griff jemand diese Forderung auf. Wahrscheinlich aus strategischen Motiven heraus. Doch in diesen Monaten dazwischen war ja einiges passiert. Nichts einzelnes Konkretes, sondern viel Kleines, was zwar schon zuvor da, aber noch nicht derart angesammelt war: Es gab Unmut über die Struktur und die Verfahren in der Partei. Und plötzlich tauchte da der Vorschlag einer Art Urwahl auf. Und viele Unzufriedene fanden, dies sei zumindest mal was anderes als die bisherigen Praktiken und wollten dies haben. Der Vorsitzende versteckte sich, wollte er doch nicht sagen müssen, dass er damals doch nur Kokolores gesprochen hatte. Der Anwärter freute sich über diese Unterstützung auch ihm fernstehender Personen. Die Vorsitzende sah die Möglichkeit sich aus der Geiselnahme der Strömungen zu befreien und sprang auf den Zug auf. Der Herzog und der König, samt neuer Königin, waren irritiert und sahen ihre illegitime Legitimation in Frage gestellt, waren not amused. Die Strömungen rechneten eifrig und positionierten sich entsprechend ihrer Aussichten.

Es entbrannte Streit, ob die neue Technik legitim sei. Alle Seiten führten weise Männer und Zauberer ins Feld, die entsprechend sprachen wie ihre Freunde es erwarteten. Es war ja Winter geworden. Und draußen sah man gelegentlich Eichhörnchen ihre Winterruhe unterbrechend um an ihre Nussvorräte zu gehen. Wenig bekannt aber wirklich stattfindend, gab es eine der Partei ähnliche Situation unter den Eichhörnchen. Die alten europäischen Eichhörnchen hielten länger Winterruhe, sahen in ihrem Fell schön aus, waren niedlicher und gingen seltener zu ihren Vorräten. Die neuen Eichhörnchen aus Übersee, mit simpleren Fell und weniger Niedlichkeitm unterbrachen häufiger ihre Pausen und nutzen ihre Wachzeiten auch dazu die Vorräte der anderen zu plündern. So verdrängten die Neuen die Alten.

Und wie bei den Eichhörnchen die neuen, aktiveren, flexibleren, neugierigeren die Alten zur Seite drängten, so geschieht dies auch zwischen den Parteien. Und oben erwähnte Partei steht derzeit vor dem Scheideweg, ob sie etwas neues, aktiveres flexibleres, neugierigeres sein will oder das alte bleiben will unter der Führung alter Könige, ihrer Gemahlin und eines liebenswürdigen Herzogs oder ob sie etwas neues werden will, auch wenn dies bedeutet, eine Zeitlang ohne schönes Fell auszukommen.
von Michael (Mümmel) Treitinger

Respekt und Schiedsgerichte – Linke streitet weiter über innerparteiliche Demokratie

Die Financial Times meint die Linke wieder bei ihrer alljährlichen Lieblingsbeschäftigung ausgemacht zu haben, der Beschäftigung mit sich selbst. Angesichts der intensiver werdenden Debatte über das Verfahren zur Bestimmung eines neuen Parteivorstandes sieht man zwei gegensätzliche Demokratiemodelle bei der Linken. Die „kooperative Führung“ durch Auswahl eines „gewissen Kreis“ und den basisdemokratischen Mitgliederentscheid, wie ihn die Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Schleswig-Holstein fordern. Letzterer krankt, so die FTD, noch an einem Mangel geeigneter Kandidaten und juristischer Unwägbarkeiten, ob ein solches Verfahren satzungsmässig zulässig ist.

Über die Zulässigkeit eines (empfehlenden) Mitgliederentscheides gibt es – wir berichteten – bislang lediglich ein ablehnendes „Gutachten“ des MdB Nešković, nebst einer Replik seiner Kollegin Wawzyniak, die auch gleichzeitig Mitglied des Parteivorstandes ist. Sie legt dar, dass ein solcher Entscheid durchaus vom Satzungsgeber gewollt und vom Parteienrecht gedeckt ist. Auch die beiden Geschäftsführer der Partei sollen sich bereits ähnlich geäussert haben. Endgültige Klarheit wird allerdings erst das beauftrage Gutachten bringen, welches zur Sitzung am 12. Januar vorliegen soll.

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Weihnachtsgrüsse an die Mitgliedschaft [Update]

Kurz vor Heiligabend haben sich führende Mitglieder der Linken zu den Ereignissen des ausklingenden Jahres und zur Debatte um einen Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz geäussert. In der Frankfurter Rundschau zog Bodo Ramelow eine kritische Bilanz der Politik der Linken und fordert für den jetzt anstehenden Parteitag und die Wahl des neuen Vorstandes „einen Aufbruch, getragen von der Mitgliedschaft der Partei“. Das Personal für den Vorstand dürfe, so Ramelow weiter, nicht wieder ausgeklüngelt werden, weil man „noch eine Nacht der langen Messer“ nicht brauche. Die im jetzigen Vorstand überrepräsentierten Strömungen spiegelten nicht die breite Mitgliedschaft der Partei wieder, zudem sei das geografische Quotieren in West und Ost nicht mehr zeitgemäss. Auf den Stimmzettel für den aus der Sicht Ramelows notwendigen Mitgliederentscheid gehörten Bartsch ebenso wie Wagenknecht. Gysi und Lafontaine sollten hingegen die Partei in den Wahlkampf 2013 führen. Mit Blick auf das Wirken der Bundestagsfraktion (immerhin mit um die 300 hauptamtlich Angestellten ein Machtfaktor in der Partei), stellt Ramelow fest: „Die Bundestagsfraktion hat sich innerhalb der Partei leider einen viel zu großen Status freigeräumt. Die Führung der Partei, die Richtlinienkompetenz muss wieder ins politische Zentrum zurück, unter kraftvoller Beteiligung der Landesverbände. Wir sind doch nicht eine Partei, die an der Bundestagsfraktion hängt. Die Partei ist nicht der Schwanz und die Bundestagsfraktion nicht der Hund.“

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Fragwürdiger Umgang [Update]

Wer gehofft hatte, dass der gestrige „Erfolg“ für die Öffentlichkeitsarbeit der israelfeindlichen und mehr oder weniger offenen antisemitischen „Linken“ in der Linken einen kollektiven Aufruf des Abscheus und der kraftvollen Widerlegung der Vermutung, dass solche Positionen innerhalb der Linken hoffähig sind, zur Folge hat, wird mit Blick auf die wenigen Reaktionen eines Schlimmeren belehrt. Nach einem Bericht der Rheinischen Post vom 16.12.2011 äusserte sich Dierkes in einer schriftlichen Stellungnahme im Bezug auf die Veröffentlichung des SWC mit den Worten, dass das Simon Wiesenthal Center die „Propagandaagentur der rechtesten und schäbigsten Regierung, die Israel je hatte“ sei und Kritiker seiner und der anderen auf der Liste veröffentlichten antisemtischen Äusserungen sich zu „willfährigen Handlangern einer Rufmordkampagne gegen Persönlichkeiten, die sich für Menschenrechte, Völkerrecht und Frieden einsetzen“ machten.

In einem aus dem Neuen Deutschland, immerhin der Parteizeitung der Linken, auch auf sein eigenes Blog übernommenem Kommentar konstruiert Wolfgang Hübner die These, dass „angesichts neonazistischer Gewalttaten, Holocaustleugnungen und Hasskampagnen – in Deutschland und anderswo – [..] eine solche Liste eine Farce“ sei und dass sie „nicht dem notwendigen Kampf gegen Antisemitismus“ diene, sondern „ihn auf Nebengleise“ führe. Ganz offen stellt man sich hier vor einen Dierkes, der schon seit Jahren ohne Konsequenzen innerhalb der Linken seinen antisemitischen Wahn ausleben kann und damit offensichtlich auf Zustimmung bis in höchste Kreise der Partei bauen kann. Wie in der Partei auch, scheut Hübner selber die Diskussion über Antisemitismus in der Linken und seine Position dazu, weil man davon ausging, dass sich die Diskussion beruhigt habe. Sollte dies nicht reichen, sperrt man einfach die sonst auf dem Blog übliche Kommentarfunktion.

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Antisemitismus immer noch kein Problem in der Linken?

Schon im Juni des letzten Jahres musste diese Frage gestellt werden. Anlass waren damals die Turbulenzen innerhalb der Partei und ihrer Bundestagsfraktion um mehr oder weniger zahnlose Beschlüsse im Bezug auf die Teilnahme an Aktionen und die politische Unterstützung tendenziell antisemitischer „Befreiungsorganisationen“. Auch vorher schon musste sich die LINKE angesichts der Unterstützung von Boykottaufrufen gegen israelische Waren durch den Bremer Landesverband oder aber die (noch) unaufgeklärte Veröffentlichung eines antisemitischen Flugblattes auf den Seiten des Duisburger Kreisverbandes dem Thema „Linke und Antisemitismus“ stellen.

Weder die zahlreichen Beschlüsse von Fraktionen und Parteigliederungen, noch der Kampf gegen Antisemitismus als programmatische Grundlage der Partei, vermochten es zu verhindern, dass die notwendige Debatte über die Abgrenzung zu „Linken“ mit antisemitischen Positionen weiter und abschliessend geführt werden muss. Im Sommer 2011 waren sich der Retro- und der Reformflügel der Partei noch einig, dass man gemeinsam mittels des geübten Minimalkompromisses zwischen den Flügeln dieses Thema aus der öffentlichen Wahrnehmung inner- und ausserhalb der Partei weitgehend verdrängen kann. Einzelne Stimmen, die darauf drängten, dass eine Linke, sollte sie ihren fortschrittlichen und antifaschistischen Auftrag ernst nehmen, eine klare Trennungslinie zu Antisemiten in der Partei ziehen muss, wurden bewusst nicht gehört.

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Reaktionen: Inge Höger zur Kandidatur von Dietmar Bartsch

Offensiv gegen Krise und Finanzmafia – ohne Mister 4%
Im nächsten Jahr soll ein neuer Parteivorstand gewählt werden. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch hat gestern seine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt. Ich halte Bartsch für die völlig falsche Besetzung dieses Amtes. Gründe dafür gibt es viele, z.B.:
• Er hat sich in der Programmdebatte meist gegen die Grundaussagen des schließlich vom Erfurter Parteitag beschlossenen Programmes stark gemacht. Die Befürwortung von Bundeswehreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta ist nur ein Beispiel. Vor diesem Hintergrund ist seine nun erklärte Zustimmung zum neuen Parteiprogramm nur begrenzt glaubwürdig.
• Zudem positioniert sich Bartsch bislang meist deutlich rechts von der Bundestagsfraktion, z.B. wenn es um eine klare, kritische Position zur Europapolitik geht.
• Bartsch steht für die Anbiederung an die SPD. Das geht mit der Aufweichung sämtlicher Grundpositionen einher. Dieser Kurs hat der PDS 2002 eine Wahlniederlage beigebracht – mit Bartsch als Wahlkampfleiter. Deswegen gilt er vielen als „Mister 4%“ – ein zweifelhaftes Signal für 2013.
• Bezeichnend ist, dass Dietmar Bartsch seine Erklärung mit einem Zitat des italienischen „Links“-Politikers Nichi Vendola beendet. Denn mit Vendola wurde in Italien gerade erst die undemokratische Einsetzung des Bankers Mario Monti als Ministerpräsident beschlossen, der für die nächsten Monate einen rigiden und unsozialen Sparkurs verkündet. Wenn das die Perspektive von Dietmar Bartsch für DIE LINKE ist, dann ist das verheerend.
Diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.
Wir müssen vorm Göttinger Parteitag, auf dem der neue Parteivorstand gewählt wird, demokratisch und transparent diskutieren, wer für den Vorsitz am besten geeignet ist. Wir hoffen, dass sich neben Bartsch auch KandidatInnen finden, die glaubwürdig den Kurs des neuen Parteiprogrammes vertreten können.
Die Diskussion darüber darf jedoch nicht allzu viel Platz im Leben der Partei einnehmen. Denn gerade in den nächsten Monaten brauchen wir alle unsere Kräfte, um gemeinsam gegen Krise und Finanzmafia zu kämpfen. Das sollte im Mittelpunkt unserer politischen Arbeit stehen und nicht die Personaldebatte. Denn vor und nach dem Parteitag gilt: DIE LINKE ist die einzige große deutsche Partei, die dem antisozialen Kartell aus Regierung, Banken und EU-Institutionen die Stirn bietet – trotz Dietmar Bartsch.

Inge Höger

Quelle: http://www.inge-hoeger.de/positionen/positionen/detail/zurueck/positionen-12/artikel/offensiv-gegen-krise-und-finanzmafia-ohne-mister-4/

Reaktionen: Nele Hirsch zur Kandidatur von Dietmar Bartsch

Liebe Genossinnen und Genossen,

Dietmar Bartsch hat auf seiner heutigen Pressekonferenz seine Kandidatur für den Parteivorsitz im Falle eines Mitgliederentscheids begründet. Sie ist nachzulesen auf seiner persönlichen Webseite.

Meine Meinung dazu:

– Dietmar Bartsch fordert einen Aufbruch für DIE LINKE: Hat er nicht mitbekommen, dass DIE LINKE gerade mit überwältigender Mehrheit ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet hat und dass in Reaktion darauf, Umfragewerte und Mitgliedszahlen steigen? Warum fragt er sich nicht, ob er mit seiner Ankündigung, diesen Aufbruch tatsächlich weiter unterstützt oder nicht vielmehr verhindert, weil Personaldebatten und Selbstbeschäftigung das sind, womit DIE LINKE in der Öffentlichkeit am wenigsten punkten kann?

– Dietmar Bartsch stellt fest, dass DIE LINKE „vielfach die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland durcheinander gebracht“ hat. Das ist richtig. Doch was hat er dazu beigetragen? Der Erfolg bei den Bundestagswahlen 2005 und 2013 ist maßgeblich der von Oskar Lafontaine geprägten Parteistrategie zu verdanken, die offensiv auf Alleinstellungsmerkmale der LINKEN setzt und zu Protest und Widerstand auffordert, anstatt sich anzubiedern und anzupassen.

– Dietmar Bartsch kritisiert, dass wir viele unserer Wahlziele 2011 nicht erreicht haben und dass insbesondere die nächsten notwendigen Schritte zu einer stabilen und erfolgreichen Partei nicht angegangen wurden. „Viel Kärrnerarbeit blieb liegen“. Der Ehrlichkeit halber müsste er ergänzen, dass die neue Parteiführung seit ihrer Wahl 2010 fast ständig im Beschuss der Medien stand, was insbesondere aus dem Reformerlager der Partei heraus munitioniert wurde. Er verschweigt auch, dass diese Kärrnerarbeit im Parteivorstand trotz dieser Widrigkeiten schon längst in Bearbeitung ist. Eben erst hat beispielsweise die eingesetzte Projektgruppe LINKE 2020 ihren Abschlussbericht vorgelegt und konkrete Maßnahmen für eine zukunftsfähige LINKE vorgeschlagen. Schon vor der Debatte im Parteivorstand äußerte daran aber unter anderem Dietmars Landesverband Kritik: zu sehr würde sich der Bund damit in die Angelegenheiten der Landesverbände einmischen …

– Dietmar Bartsch äußert Zustimmung für das neu verabschiedete Grundsatzprogramm und wirbt um Unterstützung dafür beim laufenden Mitgliederentscheid. In den langen Prozess der Erarbeitung des Programms hat er sich innerparteilich jedoch kaum eingebracht. Auf dem Erfurter Parteitag ist er gar nicht aufgetreten. Von einem zukünftigen Vorsitzenden sollte man aber erwarten, dass er sich in diese zentrale Debatte der Partei einschaltet und diese mitgestaltet anstatt nur oberschlau von außen zu kommentieren. Zumal seine Äußerungen von außen in der Programmdebatte quer zu den Grundaussagen zum jetzt verabschiedeten Grundsatzprogramm lagen. So bezeichnete er den Programmentwurf noch im April im Interview mit der FR als ein „diskussionswürdiges Dokument, bei dem es auf dem Parteitag sicher Veränderungen geben wird“. Und im November letzten Jahres forderte er in der FAS, dass die Partei ihre Position zu UN-Militäreinsätzen neu diskutieren müsse Von seiner jetzt geheuchelten großen Zustimmung für die mit großer Mehrheit beschlossene Position der Ablehnung von Auslandseinsätzen findet sich dort nichts wieder.

– Dietmar Bartsch fordert dazu auf, jetzt die politische Strategie der nächsten Jahre für die Partei zu entwickeln. Er übersieht, dass wir bis 2009 eine erfolgreiche Strategie hatten und alles Gerede von einem notwendigen Strategiewechsel, etwa weil sich die SPD nun auch wieder in der Opposition befindet, gerade angesichts der verschärften Finanzkrise haltlos ist. Denn DIE LINKE ist nach wie vor die einzige Partei im Bundestag, die konsequent für die sozialen Interessen der Bevölkerung eintritt. Nicht nur CDU/CSU und FDP, sondern ganz genau so SPD und Grüne stimmen regelmäßig für die Interessen der Finanzmafia. In der Friedenspolitik zeigt sich das gleiche Bild: Nur DIE LINKE lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr konsequent ab! Nicht eine fehlende neue politische Strategie, sondern sie Abweichungen von der erfolgreichen Strategie bis 2009, die das Profil der LINKEN aufgeweicht und verschwommen gemacht haben, sind das Problem.

– Dietmar Bartsch unterstützt den Vorschlag, über die Parteivorsitzenden einen Mitgliederentscheid durchzuführen, weil die Mitglieder entscheiden sollen und Parteivorsitzende starken Rückhalt haben müssen. Als Mitglied dieser Partei überzeugt mich dieses Argument nicht: Ich möchte nicht, dass die Partei in den nächsten Monaten sich vorrangig auf Regionalkonferenzen über ihr zukünftiges Führungspersonal unterhält. Ich möchte, dass sie sich stattdessen mit aller Kraft auf die Verschärfungen in der Finanzkrise fokussiert und ihre inhaltlichen Alternativen in die Öffentlichkeit bringt.

– Dietmar Bartsch fordert dazu auf, jetzt den Beschluss zu einem Mitgliederentscheid zu fassen, weil Personaldebatten nicht per Beschluss beendet werden können, „sondern nur dadurch, dass sie mit konkreten Kandidaturen für konkrete Ämter verbunden und in überschaubarer Zeit entschieden werden“. Regulär gewählt werden soll die Parteispitze allerdings erst in gut einem halben Jahr. Betrachtet man sich die Berichterstattung über DIE LINKE in den letzten Monaten, so wird deutlich, dass es eine kleine Handvoll von Funktionären war, die die Personaldebatte ständig auf die Tagesordnung gesetzt hat. Davon sollte man sich nicht erpressen lassen. Aus gutem Grund hat der Bundesausschuss am letzten Wochenende dem vom Bundesparteitag überwiesenen Antrag „Fair Play – Mannschaftsspiel statt Medienmacht“ verabschiedet. Das ist ein deutliches Zeichen, dass zahlreiche Genossinnen und Genossen die ständigen Personaldebatten der letzten Monate leid sind. Mit seiner heutigen Pressekonferenz beendet Bartsch diese Personaldebatten nicht, sondern entfacht sie neu.

– Dietmar Bartsch formuliert drei zentrale Punkte für die nächsten Schritte in der Partei.

Erstens nicht nur bessere Sozialdemokratie sein, sondern eigenständige Positionen vertreten „entlang der Interessen und Erwartungen ihrer Wählerschaft“. Doch gerade auch in der scharfen Auseinandersetzung mit der SPD und mit den anderen Parteien schärft DIE LINKE ihr eigenes Profil. Zudem darf es gerade nicht nur darum gehen, sich an der bisherigen Wählerschaft zu orientieren. Oskar Lafontaine hat DIE LINKE als demokratische Erneuerungsbewegung charakterisiert: Es muss uns darum gehen, auch gerade diejenigen für uns zu gewinnen, die nicht mehr wählen gehen, weil sie sich von keiner Partei mehr irgend etwas erwarten.

Bartsch relativiert sein eigenes Plädoyer für die Eigenständigkeit der LINKEN darüber hinaus sofort wieder, indem er fordert, dass DIE LINKE für 2013 „bündnisfähig“ werden muss. Bartsch hat recht, dass man Veränderungen nicht alleine hinbekommt. Sein Fehler ist jedoch, dass er dabei implizit nur auf Koalitionen im Parlament schielt, anstatt auf Bewegung und Bündnisse auf der Straße und in den Betrieben.

Zweitens schlägt Bartsch zwei reichlich beliebig gewählte Themen – Rückgewinnung des Öffentlichen und Verbot von Parteispenden – als neue Schwerpunkte der LINKEN vor. Kein Wort verliert er dabei über die Zuspitzung der Krise. Dabei wird dies das zentrale Thema in den nächsten Monaten sein. Hier sind Antworten der LINKEN gefragt.

Drittens spricht sich Bartsch für eine Mitgliederpartei aus. Was er darunter jedoch fasst, ist eine Mogelpackung. Denn Mitgliederpartei heißt für ihn offensichtlich nicht, zu einer aktiven Partei zu kommen, die auf der Straße und in den Betrieben präsent ist und gesellschaftlichen Widerstand mobilisiert, sondern er fokussiert vorrangig darauf, die Mitgliedschaft an Abstimmungen – etwa auch über die Besetzung auf Landeslisten – zu beteiligen. Unterstützt werden soll die Kommunikation in der Partei durch einen Internetanschluss für jeden. Um wirklich alle Genossinnen und Genossen in die konkrete Parteiarbeit einzubeziehen, braucht es deutlich mehr als das. Gefragt ist hierfür die konkrete Arbeit vor Ort, die eben gerade durch solche Aktionen wie Bartsch sie mit seinem Befeuern der Personaldebatte tut, erschwert wird.

– Dietmar Bartsch beendet seine Erklärung ausgerechnet mit einem Zitat des italienischen „Links“Politikers Nichi Vendola. Mit Nichi Vendola wurde in Italien gerade erst die undemokratische Einsetzung des Bankers Mario Monti beschlossen, der für die nächsten Monate einen rigiden und unsozialen Sparkurs verkündet. Wenn das die Perspektive von Dietmar Bartsch für DIE LINKE ist, dann ist das verheerend.

Solidarische Grüße,
Nele Hirsch

Anmerkung der Redaktion: Diese Erklärung ist vorher u.a. auf „Scharf-Links“ erschienen, dort aber nicht mehr abrufbar. Auf Nachfrage erklärt die Betreiberin: „Nele hat die Redaktion eben gebeten, den Text offline zu stellen, damit die bürgerliche Presse ihn nicht zur Kenntnis nehmen kann. Dem Wunsch sind wir natürlich nachgekommen. Der Text war nur für den AKL-Newsletter bestimmt. Das ist zwar auch ein großer Verteiler aber natürlich nicht mit der Reichweite von ’scharf-links‘ vergleichbar.“.

Linke 2020: Von Zielvereinbarungen und Machtverhältnissen

Zur Sitzung des Parteivorstandes am vergangenen Wochenende lag unter dem Titel „Für eine zukunftsfähige LINKE“ der Abschlussbericht der Projektgruppe LINKE 2020 vor. Einer Arbeitsgruppe, die im Jahr 2010 vom Parteivorstand einberufen worden ist und der u.a. Werner Dreibus, Claudia Gohde, Lars Kleba, Raju Sharma, Halina Wawzyniak, aber auch Manfred Sohn, angehören und die den Auftrag hatte eine Bestandsaufnahme der bisherigen Partei(entwicklung) vorzulegen und daraus ableitend Maßnahmen vorzuschlagen, um zumindest die derzeitige Handlungsfähigkeit und quantitative Verfasstheit der Partei auch in 2020 noch zu erhalten. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Entwicklung der Partei seit 2007 unter besonderer Betrachtung der Mitgliederzahlen, der für die LINKE aufgrund ihrer Finanzierungsstruktur (um die 40% der Einnahmen werden aus Mitgliedsbeiträgen erzielt) ein hoher Stellenwert zukommt. Seit der Gründung in 2007 mit rund 71.000 Mitgliedern erreichte die Partei ihren höchsten Mitgliederstand zum Ende des Jahres 2009 mit knapp über 78.000 Mitgliedern. Zum Ende 2010 konnten nur noch 73.658 Mitglieder gezählt werden, da aufgrund von Austritten, Tod und durch Bereinigung der Kartei von Nichtzahlern, die immer geringer werdenden Neueintritte die Verluste nicht mehr ausgleichen konnten. Konnten in 2010 noch 4.910 Neumitglieder gezählt werden, sind es in den ersten neun Monaten des Jahres 2011 nur noch 2.462, denen ein Verlust von 5.770 Mitgliedern gegenübersteht. Eine genauere qualitative Analyse dieses Mitgliederschwundes wurde im Rahmen der Arbeitsgruppe nicht durchgeführt, es wird aber festgestellt, dass wenn ein Grund für einen Austritt genannt wird (dies betrifft zusammen 4.138 verlorene Mitglieder) es sich in erster Linie um Unzufriedenheit mit der Parteiorganisation handelt. Allerdings ist zu beachten, dass lediglich 6% aller Austritte begründet werden, von daher vermutet der Abschlussbericht folgerichtig, dass man sich in vielen Fällen (auch nicht beim Austritt) überhaupt nicht um das Mitglied und seine Anliegen gekümmert hat. Schreibt man diesen negativen Trend fort, ist im Jahre 2020 noch mit einer Mitgliederzahl von 58.000 zu rechnen. Aufgrund der bereits erwähnten Finanzierungsstruktur stellt eine solche Verringerung der Mitgliederzahl die Partei nicht nur vor finanzielle und organisatorische Probleme, sondern sie wirkt sich auch negativ auf die politische Verankerung in der Fläche und somit direkt auf die Wahlergebnisse aus.

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„Kiriku und die 99%“ oder „Wie viel Prozent hat eigentlich Qualität?“

99%. Der Rest also 1%. Rundungsfehler nicht ausgeschlossen.

Demnach 1 von 100, 800.000 von 80 Mio., 70 Mio. von 7 Mrd. Rundungsfehler nicht ausgeschlossen.

Bis jetzt auch nur Zahlen, keine Kennzeichnung. 99% von was? 1% von welchen? 1 Bundesligator unter 1000? 800.000 von 80. Mio. ungewollten Schwangerschaften in den Entwicklungsländern pro Jahr? 70 Mio. von 7 Mrd. Hominidaelungen? Gemeint sind wohl Personen. Und das wirft neue Fragen auf, offenbart auch ein paar Auskünfte.

Es geht um eine Minderheit. Das kann jetzt aber sehr verschiedenes bedeuten. Rugbyspieler sind eine Minderheit, Heroinkonsumierende auch, Rollstuhlfahrer, ebenso, wie aber auch Polizisten, Straßenkehrer, Linkshänder, Rothaarige, Neonazis, Journalisten, Zirkusartisten, Schalke-Fans und Onomatopoesieautoren. Revolutionäre sowieso. Zusammen sind die alle zwar mehr als 1%. Aber was hat ein Rothaariger gemeinsam mit einem Zirkusartisten was er nicht notwendtigerweise mit einem Heroinkonsumenten auch haben kann? Es geht also um sehr spezifische 1%. Sicher sind damit nicht die Polizisten gemeint, die entsprechenden Demonstrationen der 99% entgegenstehen. Bestimmt auch nicht der Angestellte der lokalen Sparkasse oder die Schalterbedienung der lokalen Bankfiliale. Vielleicht sind einfach die reichsten 1% gemeint. Das wäre in hiesigen Gefilden zuvorderst Karl Albrecht (ALDI). Allerdings hält sich die Zahl der Demonstrationen vor ALDI-Filialen derzeit in Grenzen und seit Jahren bestehende Boykottaufrufe gegen ALDI werden allgemein ignoriert. Es geht also nicht um die Wohlhabendsten sondern doch um was anderes. Es wäre ja auch sinnlos, einfach nur das erste Prozent an Wohlhabenden komplett zu enteignen, es würde sich darüber ja vor allem das 2. Prozent freuen. Aber es entzieht sich einer eindeutigen Bezeichnung. Es ist halt das „falsche“ 1%, die ominösen Schadensverursacher eben. Vage wird angedeutet, dass sie was mit Geld und Banken zu tun hätten, aber das haben ja eigentlich alle. Dass sie verantwortlich sind – als ob das niemand anderes auch für irgendwas wäre. Dass sie die Macht haben – wahrscheinlich im Kühlschrank neben dem Ketchup. Hier kommt man nicht weiter.

Die Dinge lassen sich aber auch anders betrachten. Mal ganz von vorne in der Kindheit anfangen, in den Märchen, Geschichten, den Puppentheatern und Filmen. Da trifft man zum ersten auf eine Minderheit. Nämlich die der Held und Heldinnen, der guten wie der bösen und der anderen, der außergewöhnlichen wie alltäglichen. Sie sind Kulturbringer oder Bedrohung, Helfer oder Verfolger, Vorbild oder Feindbild. Sie sind die Dynamik der Entwicklung. Die Erinnerung an die Schurken der Kindheit lässt viele Erwachsene noch schauern, die Taten des Retters gelten unausgesprochen noch gelegentlich als Vorbild. Und manch Gemeinheit ist abgekupfert von den Schelmen und Dämonen dieser Geschichten. Wir imitieren häufiger als uns lieb ist, die damals dargebotenen Lösungsstrategien der guten und bösen und anderen Helden. Und erkennen sie in unserer Umwelt wieder.

Das 1% ist also der böse Held, der Schurke, der unangenehm andere, der Verfolger, Unterdrücker. Also was alle schon mal waren, aber wohl nicht mehr als 1% ihrer Zeit. Und die 99% sind die anderen. Also auch was allen der Normallfall ist. Aber eine Geschichte funktioniert auf so einer Grundlage nicht. „Der 1 und die 99“ klingt nicht so, als ob die 99 hier erheblich wären. Auch „Wie wir alle zusammen X zusammengehauen haben“ erinnert nicht an die Mythen aus Kindheitstagen. „99 gegen eine“ klingt auch nur nach einer Anleitung für klassisches Mobbing. Es gibt demnach eine Missstimmigkeit, es fehlt hier was. Es fehlt die andere Minderheit, die erlösende, errettende.

Es gibt eine wundervolle Figur aus einem auf westafrikanischen Märchen basierenden Zeichentrickcharakter, Kiriku. Seine Eigenschaften und Taten sind ein eigenwilliges aber inspirierendes Potpourri. Er ist zwar nicht selbstgezeugt, aber selbstgebärdend, gab sich seinen Namen selbst, ist kleiner als ein Kind, kann sprechen vor Geburt, ist furchtlos, ist schnell, hilfsbereit, aufrichtig und direkt, vorrauschauend, eigenwillig, selbstbewusst, kreativ, listig. Aber auch häufig unerhört, zurückgesetzt, isoliert, verleugnet, unerkannt. Er löst Probleme, schafft neues, riskiert viel, bleibt dabei gelassen und geht Sachen auf den Grund. Kurz gesagt: Kiriku ist ein Revolutionär gleich Prometheus. Natürlich gibt es einen Gegenpart, eine böse Zauberin, die das Dorf beherrscht, dort jeglichen Widerstand brach, alles Wertvolle an sich nimmt, ein auf Fetischen basierenden Repressionsapparat einsetzt und vom ganzen Dorf gehasst wird. Aber Kiriku ist ein Revolutionär, er will herausfinden, warum die Zauberin so böse ist und frägt sie das vergebens direkt. Er unternimmt einen großen Aufwand und findet den Ursprung jener Boshaftigkeit in der Vergangenheit der Zauberin und durch List gelingt es ihm sie zu erlösen, nicht sie zu besiegen oder zu vernichten. Aber dies verwandelt auch ihn, er wird zum normalen erwachsenen Menschen und alle im Dorf sind nun gleich an Macht. Doch das Dorf erkennt die nun machtlose Zauberin wieder und zugleich wird Kiriku in neuer Gestalt nicht wieder erkannt. Das Dorf macht sich nun, der Machtlosigkeit der ehemaligen Zauberin bewusst, daran, die beiden zu lynchen. Erst die Identifikation Kirikus durch die Mutter entschärft die Situation. Das Dorf der nun nicht mehr nur an Macht Gleichen, sondern auch an Würde Gleichen feiert.

Kiriku steht für das 1% an Menschen, dem aber alle immer wieder angehören, dass gerade Dinge verändert, verbessert, interveniert, widersteht. Kiriku steht für das 1%, das das andere 1% erlöst. Kiriku steht für das 1% in den 99% ohne das die 99% nicht handeln könnte. Wir alle sind 1%Kiriku, wir alle sind 1%Zauberin, wir alle sind das 99% Dorf. Eine gute Politik ist die Kiriku-Politik, nicht die Dorf-Politik. Die Lösung liegt nicht in den 99% sondern in diesen 1%. Denn alle sind in Minderheiten und Mehrheiten, und so sind alle Schurken und Helden und Dorfmob. Lasst uns revolutionär sein. Lasst uns Kiriku sein. Wir alle sind das 1%.

Dieser Text ist eine konstruktive Reaktion auf zweierlei – auf 99% bei Demonstrationen und auf 96,9% auf einem Erfurter Parteitag.
von Michael (Mümmel) Treitinger

Kurzgemeldet: „Junge Welt vs Freiheit und Sozialismus“

Nach dem unter Gysis Anleitung ausgehandelten Kompromiss im Umgang mit Anzeigenschaltungen in der Jungen Welt, dem durch einen Antrag im Parteivorstand kurzfristig genehmigten Stand dieser Zeitung auf dem Erfurter Parteitag und einem dazu öffentlich verbreiteten „Minderheitenvotum“ von vier Bundesvorstandsmitgliedern, ist es angebracht, den aktuellen Spielstand – den vermutlichen Endstand – dieser Partie im Wettbewerb um die politische Ausrichtung der Partei und ihr historisches Selbstverständnis zu betrachten.

Mit derzeit 477 Unterzeichnern unter dem Aufruf „Keine Kooperation mit der Jungen Welt!“ hätte man sich ein durchaus anderes Ergebnis vorstellen können, als dass die Junge Welt noch immer – und nach den Ergebnissen des Parteitages vermutlich sogar in stärkerem Masse – ein privilegiertes Medium der Partei Die Linke ist. Die dieser Zeitung politisch nahe stehenden Funktions- und Mandatsträger und die Anteilseigner der Jungen Welt aus den Reihen der Linken, wissen nur zu gut, welchen Wert dieses Medium im Ringen um die linke, politische Meinungsbildung innerhalb und ausserhalb der Partei hatte und in Zukunft noch haben wird.

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Vertrauen statt Denken – Impressionen zum Erfurter Parteitag der LINKEN

 

von Matthias Zwack

Im Jahre 1891 trafen sich die Deligierten der größten und bedeutendsten sozialistischen Partei Europas mit internationalem Vorbildcharakter in Erfurt, um das wohl radikalste Parteiprogramm zu beschließen, das die SPD sich in ihrer Geschichte jemals geben hatte. Die erste zentrale Forderung, die für die Verfassenden Vorrang vor allen anderen Forderungen hatte, war die einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft, deren kapitalistische Produktionsweise für die Mehrheit der Menschen „wachsende Zunahme der Unsicherheit ihrer Existenz, des Elends, des Drucks, der Knechtung, der Erniedrigung, der Ausbeutung“ bedeutete. Die Demokratisierung des bürgerlichen Staates wurde dabei im Erfurter Programm als notwendige Voraussetzung zur Umwälzung der ökonomischen Verhältnisse begriffen:

„Der Kampf der Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung ist notwendigerweise ein politischer Kampf. Die Arbeiterklasse kann ihre ökonomischen Kämpfe nicht führen und ihre ökonomische Organisation nicht entwickeln ohne politische Rechte. Sie kann den Übergang der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit nicht bewirken, ohne in den Besitz der politischen Macht gekommen zu sein.“

Heute, ziemlich genau 120 Jahre später, scheinen diese Forderungen eigentlich aktueller den je. Die SPD ist schon lange nicht mehr links und der Kapitalismus immer noch nicht überwunden. Im Gegenteil ist er auch 2011 weiterhin quickfidel. wie die Menschen um den Globus gerade, in Zeiten der Wirtschaftskrise, bitter zu spüren bekommen: Weltweit strengen sich Staaten und transnationale Vereinigungen an, paternalistische Abhängigkeiten und soziale Sicherungsnetze aufzubrechen, deligieren ehemals staatliche Aufgaben an die Wirtschaft, verteilen den gesellschaftlichen Reichtum von Unten nach Oben um. Zur Durchsetzung dieser Katharsis, dieser Reinigung des Kapitalismus von uneffizient gewordenen Altlasten, kündigt der Staat den gesellschaftlichen Grundkonsens partizipativer Teilhabe aller Bevölkerungsschichten auf und greift zum ältesten Mittel staatlicher Kontrolle zurück: Zur Repression durch Disziplinierung, Überwachung oder die nackte, unmittelbare Gewalt von Richterspruch und Polizeiknüppel. Die derzeitige Krise des Kapitalismus ist auch eine Krise der Demokratie.

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